#269 On The RecordWoher kommt digitales Geld und wo geht es hin, Sebastian Gießmann?

Wenige Unternehmen kontrollieren unsere Finanzinfrastrukturen, während Bargeld immer weiter zurückgedrängt wird. Was ist aber digitales Geld, wo kommt es her und sollten wir die Privatisierung einer so relevanten Infrastruktur hinnehmen? Und welche Alternativen gibt es? Darüber sprechen wir mit Sebastian Gießmann.

Sebastian Gießmann erforscht digitales Geld
Sebastian Gießmann erforscht digitales Geld

Geld war für uns immer schon da. Aber wie funktioniert das eigentlich, vor allem digital? Für unseren Podcast „Off/On“ habe ich mit Sebastian Gießmann gesprochen. Er ist Medienwissenschaftler an der Universität Siegen und in diesem Sommersemester Gastprofessor an der Humboldt-Universität in Berlin. Er erforscht Kulturtechniken und Wissensgeschichte, hier vor allem (digitales) Geld.

Für ihn als Medienwissenschaftler ist Geld unser primäres Kooperationsmittel. In unserem Gespräch geht es darum, wie aus Bargeld, „einer öffentlich-rechtlichen Infrastruktur“, nach und nach eine Plastikkarte geworden ist. Wie das Geld in den Computer kam und mittlerweile Datengeld geworden ist. Und wer mittlerweile die Kontrolle darüber hat. Wo kommt es her, wo geht es hin? Immer weniger Unternehmen kontrollieren im Moment die Art und Weise, wie wir miteinander im Finanzsystem interagieren, weil sie die Finanzinfrastrukturen privatisiert haben und kontrollieren.


Sebastian Gießmann identifiziert dabei vier Phasen der Digitalisierung von Geld seit den 1960er Jahren und wir stehen in der Europäischen Union vor der fünften. Momentan findet eine Debatte mit Konsultationen von der Europäischen Zentralbank und der EU-Kommission zur möglichen Einführung und dem Design eines digitalen Euro statt. Bis Ende diesen Jahres sollen Kriterien fertiggestellt werden und bis 2026 soll der digitale Euro eingeführt werden.

Der digitale Euro könnte eine öffentlich-rechtliche Alternative zum überwachungskapitalistischen und privatisierten Finanzsystem werden – das kommt aber auf die konkrete Ausgestaltung und spätere Akzeptanz an. Und das ist eine politische Debatte, die viel zu wenig Aufmerksamkeit bekommt.

Bargeldloses Bezahlen ist bequem, hat aber Risiken und Nebenwirkungen. Wie wir bezahlen, ist also auch ein politischer Akt: „Das, was wir da tun, ist politisch. Mit jeder Transaktion entscheiden wir auch, wie die Zukunft aussieht. Jede Transaktion zählt. Und wir sollten die Wahl haben. Das ist das Entscheidende“, so Gießmann.

Sebastian Gießmann wird auch auf der von mir mitveranstalteten re:publica Anfang Juni über die Zukunft des digitalen Bezahlens sprechen.


Moderation: Markus Beckedahl. Produktion: Serafin Dinges.


Hier ist die MP3 zum Download. Es gibt den Podcast wie immer auch im offenen ogg-Format.


Unseren Podcast könnt ihr auf vielen Wegen hören. Der einfachste: In dem eingebundenen Player hier auf der Seite auf Play drücken. Ihr findet uns aber ebenso bei Apple Podcasts, Spotify und Deezer oder mit dem Podcatcher eures Vertrauens, die URL lautet dann netzpolitik.org/podcast/.


Wie immer freuen wir uns über Kritik, Lob und Ideen, entweder hier in den Kommentaren oder per Mail an podcast@netzpolitik.org. Titelmusik von Trummerschlunk.

Deine Spende für digitale Freiheitsrechte

Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

5 Ergänzungen

  1. Ein digitaler Euro öffnet Tür und Tor für totale Überwachung und willkürliche Repressionsmaßnahmen rotchinesischer Art. ESG-Score zu niedrig? Dann gibt es eben nur noch Bahntickets zur Arbeit und zurück und Zahlungen für alles außer willkürlich festgelegtem „Grundbedarf“ werden abgelehnt. Wenn man unter Corona dieses Mittel zur Hand gehabt hätte, hätte man es genutzt. – Was wir brauchen ist ein dezentrales, anonymes Finanzsystem! Die Trennung von Staat und Währung ist wenigstens so wichtig, wenn nicht wichtiger als die Trennung von Staat und Kirche.

      1. Hallo Anne, das klingt nach einer Unterstellung, die begründet werden sollte. Was wäre denn ein Informationsstand, den man demgegenüber in’s Feld führen müsste? Die Annahme einer immer schon gegebenen staatlichen Totalüberwachung, die sich automatisch auf neue digitale Infrastrukturen erstreckt? Das wäre wiederum in der Tat naiv, denn dann kann man zivilgesellschaftliche Ansprüche an (datenschutzfreundliche) öffentliche Infrastrukturen gleich unterlassen.

  2. „Bargeldloses Bezahlen ist bequem, hat aber Risiken und Nebenwirkungen.“

    Bargeldloses Bezahlen ist nicht bequem. Barzahlung wird unbequemer gemacht.

    Meine Arbeitshypothese ist, dass Visa und/oder Mastercard hinter den Automatensprengbanden stecken. „Wir bekommen ein Bargeldverbot noch immer nicht durchgesetzt, also machen wir den Banken das Bargeld durch künstliche Verteuerung madig. Und am einfachsten geht das, indem wir Leute für die Sprengung von Geldautomaten bezahlen.“

    1. „Bargeldloses Bezahlen ist nicht bequem.“

      Naja, letzt an der Supermarkasse: der „Teenager“ vor mir hält sein Handy ran, Zackfettig. Will sagen, wenn man auf sämtliche Sicherheitsfeatures verzichtet, kommt das schon hin. Die Kameras und Augen im Supermarkt sind für Kartenzahlung mit Pin allerdings auch nicht gerade Vertrauensgrundierend. Ein kleiner Plastikrand muss es tun… fast wie bei den heutigen Smartphones…

Wir freuen uns auf Deine Anmerkungen, Fragen, Korrekturen und inhaltlichen Ergänzungen zum Artikel. Bitte keine reinen Meinungsbeiträge! Unsere Regeln zur Veröffentlichung von Ergänzungen findest Du unter netzpolitik.org/kommentare. Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.