FCK AFDDie falsch verstandene Neutralität der Tagesschau

Weil in einem Bild in der Tagesschau ein kritisches Graffiti gegen die AfD zu sehen ist, tauscht die Nachrichtenredaktion das Bild in der Webversion aus und retuschiert es in der Variante mit Gebärdensprache. Dieser vorauseilende Gehorsam ist falsch. Ein Kommentar.

Ausschnitt aus der Tagesschau
Klein im Hintergrund ist „FCK AFD“ zu sehen. – Alle Rechte vorbehalten Screenshot von Daniel Boschmann

In der gestrigen 20 Uhr-Ausgabe im Fernsehen zeigte die Tagesschau zur Meldung „Corona-Notbremse soll Ende Juni auslaufen“ im Hintergrund ein Foto aus der Stadt Marburg. Ganz klein auf einem Haus in diesem Bild war der Schriftzug „FCK AFD“ („Scheiß AfD“)  zu sehen. Das fiel einerseits Menschen positiv auf, aber es gab auch eine Beschwerde eines AfD-Abgeordneten auf Twitter.

Diese Reaktion wiederum löste bei der Tagesschau offenbar hektische Betriebsamkeit aus. In einem Akt falsch verstandener Neutralität tauschte die Redaktion das Hintergrundbild in der Webversion (ab 9:15) aus und zeichnete den Beitrag sogar neu auf, wie man im Vergleich der Videos erkennen kann. Die Version mit Gebärdensprache änderte die Tagesschau auch. Hier retuschierte die Sendung den Schriftzug „FCK AFD“ im Hintergrundbild selbst mit grauer Farbe weg, wie Twitter-Nutzer bemerkten.

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Monstranz der Objektivität

Nun wäre es eine Sache, wenn die Tagesschau ständig in der Bildauswahl bestimmte Parteien attackieren würde und man der Redaktion Absicht unterstellen könnte. Niemand will, dass die Hauptnachrichtensendung dauerhaft über die Bildauswahl dermaßen Partei ergreift. Das tut die Tagesschau auch nicht.

Es ist aber auch eine falsch verstandene Auffassung von Neutralität, wenn man anfängt ohne Kennzeichnung Bilder zu retuschieren und damit journalistische Grundsätze verletzt. Man kann nicht die vermeintliche Objektivität seines Journalismus wie eine Monstranz vor sich hertragen, aber dann Bilder rausnehmen oder retuschieren. Es zeugt auch von Angst gegenüber der Meinungsmacht der rechtsradikalen und rechtspopulistischen Szene, wenn man in Antizipation eines möglichen Shitstorms vorauseilend deren Willen exekutiert. 

Und genau das hat die Tagesschau doch nicht nötig, nur weil sie ein Stück bundesdeutsche Realität zeigt.  FCK AFD ist ein Graffiti, das so in jeder deutschen Großstadt vielfach zu finden ist. Und erst recht in einer alternativ geprägten Universitätsstadt wie Marburg. 

Die Tagesschau hätte gut daran getan, das Bild einfach stehen zu lassen.

Eine kurzfristige Presseanfrage hat die Tagesschau noch nicht beantwortet. Wir reichen diese später nach.

Update 13:55 Uhr:
Die Tagesschau hat mittlerweile auf unsere Fragen geantwortet. Man habe Änderungen vorgenommen, weil das benutzte Bild das Potential habe von der Nachricht abzulenken. Zur Retuschierung in der Gebärdensprache-Version sagt die Tagesschau: „Die Tagesschau hat diese Veränderung nicht vorgenommen. Wie sie zustande kam, versuchen wir gerade zu klären.“ Darüber hinaus habe es beim aktuellen Bild wie auch in der Vergangenheit keine Beschwerden der AfD wegen der Bildauswahl gegeben.

Update 2. Juni:
Die Tagesschau hat noch einmal eine Stellungnahme geschickt: „Das Foto in der Gebärdensprachen-Version wurde in der Postproduktion ohne redaktionelle Rücksprache verändert. Die Online-Versionen wurden nun vereinheitlicht.“ Das Gebärdensprache-Video ist nun auch mit dem neu eingesprochenen Beitrag mit dem ausgetauschten Foto zu sehen.

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12 Ergänzungen

    1. Ich nochmal. Vielleicht war meine Andeutung nicht ausreichend!? „Fick die AfD“ ist definitiv nicht die Aussage bzw. korrekte Übersetzung, schließlich heißt es auch nicht „Fick die Nazis“ (FCK NZS).

  1. Es gibt sowohl für die Bearbeitung (retusche) als auch für die objektive Darstellung (das ist halt die Orginalansicht an der Stelle) gute und nachvollziehbare Begründungen.

    Ich denke nach dem mehrfachen Ärger den die ARD mit ähnlichen Darstellungen gemacht hat (mehr als 1-mal Tatort und es gab einen Bericht über ein sichtbares ‚Antifa‘ t-shirt bei einem Reporter) ist das schlicht Arbeitsvermeidung in der Rechtsabteilung.

    Insbesondere kein ‚vorauseilender Gehorsam‘, denn einmal wurde es regulär gesendet.

  2. Ich habe es gestern auch live gesehen, welch vortrefflicher Schriftzug auf die Säule im Hintergrundbild gesprüht war.

    Man mag sich fragen: was war da denn los? Ist es einer gewissen Schludrigkeit geschuldet, dass es dieses Bild durch die Eingangskontrolle geschafft hat? Wer ist für die Auswahl dieser Bilder, die im Hintergrund gezeigt werden, verantwortlich? Wird dies Konsequenzen für denjenigen haben, oder lacht man sich ob der getriggerten Rechtspopulist*innen (m/w/d) ins Fäustchen?

    Die Vorwürfe gegen diverse ARD-Rundfunkanstalten über mangelnde Neutralität und parteipolitische Einflussnahme von Seiten R2G, die im Raum stehen, sollten den Damen und Herren der Tagesschau wohlbekannt sein. Somit kann es sich also nur um grobe Fahrlässigkeit oder gar Vorsatz handeln, dass es dieses Bild in die 20-Uhr-Nachrichten geschafft hat und so einem Millionenpublikum gezeigt werden konnte. Diese Retusche, die nun im Nachhinein gemacht wurde ist so stümperhaft, das hätte ich mit GIMP besser hin bekommen.

  3. – Für die Politik-Menschen.
    – Für die meißten Menschen.

    Fehler?
    – Für die Demokratie?
    – Für die Zivilisation?

    Ich fänd’s ja lustiger, wenn die solche Sachen stehenlassen und mit Rahmen und Darstellung kommentieren, und sich über sich selbst lustig machen (das dann auf der Internetpräsenz).

    Nachträglich Bilder verfälschen ist ih-ih-bäh-bäh. Im Gegenteil gehört die gesamte Historie mit Datum und Ort immer angezeigt. Wenn das nicht zum Oblivion werden soll, müsst ihr das als Datenformat in in Fernsehstreams einbetten, so dass Fernseher das mit anzeigen können (eine gewisse Menge Einstellungen müssen für in der EU verkaufte Geräte vorhanden sein). So kann es etwas werden.

  4. Ich finde die Sache so forciert auf Druck zu bringen, ist überzoge Medienmache. Die Nachrichtensendungen und Berichte von Sender A bis Z sind ganz vordergründig voll von bedenklichen Bildmaterialzusammenschnitten und suggestivem Wortgereih(er)e. Das ist aber wirklich kein Geheimnis, wenn man ehrlich ist. Ich empfehle,viel weniger Fernsehen und die Sache ist aus der Welt. ;)

  5. Ich dachte ja eigentlich, bei der ARD wäre Tom Buhrow für solch kopflose Reaktionen zuständig …

    1. Wann lernen die Journalisten das endlich? Der Singular von Grafitti ist Grafitto. Kann man im Duden nachsehen.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.