Der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz hält Inhalte von „Fritzfeed“ zum Teil für rechtsextrem. Das teilte Innenminister Herbert Reul (CDU) am Donnerstag im Innenausschuss des Landtags mit. Zuvor hatten netzpolitik.org und bento in einer gemeinsamen Recherche aufgedeckt, dass mehrere Hinterleute des neuen Jugendportals enge Verbindungen in die AfD-Fraktion sowie in die Partei haben. CDU und FDP ließen das Thema deshalb auf die Tagesordnung setzen.
Im Bericht der Landesregierung hieß es nun, das Angebot, das Anfang April gestartet ist, füge sich in die Medienstrategie der Neuen Rechten ein. Diese versuche, mit einem modernen Auftritt im Netz ein großes Publikum außerhalb der eigenen Szene zu erreichen. Die Artikel würden dann auch von Menschen gelesen, für die sich der extremistische Gehalt des Angebots nicht unmittelbar erschließe. Die Macher:innen von „Fritzfeed“ vermischen hierzu seichte Unterhaltung mit rechtsradikalen Themen.
So zählen sie in einem Artikel etwa „16 alte Kulturgüter“ auf, die Islamisten unwiederbringlich zerstört hätten. Der Islam werde dabei mit dem Islamismus gleichgesetzt. Zugleich komme „unverhohlen eine radikale Islamfeindlichkeit zum Ausdruck“, so Reul, dessen Bericht sich auf Erkenntnisse des Verfassungsschutzes stützt.
Das Ziel, den Rechtsstaat zu delegitimieren
Auf „Fritzfeed“ werden demnach typische rechtsextremistische Argumentationsmuster verwendet, indem die Autor:innen beispielsweise Migrant:innen pauschal als Gewalttäter:innen darstellten, die bei Gerichtsverfahren bevorzugt behandelt würden. „Mit dieser diskriminierenden und herabsetzenden Art der Argumentation gegenüber gesellschaftlichen Gruppen wird einerseits deren Menschenwürde beeinträchtigt und andererseits das Ziel verfolgt, den Rechtsstaat zu delegitimieren“, sagte Reul.
Unter den „Fritzfeed“-Fans der ersten Stunde ist auch der Chef der AfD-Landtagsfraktion Markus Wagner. Seine eigene Unterstützung für die Website, die er als „Nachrichtenportal“ bezeichnete, spielte er herunter. „Ich habe einen einzelnen Beitrag geteilt und damit nicht die Seite als solche“, sagte er. Auf seiner Facebook-Seite verbreitete er jedoch allein in der ersten Woche des Portals mindestens vier Artikel weiter, die Beiträge liegen dieser Redaktion vor.
Auch im Innenausschuss wollte Wagner nicht zugeben, wie nahe Macher von „Fritzfeed“ seiner Fraktion stehen. Einer direkten Frage nach Namen wich er aus. Dabei arbeitet Chefredakteur Christian Schäler nach Recherchen von bento und netzpolitik.org sogar unmittelbar für seine Fraktion. Auch Tino Perlick, der auf dem Portal ein Autor:innenprofil hatte, ist dort beschäftigt. Beide stehen im Mitarbeiter:innenverzeichnis des Landtags und haben eine eigene Durchwahl. Beide wollten sich zu ihren Aufgaben nicht äußern.
Parteiwerbung, getarnt als Journalismus
Schäler war zudem mehrfach für den AfD-Landtagsabgeordneten Roger Beckamp als Kameramann tätig, wie Fotos belegen. Beckamps Adresse steht nun auch im Impressum von „Fritzfeed“. Er gab an, für das Projekt lediglich in rechtlichen Einzelfragen tätig zu sein. Weitergehende Verbindungen zu dem Portal stritt er ab.
Heikel sind die deutlichen Verstrickungen vor allem, weil sowohl die AfD-Fraktion als auch die „Fritzfeed“-Macher sie verbergen. Fragen dazu ließen sie wiederholt unbeantwortet, auf der Website warben sie jedoch in zahlreichen Texten unverhohlen für die Partei – getarnt als Journalismus. Wesentliche Teile eines Artikels wurden gar 1:1 aus einem Beitrag von dem Internetauftritt der Landtagsfraktion kopiert, in dem diese eine sogenannte „Abschiebeinitiative“ angekündigt hatte.
„Das ist unlautere Propaganda und das müssen wir Demokraten gemeinsam verurteilen“, sagte im Innenausschuss nun Sven Wolf, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD. Er forderte zudem ein Verbot der Identitären Bewegung.
Verfassungsschutz bestätigt Anbindung zwischen „Fritzfeed“ und Identitären
An „Fritzfeed“ beteiligte Personen stehen der rechtsextremen Gruppe nahe, wie netzpolitik.org und bento herausgefunden hatten. Dies haben nun auch die Sicherheitsbehörden bestätigt. „Die Seite ist ganz eng angebunden an die Identitäre Bewegung“, sagte Burkhart Freier, Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz. Die Behörde beobachtet jene Gruppe seit geraumer Zeit.
Eine Zusammenarbeit der Partei mit den Identitären hat der AfD-Bundesvorstand eigentlich verboten. Konsequent durchgesetzt wird dieser Beschluss offensichtlich nicht: So nahm etwa der „Fritzfeed“-Autor Tim Beuter in der Vergangenheit an mehreren Aktionen der Identitären teil. Später arbeitete er als Pressesprecher des nordrhein-westfälischen AfD-Landesverbands.
Dem WDR teilte eine Pressesprecherin inzwischen mit, dass Beuter für die Partei heute keine Pressearbeit mehr mache. Seit wann, soll offenbar ein Rätsel bleiben: Gegenüber netzpolitik.org und bento hatte die Partei Fragen zu seiner Funktion noch beharrlich ignoriert. Über das Nutzerkonto „TBeuter“ wurde zuletzt an diesem Donnerstagmittag eine neue Pressemitteilung auf der Website des Landesverbands veröffentlicht.
Der parlamentarische Arm der Neuen Rechten
Verena Schäffer, innenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, hält die Verbindung der Partei zu Rechtsextremen für offensichtlich. „Jegliche Versuche der AfD, sich einen bürgerlichen Anstrich zu geben, sind gescheitert“, sagte sie dieser Redaktion nach der Ausschusssitzung. „Die AfD ist eindeutig eine rechtsextreme Partei. Sie ist der parlamentarische Arm der sogenannten Neuen Rechten.“
Tatsächlich gibt es deutliche Hinweise darauf, dass auch Personen im Umfeld der AfD-Fraktion mindestens eine Vergangenheit bei den Identitären gehabt haben könnten. Wagner gab an, er wisse selbst nicht, wann dies womöglich der Fall gewesen sei. Im Ausschuss ließ er sich jedoch zu einer weitreichenden Aussage hinreißen: „Weder in der Vergangenheit, noch in der Gegenwart, noch in der Zukunft wird es Mitarbeiter geben in der AfD-Landtagsfraktion, die parallel dazu Verbindungen zu Organisationen wie der Identitären Bewegung haben.“
Der SPD-Politiker Wolf forderte den AfD-Fraktionschef auf, für Klarheit zu sorgen. „Die AfD-Fraktion muss erklären, ob sie Mitarbeiter für ‚Fritzfeed‘ freigestellt hat“, sagte er nach der Sitzung im Gespräch mit netzpolitik.org.
Dass Wagner die Namen doch noch offenlegen wird, scheint unwahrscheinlich. Immerhin beteuert seine Fraktion beharrlich, sie habe mit dem Jugendportal nichts zu tun. Zuletzt hatte ein Sprecher in einer E-Mail an diese Redaktion geschrieben, mit „Fritzfeed“ gebe es „keinen Austausch, nicht einmal eine Kommunikation“.
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