Mehr als 500 Podcasts von und mit Frauen in Deutschland

Noch nie gab es so viele Podcasts unter Beteiligung von Frauen. Trotz des Booms bleiben deren Produktionen oft weniger sichtbar. Die Medienforscherin Nele Heise und viele andere in der Community wollen das ändern.

Nele Heises Sammlung wächst und wächst. (bearbeiteter Screenshot) – Alle Rechte vorbehalten fyyd

Lange Zeit galten Podcasts hierzulande als reine Männerdomäne. Technisch orientiert, viel Schulterklopfen, man kennt sich. So das Vorurteil. Dass das nicht stimmt, ist spätestens klar, seit die Medienforscherin Nele Heise im Sommer 2014 ihre Podcasterinnen-Liste begonnen hat. Mehr zufällig und aus Neugier startete sie das Projekt, aber auch, weil der Aspekt Gender bei Podcasts bislang so gut wie überhaupt nicht erforscht ist. Durch die Sammlung ist heute klar: Es gibt in Deutschland mehr als 500 aktive Podcasts und Podcastformate, an den Frauen beteiligt sind – die Angebote der öffentlich-rechtlichen Sender noch nicht einmal mitgezählt.

„Vor allem im Jahr 2016 sind viele Podcasts von Frauen entstanden“, sagt Heise gegenüber netzpolitik.org. Im Juni desselben Jahres aktualisierte sie auch ihre Liste: Von den mehr als 4.000 deutschsprachigen Podcasts aus der iTunes-Gesamtliste fielen etwa zehn Prozent in ihre Kategorie. Dabei seien mehr als vierzig Prozent der Podcasts von Frauen allein produziert, der Rest sind gemischte Formate.

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Die Hamburger Medienforscherin und Podcast-Sammlerin Nele Heise. - Alle Rechte vorbehalten Lotta Heise

„Auf der Podcasterinnen-Liste werden prinzipiell alle Podcasts aufgeführt, an denen Frauen* beteiligt sind. Das sind also gemischte Teams, Podcasts nur von Frauen – im Team oder allein“, sagt Heise, die bei der Sammlung nicht nur selbst recherchiert, sondern auf die Mithilfe von anderen setzt. Vorschläge können auf der Liste selbst, aber auch über Twitter und Mail eingereicht werden. Heise trifft keine Auswahl im Hinblick auf Themen.

Thematisch und inhaltlich ist bei den Podcasts von und mit Frauen alles dabei: Do-it-Yourself und Handarbeiten gehören zu den dominanten Clustern, aber auch klassische Netz-Themen wie Serien, Filme, Games, Popkultur oder Kultur und Literatur sowie Wissenschaft, Forschung und Technologie. Daneben gebe es noch Orchideen wie Roller Derby, 3D-Drucken, CNC-Maschinen, Pfadfinder, Geocaching, DDR, Esperanto, Pferdepflege, jüdisches Leben, Nachhaltigkeit, Garten, Segeln oder Sexarbeit. Vermehrt seien in letzter Zeit zudem auch Business-Themen wie Marketing, Management und Entrepreneurship sowie der Bereich Selbsthilfe mit Themen wie Coaching, Motivation, Fitness und Ernährung sowie Spiritualität hinzugekommen.

Das Thema Frauen und Podcasts fällt oft unter den Tisch

Auch wenn die Podcasts von Frauen in den letzten Jahren sichtbarer geworden sind, würden die Angebote der Frauen im medialen Diskurs zum Thema Podcasts fast nie berücksichtigt. So kämen sie kaum als Interviewpartnerinnen, kaum bei Vorstellungen des Formats Podcast und selten in Bestenlisten vor: „Das ist schon frustrierend, wenn man die Zahl von über 500 Angeboten vor Augen hat“, sagt Heise.

Mit „Serial“ sei im Jahr 2014 der Podcast-Smashhit schlechthin von Frauen produziert worden. Der enorme Erfolg der Produktion verhalf dem Thema Podcast in Deutschland erst zu einer größeren Öffentlichkeit. Und in den iTunes-Charts seien unter den Top 10 immerhin drei, in den Top 25 sieben Formate von podcastenden Frauen. Bei Zeit-Online produziere mit Maria Lorenz eine Frau die erfolgreichen neuen Podcasts. „Das diskutiert in Deutschland aber natürlich mal wieder keiner“, sagt Heise. Und bei Konferenzen sehe es ähnlich aus, die von ihr organisierte Session auf der re:publica 2015 sei da eher die Ausnahme.

Auch deswegen geht es Nele Heise darum, den Beitrag von Frauen in der deutschsprachigen Podcast-Landschaft und -historie festzuhalten:

Gerade die Veteraninnen aus den Anfangsjahren werden oft vergessen, und leider sind auch viele Angebote schon offline. Also einmal diese Dokumentation. Dann geht es schon auch darum zu zeigen, wie vielfältig Podcasting ist – von den Formaten, Themen und Ansätzen, das Medium zu nutzen her – und dass Frauen dazu einen wichtigen Beitrag leisten.

Sie sehe die Liste aber eher als einen fokussierten Ausschnitt des gesamten deutschsprachigen Podcast-Mikrokosmos, gerade weil ja auch viele Formate dabei seien, in denen Frauen und Männer gemeinsam podcasten oder zu denen später Frauen dazugestoßen sind.

Ob die Liste etwas geändert habe an der deutschen Podcastlandschaft? Heise sagt: „Letztlich kann so eine Liste ja immer nur ein Anstoß sein, und vielleicht hat manch eine sich dadurch angeregt und ermutigt gefühlt, endlich ihren eigenen Podcast zu starten. Eine Liste reicht aber nicht, man muss auch immer wieder einzelne Formate gezielt sichtbar machen, also kuratierend tätig sein.“

Starke und offene Podcast-Community

Deutschland hat eine lebendige, wachsende, freie und hilfsbereite Podcast-Community. Die Community hat gute Player und Plugins zusammengeschraubt, es gibt unabhängige und kuratierte Seiten wie die Hörsuppe, Suchmaschinen wie fyyd, aus der Community heraus optimierte Podcast-Aufnahmesoftware, sogar Hardware wird produziert. Dazu diskutiert die Community in Foren, trifft sich halbjährlich auf Konferenzen und hilft dem Nachwuchs mit dem Projekt der Podcast-Pat:innen.

Am Anfang schwebte Nele Heise eine Seite ähnlich der der speakerinnen.org vor, auf der die Podcasts gesammelt und beworben werden sollten. Daraus wurde aus Zeitgründen nichts. Heise erzählt, dass sowohl die Hörsuppe als auch fyyd dabei halfen, die Sichtbarkeit der podcastenden Frauen zu erhöhen. Und auch bei Panoptikum.io können Hörerinnen und Hörer verfolgen, wie viele Folgen unter Beteiligung von Frauen produziert werden. Es werden immer mehr. Und das ist gut so.

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16 Ergänzungen

  1. Liegt darin Absicht ein Thema, das schon lange keins mehr ist, aufzukochen?
    Ich habe mich zur einer Zeit im Netz sozialisiert als es weitgehend egal war welchem Geschlecht man angehört.
    So 90er, Hackerethik siewissenschon.
    Warum rennen alle mit wehenden Fahnen zurück in die geistige Steinzeit?
    Ich halte das, gerade für Digital Nativs der ersten Generation, für fragwürdig.
    Oder muss man das jetzt neu ausdiskutieren und aushandeln?

    1. Aha. Wenn bislang in einem Feld marginalisierte Gruppen aus der Marginalisierung treten, dann ist das geistige Steinzeit…

      1. Ja, Petit. Wenn Geschlecht wieder mehr zählt statt Inhalt, Kompetenz, Erfahrung oder Qualifikation sind wir zurück in der Steinzeit. (Das pseudowissenschaftliche Gerede von Marginalisierung ignorieren wir mal.)

        1. Der Medienwandel war schon immer ein Thema hier. Dazu kommt: Ausnahmen bestätigen immer die Regel. Und eine Ausnahme liegt dann vor, wenn eine/r unserer Redakteur/innen denkt, dass ein Thema für uns relevant ist. Also deshalb.

        2. Erstens sind Podcasts Netzkultur und deswegen sowieso immer schon Thema hier. Zweitens mag ich persönlich Podcasts, beobachte deren Entwicklung und halte sie für relevant und wichtig. Drittens hat mich die Zahl von 500 überrascht, was für mich auch den Nachrichtenwert dieses Artikels ausmacht. Fünftens gehören auch Geschlechterverhältnisse zum Themenkomplex Netzpolitik. Fünftens zeigt Ihr Kommentar auf eindrucksvolle Weise, dass es noch viel zu tun gibt, um diese Gesellschaft gerechter zu machen.

  2. Oha, noch keine Kommentare zu Frauenthemen ;>

    Da muss ich mal ran, ich mag Frauen ja und ich will euch meine Botschaft sagen:

    Solange Frauen über Frauen und Frauensachen reden ist das total nutzlos für Männer und euer Zeug wird euer Zeug bleiben und das liegt nicht an einer gläsernen Decke sondern eurer Zielgruppe und eure Selbstbeschränkung.

    Redet über Themen und nicht über Frau-Sein oder Themen aus Sicht von Frauen. Nein über Themen! Sachlich, fachlich, möglichst Korrekt und vermittelt Mehrwert für den Zuhörer, der euch Zeit schenkt und euch zuhört!

    Vergesst während des Blogs / Podcasts das ihr Frauen seid. Macht eure Themen-Inhalte nicht für Frauen, zielt nicht auf Frauen, nicht auf Quote. Kokettiert nicht damit, das ihr Frauen seid, vergesst es einfach und macht guten Content zu den Themen.
    Verbannt Feministisches Gelaber und zu arge feministische Seitenhiebe. Mißbraucht euren Blog nicht für feministisch-genderistische Propaganda und nicht für Sexismus gegen Männer. Lasst alberne Unterstellungen wegen Benachteiligung in Richtung Gesellschaft und Männer und hört auf euch einzureden qua Geburt zur Frau besser als andere Menschen zu sein. Sorgt durch euer Handeln und durch fachliche Qualifizierung dafür, das eure Beiträge eine hohe Qualität aufweisen. Investiert systematisch Zeit und Arbeit.

    Erwartet trotzdem nicht das die Welt auf eure Beiträge gewartet hätte. Findet euch damit ab, das Reichweite und Aufmerksamkeit von sehr vielen heute begehrt werden. Richtigen Erfolgen liegt oft jahrelanges zielstrebiges Arbeiten zu Grunde und zwar in Konkurrenz zu vielen vielen anderen, die ähnliche Arbeit bieten und vieles besser machen als man selbst. Und nicht jeder Konkurrent spielt fair.

    Ihr könnt auch als supergute Contentcreator total erfolglos bleiben und das ist dann nicht die Schuld der Gesellschaft oder der Männer sondern des Systems um die Aufmerksamkeitsindustrie. Dann muss man nicht gegen Männer wettern, sondern Analyse betreiben wie es besser geht und wie man Reichweite erhöht – Ok, ein feministischer Rant kann Reichweite bringen, aber auch langjährige Kunden vergraulen und ein Strohfeuer sein…
    Besser ist substanzielle Arbeit und viel Geduld und Freude an der Arbeit, die man leistet. Auch die Erwartung das alle darauf warten dich mit Geld zu pampern sollte man von vornherein vergessen!

    Dann werdet auch ihr vielelicht einmal Chartstürmer.

    Ich habe noch nie zuerst geschaut ob ein Podcast oder Blog männlich oder weiblich wäre, sondern immer nur ob das Thema getroffen wird und die Aufbereitung mir ganz persönlich entgegenkommt oder nicht.

    1. Cool, danke für die Tipps. Ich merke mir: Wenn ich will, dass sich auch Männer für mich interessieren, muss ich halt über Dinge reden, die Männer interessieren. Mehr kann man eigentlich auch wirklich nicht erwarten.

      1. Im Artikel geht es doch darum, dass überhaupt sich wer für Podcast von Frauen interessiert.

        Da kan ich mich nur „irgendwer“ anschliessen, ich such mir so was auch nach dem Thema aus. Nicht nach dem Geschlecht oder der Hautfarbe der Vortragenden.

        Aber vielleicht hören sich auch zu wenig Frauen Podcasts an? Das würde dann die Erfolglosigkeit erklären, wenn sie überwiegend Themen haben, die nur Frauen interessieren (was ich aus deinem Post herauslese).

    2. Ich kann dem „Ellen Ripley“-Argument nur beipflichten, das da lautet: „Wenn du dich auf die Qualität des Resultats konzentrierst wird das Geschlecht unwichtig.“

  3. In dem Artikel geht es hauptsächlich darum Podcasts die von Frauen produziert, bzw. die Macherinnen hinter dem Podcast sichtbar zu machen. Immer wieder kommt es bei Veranstaltungen vor, dass obwohl es viele inhaltlich gut produzierte Podcasts von Frauen gibt, (und dabei ist es völlig egal ob es ein „Frauenthema“ (was immer das sein soll) ist), nur oder in der Mehrzahl Männer zu Themen rund um Podcasts interviewt oder eingeladen werden.
    Und das ist ein Problem, denn so entsteht der Eindruck, dass die Podcastszene weiterhin eine fast ausschließliche Männerdomäne ist.

    1. „Und das ist ein Problem, denn so entsteht der Eindruck, dass die Podcastszene weiterhin eine fast ausschließliche Männerdomäne ist.“

      Und warum sollte das ein Problem sein? o.O
      Vielleicht ist es sogar evident das Männer mehr podcasten. Na und?

      Im Menschenrecht steht das alle Menschen, also Frauen und Männer, an Rechten gleich sind.
      Das bedeutet nicht das man eine 50:50 Quote fährt, sondern das jeder einen Podcast machen darf.

      1. Das Problem ist nicht, dass mehr Männer podcasten als Frauen, sondern dass die 10 Prozent Frauen fast immer unter den Tisch fallen, wenn es um Podcasts geht. Niemand hat eine Quote verlangt, alle sind gleichberechtigt, alle Menschen dürfen Podcasts machen, niemand will Männern die Podcasts wegnehmen – ich verstehe deine Abwehrhaltung nicht.

        1. Da hast du mich fehlinterpretiert.
          Ich habe lediglich die Aussage von „die_Horst“ hinterfragt.

          Ich hab dazu auch keine Abwehrhaltung.
          Die würde voraussetzen ich fühlte mich angegriffen,
          oder ich hätte was zu gewinnen oder zu verlieren.

          „Das Problem ist nicht, dass mehr Männer podcasten als Frauen, sondern dass die 10 Prozent Frauen fast immer unter den Tisch fallen, wenn es um Podcasts geht.“
          Warum ist das ein Problem?
          Nirgendwo steht geschrieben das man ein Anrecht auf Aufmerksamkeit hat.
          Wenn man Murks produziert oder die Zielgruppe verfehlt,
          dann bekommt man eben keine Aufmerksamkeit.
          Auch (gerade) in der Aufmerksamkeitsökonomie herrscht Marktwirtschaft.
          Das ist in keiner Weise eine Genderfrage.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.