Logan CIJ-Symposium: Basisarbeit am Journalismus

„Challenge Power“ – mit diesem Motto traten die Macher des Logan CIJ-Symposiums in diesem Jahr an. Auf der Fachkonferenz trafen Investigativjournalisten und IT-Sicherheitsexperten auf die Realität von Whistleblowern. Ein Anlaufpunkt für alle, die wissen wollen, wie Journalisten ihre Quellen schützen und was getan werden kann, damit Recherchen nicht in rechtliche und auch technische Fallen laufen. Die Reaktionen auf die Konferenz: teils gelangweilt, teils launisch.

Brandrede Journalismus versus Internetaktivismus

Auf dem Panel „Reports from the Front“ macht Jacob Appelbaum seinem Ärger Luft. Doch nur auf seine provokante Wortwahl abzuheben greift zu kurz, denn an den Problemen die Appelbaum aufzeigt, hängen Menschenleben.

I wanna talk about the biggest threat to investigative journalists and that is: other investigative journalists.

Ich möchte über die größte Bedrohung für Investigativjournalisten reden und das sind: andere Investigativjournalisten.

In seiner fast zwanzigminütigen Brandrede bringt er das Kernproblem auf den Punkt, unter dem Whistleblower und Journalisten rund um ihre Arbeit an den Snowden-Dokumenten leiden: Nicht jeder der an einer journalistischen Veröffentlichung mitwirkt ist in seiner Arbeit automatisch durch Journalistenprivilegien, wie das Zeugnisverweigerungsrecht nach § 383 ZPO geschützt.

Screenshot Jacob Appelbaum @LoganCIJ16

Etablierte Journalisten bewegen sich in einer Art geschütztem Zelt, weil sie berufsmäßig an der Erstellung von journalistischen Erzeugnissen mitwirken. Im Kern heißt das aber auch: ohne Arbeitsvertrag kein Schutz. Und schon der Terminus berufsmäßig ist in Zeiten, in denen immer weniger Journalisten eine Festanstellung haben, sehr weit auslegbar.

International wird das Zeugnisverweigungsrecht unterschiedlich gehandhabt. Das setzt Journalisten, die grenzübergreifend für mehrere Medien arbeiten unter Druck.

Appelbaum kritisiert die britische Zeitung „The Guardian“ heftig. Während der Zusammenarbeit mit Glenn Greenwald für „The Guardian“ sei das Blatt nicht bereit gewesen eine Bestätigung für Appelbaum auszustellen, dass er an eingestuften Dokumenten für die Zeitung arbeitete.

They [The Guardian] directly refused to put me and other people under that political tent.

Sie [The Guardian] haben es abgelehnt, mich und andere Leute unter dieses politische Schutzzelt zu nehmen.

Auch in Deutschland hakt es, wenn es darum geht, wer Journalist ist und im Redaktionsalltag ein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 383 ZPO hat:


5. Personen, die bei der Vorbereitung, Herstellung oder Verbreitung von periodischen Druckwerken oder Rundfunksendungen berufsmäßig mitwirken oder mitgewirkt haben, über die Person des Verfassers, Einsenders oder Gewährsmanns von Beiträgen und Unterlagen sowie über die ihnen im Hinblick auf ihre Tätigkeit gemachten Mitteilungen, soweit es sich um Beiträge, Unterlagen und Mitteilungen für den redaktionellen Teil handelt;

Obwohl im Grundgesetz Meinungs- und Pressefreiheit an keine Bedingungen geknüpft sind, folgen Politik, aber auch Verlage und andere Journalistenverbände sehr häufig den Aufnahmerichtlinien des Deutschen Journalistenverbandes DJV, welche nicht nur von „berufsmäßig“ ausgehen, sondern am Abholpunkt „hauptberuflich“ starten:

Hauptberuflich tätig ist, wer mit seiner journalistischen Tätigkeit den überwiegenden Teil seines Lebensunterhaltes bestreitet. Im Zweifelsfall auch, wer den überwiegenden Teil seiner Arbeitszeit journalistischer Tätigkeit widmet. Ehrenamtliche journalistische Arbeit reicht nicht aus.

Journalismus stärken

Eindeutig geklärt ist in diesem Spannungsfeld leider gar nichts. Besonders deutlich wurde das für die Redaktion netzpolitik.org. Nicht nur rund um die Landesverrat-Vorwürfe im August 2015 sondern auch bei den Journalisten, die ehrenamtlich für uns tätig sind. Sind die Macher von netzpolitik.org journalistische Blogger, bloggende Journalisten und wie sieht es überhaupt mit der Berufsmäßigkeit aus? Letztlich sollten doch Inhalt und Relevanz der Berichterstattung die Kriterien sein, nach denen geurteilt wird.

Das Fachgespräch der Bundestagsfraktion der Grünen im Oktober 2015 förderte zwar viele Positionen zu Tage, doch letztlich kann derzeit nur eine Verfassungsklage für Klärung sorgen. Netzpolitik.org arbeitet daran. Wer uns dabei finanziell unterstützen will, findet hier unsere Spendendaten.

Auch an anderer Stelle wird momentan alles getan, um im gesetzlichen Rahmen die journalistische Arbeit angreifbar zu halten. Das beginnt bereits bei der Arbeit mit Daten und Dokumenten, die Ausgangspunkt von Recherchen sind. Nicht nur die sehr breit interpretierbare Berufsmäßigkeit kommt hier wieder zur Sprache:

Datenhehlerei als Kuckucksei

Buermeyer kritisierte die halbherzige Klausel zum JournalistInnenschutz beim neuen Straftatbestand zur Datenhehlerei im Gesetzentwurf zur Vorratsdatenspeicherung. Sie beziehe sich wiederum nur auf die Berufsmäßigkeit und sei noch weiter eingeschränkt, weil sie sich unmittelbar auf eine Veröffentlichung beziehen müsse. Netzwerkpflege im Hintergrund, um Informationen zu sammeln für die Einarbeitung in ein Thema sei absurderweise nicht straffrei gestellt.
Quelle: www.gruene-bundestag.de

Solidarität unter Journalisten sollte bei einer derart schwammigen Rechtslage eine Selbstverständlichkeit sein, ist es jedoch, wie Appelbaum beschreibt, nicht. In zahlreichen Publikationen sei der Terminus „Internetaktivisten“ weit verbreitet, wenn es um Jacob Appelbaum, Sarah Harrison oder Julian Assange geht. Die Wikileaks-Journalisten arbeiten seit Jahren relevante Quellen auf und tragen einen wesentlichen Teil zur Berichterstattung rund um den Geheimdienstskandal bei. Wikileaks steht aufgrund dieser und anderer Enthüllungen unter Beobachtung der Geheimdienste und wird behandelt, wie eine Terrororganisation.

Selbst Kollegen, mit denen Appelbaum bereits gemeinsam Artikel verfasst hat, würden ihn in ihren eigenen Artikeln später nicht als Journalisten, sondern als Internetaktivisten bezeichnen.

If you call me an internet-activist, it breaks my heart because we have worked together. But more importantly it breaks my heart because you put me under threat of going to prison for the rest of my fucking life.

To call me an internetactivist is to consciously put me outside of the political tent of privileges and to say: go ahead. Instead of being under journalism law you are under terrorism law.

Wenn du mich einen Internetaktivisten nennst, dann bricht es mir das Herz, denn wir haben zusammen gearbeitet. Doch noch wichtiger: es bricht mir das Herz weil du mich der Gefahr aussetzt, dass ich für den Rest meines verdammten Lebens ins Gefängnis gehe.

Mich einen Internetaktivisten zu nennen heißt mir wissentlich die Privilegien zu verwehren, die diese politische Zelt bietet und zu sagen: Mach doch weiter – aber statt unter Journalistenrecht wirst du eben unter Terror-Gesetz-Kriterien betrachtet.

Kritik am Unveröffentlichten

Mehr Kritik gab es von Appelbaum dann nicht etwa für das, was „The Guardian“ veröffentlicht hat sondern für das, was nicht veröffentlicht wird. Derzeit halte „The Guardian“ eine Verfügung gegen ProPublica aufrecht, die es dem Investigativportal verbiete, Teile der Snowdendokumente zu veröffentlichen. In denen geht es um:

… things about Afghanistan or Irak. Crimes, serious warcrimes are documented in there. Crimes where civilians were killed – things that are absolutely political. And we will never see them because of the collaborationists at the Guardian who absolutely kowtow to the british political class and the hereditary powerstructures in the UK. And we should not tolerate that! And we should pressure them.

… Dinge über Afghanistan oder Irak. Verbrechen, schwere Kriegsverbrechen sind darin dokumentiert. Verbrechen, bei denen Zivilisten getötet wurden – Dinge, die absolut politisch sind. Und wir werden diese Dokumente niemals zu Gesicht bekommen, weil sich die Kollaborateure beim Guardian der britischen politischen Klasse und den vererbten Machtstrukturen des Vereinigten Königreiches unterwerfen. Und wir sollten das nicht dulden! Und wir sollten sie unter Druck setzen.

Kritik am kollegialen Umgang beim Guardian

Zunächst informierte „The Guardian“ Jacob Appelbaum und Laura Poitras nicht darüber, dass der britische Geheimdienst GCHQ die Redaktion aufsuchte und die Redakteure zur Zerstörung von Computern zwang, auf denen Teile der Snowden-Dokumente bearbeitet wurden.

Darüber hinaus habe die Zeitung die Journalisten Glen Greenwald und David Miranda nicht dauerhaft unterstützt, als es zu gerichtlichen Auseinandersetzungen rund um deren Veröffentlichungen kam. Der komplette Redebeitrag von Jacob Appelbaum:

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Hausaufgaben für Investigativjournalisten

In zahlreichen Panels ging es um die Verantwortung, die der Umgang mit Quellen mit sich bringt. So stellte Evelyn Lubbers die Arbeit der Undercover Research Group und das Special Branch Files Projekt vor, die in zahlreichen Gruppen in den letzten Jahren Polizeiinformanten aufspürten, die als verdeckte Ermittler und V-Leute eingesetzt waren. Das Wissen rund um die Aktivitäten von Polizei und Firmenspionen ist auch für die journalistische Arbeit angebracht, denn auch Journalisten zählen zu den möglichen Zielen.

Selbstkritisch räumte der Spiegeljournalist Marcel Rosenbach ein, wie durch sein – damals ungeschütztes – digitales Netzwerken Kollegen eines wichtigen Informanten in das Visier der Firmenspione geraten sind.

Neben einer gut besuchten Cryptobar, an der Grundlagen, wie E-Mail-Verschlüsselung oder sicheres Surfen besprochen wurden, spiegelten auch einige Fragen der Journalistenkollegen wieder, dass noch zu viel auf dem Feld der IT-Sicherheit im Argen liegt, als dass von einer Konferenz gesprochen werden könne, die sich selbst genügt.

Die weiteren Panels im Youtube-Kanal zum Logan CIJ Symposium:

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