Wochenrückblick KW12Was Demoszene und Hüttenkultur im Pfälzer Wald gemeinsam haben

Urheberrecht, Desinformation, Hassrede und die Luca-App sind die dominierenden Themen der letzten Woche. Und über allem schwebt – wie immer – die Corona-Pandemie. Aufmerksame Leser:innen finden jedoch auch die ein oder andere gute Nachricht im netzpolitischen Wochenrückblick.

Und täglich grüßt das Murmeltier. Sag mir quando, sag mir wann, hören sie endlich auf, die schlechten Nachrichten über Corona? – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Derek Baumgartner

Die deutsche Demoszene hat diese Woche für Furore gesorgt: Zum ersten Mal in seiner Geschichte hat das Bundesweite Verzeichnis der UNESCO eine virtuelle Kulturform mit einem Eintrag gewürdigt. Die Entscheidung könnte weitreichende Folgen für die Akzeptanz und Förderung digitaler Kunst haben. Ich sprach mit Szener Tobias Kopka über die spannende Subkultur der Demoszene und den langen Weg bis zur Anerkennung als Immaterielles Kulturerbe.

Es hapert mit der Umsetzung der Menschenrechte – sagt Wolfgang Kaleck. Und zeigt mit seinem neuen Buch „Die konkrete Utopie der Menschenrechte. Ein Blick zurück in die Zukunft“ Wege für eine bessere Welt auf. Der Rechtsanwalt und Aktivist geht mit gutem Beispiel voran – er leistet unter anderem juristischen Beistand für Edward Snowden und verklagte die CIA.

Auch diese Woche gibt es „Neues aus dem Fernsehrat“. Die Regisseurin Sandra Trostel hat einen Dokumentarfilm namens „All Creatures Welcome“ über die deutsche Hacker:innenkultur und den Chaos Computer Club (CCC) gedreht. Der Film ist frei auf YouTube und im Medienarchiv des CCC zugänglich. Im Interview mit

Neues aus dem Überwachungsstaat

Kein Grund, um 5G-Sendemasten abzureißen, aber dennoch Grund zur Sorge: Europäische Polizeibehörden wollen Technik zum Abhören von verschlüsselten Telefonen entwickeln. Die fünfte Mobilfunkgeneration bietet durch eine dezentrale Netzwerkarchitektur die Voraussetzungen, um verschlüsselte und anonymisierte Telefonie möglich zu machen. Fünf Millionen Euro sollen in das Projekt fließen.

Anfang des Jahres hat das BKA die Infrastruktur der Schadsoftware Emotet gehackt und anschließend auf tausenden Windows-Computern installiert. Das Vorgehen war mindestens fragwürdig, wahrscheinlich auch rechtswidrig. Jetzt fordert der BKA-Präsident auf Grundlage des Emotet-Takedowns mehr Befugnisse für seine Behörde ein. Andre Meister berichtet.

Internet bedeutet auch: Hassrede, Desinformation, Stalking

Das rechte Nachrichtenportal „Unser Mitteleuropa“ verbreitet Falschinformationen über gesellschaftspolitische Themen aller Art. Alexander Fanta und Daniel Laufer haben im Rahmen einer investigativen Recherche herausgefunden, dass Hintermänner der Plattform nicht nur für die AfD-Fraktion in Mecklenburg-Vorpommern tätig sind, sondern auch in einem österreichischen Bundesministerium arbeiten. Im Impressum von „Unser Mitteleuropa“ steht eine Londoner Briefkastenfirma als Inhaber.

Wie sollen die EU-Länder mit illegalen Inhalten im Netz verfahren? Die Frage sorgt für Streit in Europa. Der „Digital Services Act“ für digitale Dienste soll den Umgang vereinheitlichen. Anstatt am gleichen Strang zu ziehen, wollen Länder wie Spanien Upload-Filter einführen, während Deutschland den Erhalt der landeseigenen Regeln anstrebt.

Die gute Nachricht: Die Bundesregierung will bei Stalking härter durchgreifen. Ein neues Gesetz soll die unerlaubte Veröffentlichung von Nacktbildern, Fake-Profile auf Dating-Plattformen oder das Ausspähen von Geräten als Stalking unter Strafe stellen. Die schlechte Nachricht: Expert:innen halten die neuen Regelungen für unzureichend und plädieren bereits kurz nach der Veröffentlichung des Gesetzentwurfes für strengere Maßnahmen.

Facebook ist eines der ersten sozialen Netzwerke, die wegen Desinformation und Hassrede in den Fokus gerückt sind. In den Nutzungsbedingungen verspricht die Plattform ein „sicheres“ digitales Umfeld. Leider ist oft das Gegenteil der Fall: Gelöscht wird Desinformation und Hassrede meist erst nach Wochen – und manchmal überhaupt nicht. „Reporter ohne Grenzen“ hat deshalb eine Klage in die Wege geleitet.

Und da gibt es ja noch das Netzwerkdurchsetzungsgesetz, das Hassrede eindämmen soll. Tomas Rudl berichtet von einer Studie, die Schwächen bei der Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben zeigt. Das Gesetz berge laut Studie die Gefahr, legitime Meinungsäußerungen aus sozialen Netzwerken zu zensieren. Paradoxerweise bleibe die praktische Relevanz gegen Online-Hetze dabei auf der Strecke.

Geht es hier noch mit rechtlichen Dingen zu?

Josefine Kulbatzki schreibt über den schwelenden Rechtsstreit zwischen Facebook und dem Bundeskartellamt. Seit nunmehr zwei Jahren hat die Behörde die Erstellung von Werbeprofilen über Drittwebsites und konzerneigene Diensten untersagt. Facebook, das für seine Werbeprofile Daten von Instagram oder eingebetteten „Gefällt mir“-Buttons auf fremden Websites nutzt, hat Beschwerde gegen die Entscheidung eingelegt. Jetzt soll der EuGH über den Fall entscheiden. 

In der Debatte um die Passwort- und Bestandsdatenauskunft konnte ein Vermittlungsausschuss einen Kompromiss erzielen, nachdem der Bundesrat eine Neuregelung des Bestandsdatengesetzes vorerst abgelehnt hat. Die Herausgabe von Passwörtern, Nutzungs- und Kundendaten wurde erschwert. Das Gesetz, das der Bekämpfung von Rechtsextremismus und Hasskriminalität dienen soll, hing monatelang in der Schwebe.

(Un)freies Wissen für alle!

Dass es bei der Digitalisierung in Deutschland große Lücken gibt, wusste man bereits vor der Corona-Pandemie. 2020 wollte die Bundesregierung den deutschen Schulen über eine Milliarde Euro spendieren, um die digitale Infrastruktur zu verbessern. Aus einem Bericht des Bundesfinanzministeriums wird jedoch klar, dass nur wenige dieser Mittel ankommen. Mehr Laptops für Lehrende und Schüler:innen, schnelle Breitbandanbindungen und zuverlässige IT-Systeme bleiben wohl Zukunftsmusik.

Für Konferenz-Software scheint in der Lehre dagegen genug Geld übrig zu sein. Da Präsenzveranstaltungen für Hochschulen stark eingeschränkt sind, müssen Lehrende und Studierende in den digitalen Raum ausweichen. Da stellt sich die Frage nach dem besten Anbieter. Trotz massiver Datenschutzprobleme setzen viele Universitäten auf das US-amerikanische Unternehmen „Zoom“ – und bezahlen dafür kräftig. So viel sei verraten: Es handelt sich um einen sechsstelligen Betrag.

Paywalls sind ein ambivalentes Thema. Noch haben es die Verlage nicht geschafft, funktionierende Infrastrukturen für Bezahlmodelle zu implementieren. Sie sahen ihre hauseigenen Paywalls durch einen Vorstoß des Verbunds der öffentlichen Bibliotheken Berlins in Gefahr. Die Presseverlage empörten sich über das Programm VÖBBot, das Berliner Bibliotheksmitgliedern den digitalen Zugriff auf Zeitungsartikel erleichtern sollte. Die Reaktion der Bibliotheken fiel drastisch aus.

Die Hilfsorganisation „Ärzte ohne Grenzen“ wirft der Pharmaindustrie vor, selbst in einer globalen Pandemie an der Profitmaximierung festzuhalten. Auch deshalb fordern hunderte Wissenschaftler:innen und Organisationen die Anpassung des Urheberrechts, um den Kampf gegen das Coronavirus erleichtern. Zu den Unterzeichner:innen der gemeinsamen Erklärung an die Welthandelsorganisation gehören auch Organisationen wie Wikimedia Deutschland oder die südafrikanische Academy of Science.

Alle Tage wieder – Corona

Der Jahresbericht des Datenschutzbeauftragten ist da. Und wie zu erwarten spielt Corona neben Themen wie Brexit und dem Bundesnachrichtendienst die Hauptrolle. Lob hat Kelber für die Corona-Warn-App übrig, kritisiert werden die Änderungen des Infektionsschutzgesetzes. Was den Datenschutzbeauftragten sonst noch beschäftigt, berichtet Anna Biselli.

Bei Luca scheint es laut einem noch nicht von unabhängigen Fachkolleg:innen geprüften Paper nicht so richtig zu klappen mit dem Datenschutz. Forscher:innen der Universität EPFL in Lausanne warnen im schlimmsten Fall vor der Deanonymisierung der Nutzenden. Betroffen wären nicht nur die Gäste von Restaurants oder Fitnessstudios, sondern auch deren Betreiber:innen.

Die Überlastung des Gesundheitssystems ist eine Gefahr, die seit dem Anfang der Corona-Pandemie über der Gesellschaft schwebt. Um die knappe Zeit des Notfallpersonals optimal zu verteilen, will das Gesundheitsministerium unter Spahn eine Triage-Software einführen. Zweifel haben vor allem Ärzteschaft und Fachgesellschaften – sie fürchten um die Sicherheit der Patient:innen.

Chris Köver, Ingo Dachwitz und Serafin Dinges fragen sich im NPP 225, wer uns vor der Luca-App rettet. Forscher:innen haben ein neues Verfahren entwickelt, mit dem man auch ohne Deanonymisierung beim Gesundheitsamt in Bars und Geschäfte einchecken kann. Verhindert wird der Einbau in die offizielle Corona-Warn-App durch Regeln der Länder. So, genug gelesen: Hier geht es zu unserem neuesten Podcast

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