Wer Pizza oder den Wochenend-Einkauf über eine App bestellt, bekommt dies meist von sogenannten Gig-Worker:innen geliefert. Nicht selten handelt es sich dabei um prekär beschäftigte Menschen. Sie haben mit schlechten Arbeitsbedingungen, mieser Bezahlung und Stress zu kämpfen – und kündigen deswegen oft viel eher als grob vergleichbare Berufsgruppen.
Dies ist eine der Erkenntnisse einer repräsentativen Umfrage des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB), die heute veröffentlicht wurde. Befragt wurden mehr als 2.000 Beschäftigte von elf in Deutschland tätigen App-basierten Lieferdiensten, als Vergleichsgruppe dienten knapp über 1.000 Hilfsarbeitskräfte. Die Studie ist Teil der IAB-Serie „Beschäftigung in der Gig-Ökonomie“, die bereits im Vorjahr etwas Licht in diesen immer noch jungen und erst langsam regulierten Berufszweig gebracht hatte.
Doch warum tun sich Menschen diese offenkundig undankbare Arbeit an? Zum einen ist der Zugang zu solchen Jobs niedrigschwellig. 73 Prozent der Befragten gaben an, dass sie schnell und einfach aufgenommen wurden. 67 Prozent schätzen die zeitliche Flexibilität, und 55 Prozent sehen darin eine zusätzliche Verdienstmöglichkeit neben einem anderen Job.
Eine Rolle spiele zudem, dass Gig-Worker:innen dabei nicht notwendigerweise Deutsch sprechen müssen, und rund ein Viertel der Befragten nannten einen Mangel an besseren Alternativen als Grund. Dies deute auf spezifische Barrieren für Gig-Worker bei der Aufnahme anderer Jobs hin, folgern die Autor:innen Martin Friedrich, Ines Helm, Ramona Jost, Julia Lang und Christoph Müller.
EU-Richtlinie könnte mehr Schutz bringen
Erst im Vorjahr hatte sich die EU auf eine Richtlinie für Plattformarbeit geeinigt, für deren noch nicht erfolgte Umsetzung hat Deutschland jedoch noch bis nächstes Jahr Zeit. Als Richtlinie gibt das EU-Gesetz den EU-Ländern hierbei einen gewissen Spielraum. Dies könnte Gig-Worker:innen durchaus zum Nachteil gereichen, etwa wenn sie über ein Schlupfloch weiterhin scheinselbstständig bleiben.
Was die schwarz-rote Koalition diesbezüglich plant, bleibt vorerst unklar: Das Thema bleibt im Koalitionsvertrag ausgespart. Es könnte sich durchaus zum Zankapfel zwischen dem künftig unionsgeführten Wirtschaftsministerium und dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales entwickeln, welches bei der SPD verbleiben soll.
Für viele Gig-Worker:innen bei Lieferdiensten ist ihr Job, trotz aller Nachteile, dennoch wichtig. 41 Prozent gaben der Studie zufolge an, dass der Job für die jeweilige digitale Arbeitsplattform ihre Haupttätigkeit ist. Rund ein Fünftel geht einer weiteren Erwerbstätigkeit nach, während insgesamt knapp 30 Prozent studieren oder sich sonst wie weiterbilden. Zum Vergleich: 86 Prozent der befragten Hilfsarbeitskräfte brauchen keinen Nebenjob, um über die Runden zu kommen.
Schnell angeheuert, schnell gegangen
Dieses Ungleichgewicht spiegelt sich augenscheinlich beim Wechsel in einen anderen Job wider. Knapp 60 Prozent der Gig-Worker:innen kündigen selbst, in der Vergleichsgruppe sind dies nur knapp 20 Prozent. Und dennoch werden Gig-Worker:innen öfter vom Arbeitgeber gekündigt als Hilfsarbeitskräfte, hier liegt der jeweilige Wert bei 20 respektive 15 Prozent.
Die meisten Gig-Worker:innen hatten der Umfrage nach aber ohnehin niemals vor, lange in der Branche zu bleiben: 61 der Befragten haben den Job nur als vorübergehende Tätigkeit geplant, wenn sie nach dem Grund ihrer Kündigung gefragt wurden. Dahinter folgen mit 44 Prozent die schlechte Bezahlung und mit 41 Prozent die unangenehmen Arbeitsbedingungen.
Bei der Kündigung durch den Arbeitgeber blitzt der unzureichende Schutz durch: 28 Prozent der Befragten gaben an, aufgrund krankheitsbedingter Fehlzeiten entlassen worden zu sein. Gleich viele wurden der Umfrage zufolge nicht länger benötigt, und 11 Prozent wurden wegen Arbeitszeitkonflikten rausgeschmissen.
Gig-Work ist Ausbeutung!
Auch beim Artikelschreiben sollte man die Dinge nach dem benennen, was sie letztlich tun.
Mit dem Nachplappern von Neologismen hat man den Kampf semantisch schon verloren.
Ausbeutung durch Seelenverkäufer