Wikimedia und Mannheimer Museum führen Musterprozess um Digitalisierung gemeinfreier Bilder

Kann man durch das bloße Digitalisieren, also Einscannen oder Abfotografieren, eines gemeinfreien Werkes (Urheber-)rechte an dem digitalen Werk begründen? Die Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museen sind der Meinung, dass die mit der Digitalisierung verbundenen Aufwände einen urheberrechtlichen Schutz rechtfertigen und wenden sich damit gegen die Verwendung von Digitalisaten gemeinfreier Werke in der Wikipedia. Wikimedia, die Organisation hinter der Wikipedia, ist gegenteiliger Auffassung.

Im Rahmen eines Musterprozesses soll diese, für zahlreiche Digitalisierungsprojekte grundlegende, Frage jetzt rechtlich geklärt werden. David Pachali in seinem Bericht über den Prozess bei iRights.info:

Aus der Perspektive der Reiss-Engelhorn-Museen geht es darum, „über die Frage des Ob und vor allem des Wie der öffentlichen Zugänglichmachung unserer Bestände“ mitzuentscheiden, wie es in einer Erklärung der Museums (PDF) heißt. Besonders, wenn die Inhalte kommerziell verwendet würden, sei ein Entgelt berechtigt und diene dazu, die Kosten ihrer Digitalisierung zu decken. […] Aus der Perspektive vieler Mitwirkenden der Wikipedia-Community wiederum wird Kulturgut der Allgemeinheit entzogen, wenn die Gemeinfreiheit durch Rechte an den Reproduktionen gleichsam ausgehebelt werde und die Einrichtungen zugleich über den Zutritt zu ihren Beständen wachten. Die Wikipedia-Mitwirkenden dokumentieren Kulturschätze häufig auch mit selbst erstellten Fotos. Bei den Reiss-Engelhorn-Museen blieb auch dieser Weg bislang verschlossen. Die Wikipedia-Lizenz erlaubt auch die kommerzielle Nutzung, wofür sich die Einrichtung eine Genehmigung vorbehält.

Rechtlich berufen sich die Reiss-Engelhorn-Museen auf den Lichtbild-Schutz des § 72 UrhG. Ob dieser aber auch auf bloße Reproduktion gemeinfreier Werke anwendbar ist bzw. in Zeiten immer einfacherer und kostengünstigerer Fotografie anwendbar sein sollte, ist jetzt Gegenstand des Rechtsstreits.

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14 Ergänzungen

  1. Wie im Text zu lesen hat das Musuem absolut NICHTS gegen eine weite Verbreitung der Scans im öffentlichen Interesse. Das Musuem verwahrt sich nur dagegen, den aus Steuergeldern finanzierten Aufwand gewerblichen Formen kostenlos zur deren Gewinnabschöpfung durch deren Geschäftsmodelle ( zb. den WIKIMEDIA – AMAZON Deal ) bereitzustellen. Die WIKIMEDIA könnte ganz einfach eine andere CC Variante als die ZERO Verwenden, und somit den Kriterien der Nichtkommerziellen Nutzung und Verbreitung entsprechen. Dagegen hat niemand was,. Dann wäre aber so attraktive Profit Deals wie mit Amazon und anderen nicht mehr möglich. Und da liegt wohl das eigentliche Problem.

    1. Wikimedia ist gemeinnützig und macht somit keine Gewinne. Gewinnabschöpfung ist also kein valider Vorwurf.

      Non-commercial Lizenzen sind aus guten Grund auf Wikimedia nicht gerne gesehen: schon ein Upload zu Facebook geht mit CC-NC Bildern nicht. Non-commercial hat für Privatpersonen jede Menge Einschränkungen, die eine Nutzung in Sozialen Netzwerken oder dem eigenen Blog mit Flattr Button verhindert.

      1. Aber die, die Bilder von Wikimedia dann weiter verwenden sind ggf. nicht gemeinnützig und machen Gewinne. Der Vorwurf ist also nicht ganz von der Hand zu weisen bei CC Zero.

      2. Bei den Gehältern die Gerüchteweise für die amerikanischen WIKIMEDIA bezahlt werden, und bei all den Geld das für Digitale Lobbyaktivitäten zusammen mit Google und Co investiert werden, sollte man eher von Eigennutz statt von Gemeinnutz sprechen. Klar bleibt nichts übrig, wenn ich mir als Angestellten entsprechend hohe Gehälter auszahle, oder das geld in PR und Lobbyarbeit vollständig investiere.. Die WIKIMEDIA Gesellschaft bezeichnet das dann als NON Profit, stimmt dann ja nach diesersportlichen Betrachtung……. Ich würde ja gerne die Gerüchte durch harte Fakten und Zahlen ersetzen. Doch leider wird das in den ( Illusionen von ) WIKIMEDIA Geschäftsberichten nicht ausgewiesen., Mal sehen, ob das Finanzamt da schon weiter ist, man hört ja hier und da, das der Deutschen WIKIPEDIA demnächst die Gemeinnützigkeit aberkannt wird, da die Spendensammelstelle WIKIMEDIA eindeutig kommerziell, und das Finanzamt nicht vollends dämlich bzgl. dieser absurden Steuervermeidungs Konstruktion von WIKIMEDIA. zur WIKIPADIA . Könnte sein, dass dann ein Haufen Geld aus den Profiten (Nach) abgeführt werden muss. Ohje Ohje.

      3. @moep BenDerBlub hat explizit Wikimedia den Vorwurf gemacht, darauf wollte ich hinaus. Was dort mitschwingt ist (überspitzt): „Wikimedia ist ein böser, geldgieriger Konzern“.

        Vielleicht haben auch ein paar Firmen ein finanzielles Interesse an der Verwertung. Aber keiner kann ernsthaft Wikimedia unterstellen, den Gerichtsprozess zu führen, um sich besser finanzieren zu können. Das Motiv ist vielmehr: Mehr freie Inhalte für die Menschheit.

        Als Nebenprodukt von dem Prozess können Firmen eventuell Geld verdienen. Aber wir reden hier nicht von einem Milliarden-Markt und die Vorteile für die Allgemeinheit überwiegen meines Er­ach­tens deutlich.

  2. Also gibt es jetzt da nicht wirklich Streit, sondern man will nur durch einen Präzedenzfall (ich weß, heißt in DE so nicht) eine klare Lage?

  3. So ein Monopolanspruch ist ja kein Selbstzweck, sondern verfolgt ein gesellschaftliches Ziel, dass ein kreativer Schöpfer seinen Lebensunterhalt damit bestreiten können soll, dass er „kreativ schöpft“. Und da er nicht kalkulieren kann, zu welchen Preisen er seine Schöpfung später an den Mann oder die Frau bringen kann, räumt ihm die Gesellschaft für eine befristete Zeit ein Vermarktungsmonopol ein. D.h. „wir“ akzeptieren, dass es eine Zeit lang keinen Wettbewerb für seine Produkte geben soll. In der Zeit holt der Schöpfer seine eigenen Aufwendungen wieder herein und macht so viel Gewinn macht dass er davon (hoffentlich gut) leben kann.

    Bei Patenten ist die Dauer des Monopols bekanntlich auf 20 Jahre ( plus Prioritätsjahr) und bei Kunst auf 70 Jahre nach dem Tod des Schöpfers begrenzt. Im Gegenzug dazu erhält die Gesellschaft und die Wirtschaft innovative und kreative Impulse um sich fort zu entwickeln.

    Wenn nun ein fest Angestellter eines Museums (bzw. sein Arbeitgeber) dieses sehr lang andauernde Privileg dafür erhalten soll, dass er seine Arbeit routiniert und professionell durchführt, dann mangelt es doch an dem kreativen Prozess, dessen „ROI“ dann eben gerade nicht mehr unbestimmt ist und das dieser Schutzfrist nicht mehr bedarf. Etwas anderes wäre es sicherlich, wenn der Fotograf angehalten wäre, die Fotos mit eigenem kreativen Anspruch abzulichten – aber dann wäre das Ziel verfehlt, eine besonders exakte digitale Kopie des Kunstwerks herzustellen.

    Würde man hier einen Monopolschutz einführen, dann könnte auch der Fliesenleger einen Monopolschutz dafür erwirken, dass er die Fliesen im Bad akkurat verlegt hat.

    Ups, etwas abgedriftet, sorry ..

    Am Rande und etwas OT kann man in diesem Zusammenhang aber insgesamt die Diskussion führen, welche Schutzfristen (und damit Kosten) die Gesellschaft heute für welche Leistungen vorsehen will. Denn Software wird, von der Öffentlichkeit über Jahrzehnte nicht wahrgenommen, ja auch über das Urheberrecht geschützt und beansprucht darüber Schutzzeiträume, die in Anbetracht der Produkt-Lebenszyklen unangemessen und regelrecht pervers sind. Die Unangemessenheit (wie beim Abfotografieren) führt bei Software zudem dazu, dass Fortentwicklung ausgebremst und Kundeninteressen (z.B. nach nachprüfbarer Sicherheit) ignoriert werden kann. Wegen überbordender Monopolrechte wird hier also das Gegenteil von Innovationsförderung betrieben.

    Gerade weil Software als Produkt nicht mit einem Auto oder einem Computer vergleichbar ist, sollte man IMO diskutieren, hier neue Regelungen zum Schutz des geistigen Eigentums zum Zweck einer angemessenen Schutzfrist finden, die zudem den Rückfluss der Innovation in die Gesellschaft garantieren.

    So lange das nur Nischen wie Computer oder später Handys betraf, war das irrelevant. Aber mit den Geräten des Internets der Dinge entstehen ganz neue Möglichkeiten, Produkte wie Autos und Häuser zu monopolisieren und den Zugang der Kunden zu den Features dieser „Geräte“ sehr langfristig zu kontrollieren. Den Schutzumfang von Software auf ein angemessenen Umfang zu reformieren ebenso wie den Rückfluss des Standes der Technik in die Gesellschaft sicher zu stellen sollte ein digital-politisches Interesse sein. Die bestehenden Gesetze hierzu sind quasi prähistorisch und behindern – wie in dem Beispiel im Artikel – den Fortschritt und unsere Freiheit viel mehr, als dass sie uns nützen würden.

  4. Das wird interessant. Es geht los beim LG Berlin. Irgendjemand Erfahrungswerte, wie dieses Gericht bei Verfahren aus dem Bereich „Neuland“, Unterkategorie Urheberrecht-Tralala, urteilt?

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.