Neue Strategie von O’Reilly: Vom Open-Source-Vorkämpfer zum DRM-Profiteur

Der gemeinhin für seine Open-Source-Affinität bekannte O’Reilly-Verlag setzt in Zukunft primär auf ein Geschäftsmodell mit digitalem Kopierschutz (DRM) und Tracking. Nach Protesten soll es DRM-freie Bücher weiterhin geben, allerdings nur über Zwischenhändler.

Diverse O’Reilly-Buchtitel (Screenshot)

Im März dieses Jahres empörte sich Tim O’Reilly, Gründer des gleichnamigen Verlags und Miterfinder von Begriffen wie „Open Source“ und „Web 2.0“, anlässlich eines Berichts über Kopierschutztechnologien bei Traktoren: „This is truly shameful.“ Für O’Reilly war hier digitale Rechteverwaltung (Digital Righs/Restrictions Management, DRM) völlig außer Rand und Band („gone wild“) und er zitierte den Slogan des Make:Magazins: „If you can’t open it, you don’t own it.“

Drei Monate später sehen sich Tim O’Reilly und der nach ihm benannte Verlag ebenfalls mit einer Reihe kritischer Fragen in Sachen DRM konfrontiert. Im Juni verkündete der für seine IT-Fachbücher bekannte O’Reilly Verlag eine radikale Umstellung seines Geschäftsmodells: ab sofort sind Bücher und Videos nicht mehr direkt beim Verlag ohne Kopierschutz erhältlich. Stattdessen müssen sich die Kunden entscheiden, ob sie entweder gegen eine monatliche Abo-Gebühr auf sämtliche O’Reilly-Inhalte im Rahmen der kopiergeschützten und mit Tracking-Werkzeugen versehenen Safari-Plattform zugreifen oder wie bisher einzelne Bücher kopiergeschützt via Amazon beziehen möchten.

Nach Protest: DRM-freie Alternativen angekündigt

Als Reaktion auf Kundenproteste ruderte O’Reilly-Präsidentin Laura Baldwin ein wenig zurück und versprach für die Zukunft PDF-Versionen der Bücher für Abokunden des Verlags sowie DRM-freie Versionen via Google-Play-Store. Bislang sind Google-Play-Ebooks aber noch per default DRM-geschützt. Der eigene E-Book-Vertrieb über die Verlagsseite sei aber nicht mehr wirtschaftlich genug und werde in jedem Fall eingestellt.

Wenn selbst Verlage wie O’Reilly mit tendenziell DRM-kritischen Zielgruppen künftig primär auf DRM setzen, dann belegt das eindrucksvoll den anhaltenden Trend zu Geschäftsmodellen, die technische Einschränkungen von Nutzungsrechten mit dem Tracking des Nutzungsverhaltens in der Cloud kombinieren. Dass O’Reilly nun zumindest DRM-freie Alternativen verspricht, ist im Vergleich zur Konkurrenz keineswegs eine Selbstverständlichkeit. Ein Rückschlag für die Offenheit des Netzes ist die Umstellung des ehemaligen Vorreiters aber trotzdem.

[Ergänzung, 7.7.2017, 7 Uhr] Der Artikel bezieht sich auf den US-amerikanischen Verlag O’Reilly Media Inc.; in Deutschland werden O’Reilly-Bücher seit 2015 in Lizenz vom Heidelberger dpunkt.verlag veröffentlicht und sind unter oreilly.de weiterhin offen und auch DRM-frei verfügbar.

5 Ergänzungen

  1. Für mich heißt die gegenwärtige Lage, von O’Reilly Abschied zu nehmen bzw. den Schritt zurück zum Paperback zu machen – was ich nicht sonderlich attraktiv finde, gerade bei Fachbüchern, bei denen ich es schätze, meine Bibliothek ständig bei mir zu haben.

    iBook Store und Amazon haben zwingend DRM, Safari ist für meine Nutzung viel zu teuer, funktioniert offline nicht und trackt auch noch meine Zugriffe fröhlich mit, und Google fasse ich nicht mit der Kneifzange an.

    Was ich auf einem eBook-Reader mit PDF soll, erschließt sich mir nicht wirklich. Das offene ePub-Format ist für mich derzeit das einzig wahre, und daß das in Zukunft wieder angeboten werden soll, hat mir bei O’Reilly niemand bestätigen wollen. Derzeit jedenfalls gibt es keine Option.

    Die traurige Quintessenz ist, daß man nicht einmal einer vermeintlichen Lichtgestalt wie Tim O’Reilly weiter trauen darf, als man ein Klavier werfen kann, allen lauthals proklamierten Bekenntnissen zum Trotz. In dem Moment, in dem es wirtschaftlich nicht so läuft wie gewünscht, werden die hehren Grundsätze sehr schnell und wie es scheint unüberlegt über Bord geworfen.

    Das Traurige daran ist, daß ich in O’Reilly immer herausragendes Beispiel für Offenheit gesehen habe und daß dieses Bild jetzt irreparabel beschädigt ist. Selbst wenn sie zurückrudern sollten, hinterläßt die Aktion einen ziemlich scheußlichen Nachgeschmack.

  2. Ob sich das wirtschaftlich lohnt? Ein Großeinkäufer bin ich gewiss nicht, insgesamt sinds vielleicht ne handvoll Titel im Jahr. Nichtsdestotrotz ist DRM ein absolutes Ausschlusskriterium für mich.

  3. Zu der Ergänzung oben: Bei O´Reilly Deutschland gibt es allerdings nur die wenigen deutschen Titel.

  4. Ich habe schon seit langer Zeit Probleme mich bei O’Reilly.com einzuloggen, weil Ghostery da so viel Tracker blockt, ohne die man sich nicht mal in seinen eigenen Account einloggen und seine bezahlten Bücher herunterladen kann. Auf Supportanfragen per Mail und Twitter kamen nur die üblichen sinnlosen Phrasen. Zuletzt wollte ich das umgehen indem ich Bücher auf Dropbox synce, aber das ist so verbuggt, dass man nur alte Versionen (z.B. bei „Raw & Unedited“ und Errata) bekommt.

    Ich kaufe da nichts mehr.

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