„Stille SMS“ des Inlandsgeheimdiensts haben sich innerhalb eines Jahres verfünffacht

Stille_SMS_2.Hj_2014Die Zahl der vom Bundesamt für Verfassungsschutz versendeten heimlichen Ortungsimpulse ist im zweiten Halbjahr 2014 auf 142.108 angestiegen. Dies teilte das Bundesinnenministerium auf Nachfrage mit. Im ersten Halbjahr 2014 hatte die Behörde noch rund 53.000 dieser „Stillen SMS“ verschickt. Dieser Wert stellte schon im Vergleich zum Vorjahr (erstes Halbjahr 2013: 28.472) eine starke Zunahme dar. Von 2013 auf 2014 hat sich die Zahl nunmehr verfünffacht.

Das Bundeskriminalamt (BKA) und die Bundespolizei haben die Spähmaßnahme indes weniger als im Vorjahr genutzt. Zahlen zum Zoll sind mittlerweile ohne Angaben von Gründen als Verschlusssache eingestuft. Im gesamten Jahr 2012 wurden von den nachgeordneten Schäuble-Behörden laut einer früheren Antwort fast 200.000 „Stille SMS“ verschickt, im ersten Halbjahr 2013 aber schon 138.779.

Eine „Stille SMS“ wird von den Behörden generiert und bleibt auf dem Display unsichtbar. Dadurch entsteht ein Kommunikationsvorgang, der dann mit richterlichem Beschluss im regulären Verfahren bei den Mobilfunkanbietern abgefragt werden kann. Auch die Standortdaten der Telefone werden protokolliert, deren BesitzerInnen können also geortet werden. Werden beispielsweise jede Stunde heimliche Kurznachrichten verschickt, entsteht ein aussagekräftiges Bewegungsprofil. Die nun vorliegende Antwort erklärt allerdings nicht, wie viele Personen betroffen waren.

Die Rechtmäßigkeit des Versandes „Stiller SMS“ ist umstritten: Das Abhören von Telekommunikation darf seitens der Behörden nur als passiver Vorgang erfolgen. Der Versand der Kurznachricht ist aber ein aktiver Vorgang.

Angaben auch zu IMSI-Catchern und Funkzellenabfragen

Die Antwort des Innenministeriums enthält auch Angaben zu Funkzellenabfragen. Die sind zwar vorwiegend Sache der Bundesländer, werden aber in steigendem Maße auch von Bundesbehörden genutzt. Das BKA hat demnach im zweiten Halbjahr 2014 sieben Funkzellenabfragen durchgeführt (vorher drei). Die Zahlen für den Zoll sind widersprüchlich: Hieß es letztes Halbjahr noch, die Behörden der Zollverwaltung hätten 100 Funkzellenauswertungen durchgeführt, werden nun lediglich Angaben zum Zollfahndungsdienst gemacht (27). Die Zahl der Funkzellenabfragen durch die Bundespolizei wird wie vergangenes Halbjahr mit „weniger als 50“ angegeben.

Die Angaben zu Einsätzen von IMSI-Catchern sind ebenfalls diffus. Beim BKA werden nur die Ermittlungsverfahren gezählt (14, vorher 24), zur Bundespolizei sind anscheinend absolute Zahlen der Einsätze gemeint (25, vorher 20). Die Zollverwaltung hat in 25 Fällen IMSI-Catcher eingesetzt (vorher 51). Zum Bundesamt für Verfassungsschutz fehlen die Zahlen mittlerweile komplett; im ersten Halbjahr 2014 lag der Wert noch bei 13 Fällen.

Alles ganz geheim

Wesentliche Teile der Antwort werden aber nicht offen beantwortet. Die unterschiedlichen Antworten sind dabei nach allen im Bundestag üblichen Kategorien eingestuft: VS-NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH, VS-VERTRAULICH oder GEHEIM. Antwort zu Letzterem sind nur in der Geheimschutzstelle einsehbar. Zur Begründung heißt es unter anderem:

Die erbetenen Auskünfte sind geheimhaltungsbedürftig, weil sie Informationen enthalten, die im Zusammenhang mit der Arbeitsweise und Methodik der von der Kleinen Anfrage betroffenen Behörden und insbesondere deren Aufklärungsaktivitäten und Analysemethoden stehen. Der Schutz vor allem der technischen Aufklärungsfähigkeiten der von der Anfrage betroffenen Behörden, insbesondere der Nachrichtendienste, stellt für deren Aufgabenerfüllung einen überragend wichtigen Grundsatz dar. Er dient der Aufrechterhaltung der Effektivität ihrer Informationsbeschaffung durch den Einsatz spezifischer Fähigkeiten. Eine Veröffentlichung von Einzelheiten solcher Fähigkeiten würde zu einer wesentlichen Schwächung der ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zur Informationsgewinnung führen. Dies würde für deren Auftragserfüllung erhebliche Nachteile zur Folge haben. Sie kann für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland schädlich sein. Insofern könnte die Offenlegung entsprechender Informationen die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährden oder ihren Interessen schweren Schaden zufügen und damit das Staatswohl gefährden. […]
Die Antworten auf die Kleine Anfrage beinhalten darüber hinaus zum Teil detaillierte Einzelheiten zu den technischen Fähigkeiten und ermittlungstaktischen Verfahrensweisen der Behörden. Aus ihrem Bekanntwerden könnten Rückschlüsse auf den Modus Operandi, die Fähigkeiten und Methoden der Ermittlungsbehörden gezogen werden.

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10 Ergänzungen

  1. Fragen über Fragen:

    1. Wieso gibt es Zahlen für das BfV, aber nicht für den Zoll? Seit wann ist der Zoll noch geheimer als der Verfassungsschutz?

    2. Die Begründung für die Geheimhaltungsbedürftigkeit von Teilen der Antwort ist absurd. Wenn es danach ginge, müsste alles im Staat geheim sein. Öffentliche Gesetze ermöglichen es Kriminellen bspw., sich auf mögliche Strafen einzustellen.

  2. Tja, willkommen in der DDR 4.0
    Der unterschied zu vor 89 ist nur, dass man keine mauern und grenzen mehr braucht, weil der Normalbürger sich keinen Urlaub mehr leisten kann.
    Superschöne Neue Welt

    1. Bitte nicht vergessen, die Mauer wurde nicht abgeschafft, sondern nur ein wenig verschoben – an die EU Außengrenzen zum Beispiel zwischen Greichenland und Türkei oder in der Marokko Enklave Spaniens. Mit übrigens jetzt schon weit mehr Opfern als in 40 Jahren DDR und obendrein noch diese geheimen Folterknäste in der Ukraine.

  3. Zwar werden diese stillen SMS oder IMSI-Catchter gerne gegen Kriminelle verwendet, jedoch ist es nicht auszuschliessen, dass der Verfassungsschutz auch z.B. kritische Journalisten ins Visier nimmt. Auf dem letzten Chaos Computer Club von 2014 hat Karsten Nohl von SRLabs eine neue App vorgestellt mit der man IMSI-Catcher, SS7 Angriffe und stille SMS erkennen kann. Die App „Snoopsnitch“ funktioniert bisher nur mit Qualcomm Chipsätzen, aber diese Chipsätze sind in den meisten Smartphone ohnehin verbaut. Es gibt also eine App mit der man sich vor diesen Überwachungsmaßnahmen schützen kann bzw. damit in der Lage ist diese zu erkennen und gegebenfalls Gegenmaßnahmen zu ergreifen.

    1. „Zwar werden diese stillen SMS oder IMSI-Catchter gerne gegen Kriminelle verwendet…“
      Das ist ein bisschen irreführend: Für IMSI-Catcher gilt, dass jedes Handy/Smartphone erfasst wird, das in ihre Reichweite kommt – es handelt sich also nicht um gezielte Überwachung.

  4. Ich zitiere aus der ‚Antwort‘ des holden Innenministeriums: „(….) Sie kann für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland schädlich sein. (….)“

    Um Himmels Willen; wenn die Öffentlichkeit um jede ihr zustehende Aufklärung über Alles (!) = jedes Detail, was die „lieben“, in Rede stehenden Behörden so als „geheim“ einstufen, geprellt wird, ist „Feierabend“ mit Demokratie und Rechtsstaat !! – Gerade auch die – wie wir wissen oft gefährlich zweifelhaften bis kriminellen – „Methoden“ der Ermittlungsorgane [weit weniger ihre Fähigkeiten !] sind eine Materie, welche die angeblich ja so mündigen BürgerInnen sehr wohl etwas angeht !

    Eine solche „Kann-Aussage“ bzw. (nicht nachprüfbare !) -Behauptung, und dann auch noch auf solch einen schwammigen Begriff wie die „Interessen“ der BRD bezogen, ist Wischi-Waschi-Augenwischerei, eines Rechtsstaates auf jeden Fall unwürdig und darüber hinaus ihrerseits für das gepriesene „Staatswohl“ gefährlich !

  5. Ich finde auch so manches recht schädlich. Nehme ich doch mal die CoreSecrets zur Hand:
    https://edwardsnowden.com/wp-content/uploads/2014/10/cno-core-secrets-slide-slices-14-june-06.pdf

    Nun, wenn der Staat meint mich der Freiheit und dem Recht der Privatsphäre zu berauben durch seine Hintermänner jenseits des Atlantiks, so sollte dieser wissen, dass er ebenso massiv von verstimmten Bürgern überwacht wird.

    Ich werde mich diesem Regime niemals beugen, bis zum letzten Tage. Denn ich möchte weiterhin in den Spiegel schauen können und sagen, „Ja,damals hast Du für die richtigen Werte eingestanden“.

    Denn nichts ist wertvoller als FREIHEIT und echte Demokratie ohne Waffenlieferungen zu den Saudis und anderen pervertierten Spielchen der Lobbyisten.

    Und nun kommt der liebe Staat zum nächsten Akt und versucht mit Sondereinsatz Bremen noch mehr Angst und Schrecken in der Bevölkerung zu verbreiten um seine Vorhaben zu untermauern. Nun, dann macht mal. Ist nur die Frage wer Euch das ganze Theater noch abnimmt.

    Mich werdet ihr nie auf die andere Seite ziehen, egal ob ihr mich irgendwann in den Stasi 2.0 Knast verfrachtet, verhört oder diskreditiert.

    L.M.A.A

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.