Privacy is a teamsport: Cory Doctorow zur Hackbarkeit unseres Alltages

ueberwachungAuf der Republica 2015 hielt Cory Doctorow einen Vortrag mit dem Titel: „The NSA are not the Stasi: Godwin for mass surveillance“. Darin führte er aus, wie die Technologisierung unseres Alltages auch maßgeblichen Einfluss darauf hat, wie überwachbar wir sind.

Nach Doctorow ist so gut wie alles hackbar, egal ob unsere Smarthomes, Herzimplantate oder eben auch unsere Computer. Für ihn ist es wichtig, erst einmal zu verstehen, warum dies so ist. So sei die Entwicklung des Universalcomputers der entschiedene Faktor hierfür. Es sei nun mal so, dass selbst der Computer in unserem Drucker – theoretisch – ganz andere Rechenoperationen ausführen kann, die nichts mit seiner eigentlichen Aufgabe zu tun haben. Natürlich bräuchte er sehr viel länger, da er einfach nicht über wirklich passende Kapazitäten verfügt, aber daraus entstünde natürlich ein Sicherheitsrisiko, Hacker würden eben genau dieses nutzen.

Neue Technologien haben die Gesellschaft immer vor neue Herausforderungen gestellt, so der Autor. Meistens habe die Gesellschaft dann mit Reglementierungen reagiert, wie es etwa beim Radio konkrete Vorschriften dafür gibt, welche Frequenzen zu nutzen sind, um beispielsweise nicht den Flugverkehr zu gefährden. Im Falle der Computer sei aber eine dementsprechende Regelung nicht so umzusetzen, wie die Menschheit das üblicherweise getan hat.

Mitte der 1990er-Jahre hätten die Regierungen angefangen zu glauben, dass dies über Gesetze zu kompensieren sei, leider führte dies, so Doctorow, eher zu einer Verschlimmerung des Problems. Es seien Gesetze entstanden, die es verbieten, Digital Locks zu brechen, jemandem zu helfen, der dies tut, ein Tool hierfür bereitzustellen oder einfach nur einen Key zu extrahieren.

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Die Wirtschaft habe davon sehr profitiert. Das eigentliche Problem sei aber eben das, dass wir es verboten haben, jemand anderem davon zu erzählen, wenn es eine Sicherheitslücke in einer bestimmten Software gibt, und das zwänge dann den Verbraucher wiederum, nur Software desselben Anbieters zu nutzen. Etwa so als könne man sein Auto nur in eine Vertragswerkstatt bringen und nicht einfach zum Mechaniker nebenan. Auch können so die Sicherheitslücken viel länger bestehen, weil niemand direkt dazu gezwungen sei, diese zu beheben.

Diese Bugs werden eben nicht nur genutzt, um beispielsweise ein Betriebssystem zu jailbreaken, sondern eben auch von Autoren von Malware und anderen Leuten mit böswilligen Absichten. Dies mache uns alle verwundbar. Unsere Mobiltelefone etwa würden ein enormes Sicherheitsrisiko darstellen. Doctorow führt hier das Beispiel des IMSI-Catcher-Einsatzes auf dem Maidan-Platz in der Ukraine aus. So bekamen Personen, nachdem sie an der regierungskritischen Demonstration teilnahmen, SMS, die sie davon in Kenntnis gesetzt haben, dass sie gerade an einer Störung der öffentlichen Ordnung teilgenommen hätten. Ein IMSI-Catcher ist eine Technologie, die sich Mobiltelefonen gegenüber als Basestation ausgibt und alle umliegenden Telefone zwingt, sich dort einzuloggen.

Wäre die Technologie jetzt etwas weiter fortgeschritten, fährt der Kanadier fort, und die Häuser der betreffenden verstärkt computergesteuert, könnte man sich statt der SMS auch andere, direktere Konsequenzen vorstellen: Du hast die öffentliche Ordnung gestört, jetzt stellen wir dir heute Nacht die Heizung ab, damit darüber nachdenken kannst.

Technologie funktioniere eben nur zu bestimmten Bedingungen, die meistens nicht von uns selbst festgelegt werden. Doctorow führt hier ein Beispiel von einer Frau an, die im Leasingvertrag ihres Autos zugestimmt hatte, ihr County damit nicht zu verlassen. Als sie dies dennoch tat, sprang ihr Wagen auf dem Rückweg nicht mehr an.

Cybersicherheit sei momentan eben mehr Angriff als Verteidigung. Es gehe vielmehr darum, neue Bugs auf den Geräten zu generieren, um attackieren zu können, als die Bugs zu beheben und somit die Geräte und Nutzer vor Angriffen zu schützen. Regierungen würden eigene Programme hierzu betreiben, wie etwa das von der NSA betriebene „Bullrun“. Dies sei ebenfalls ein lukrativer Markt geworden, Leute würden Sicherheitslücken an Regierungen verkaufen, damit diese dann ihren Nutzen daraus ziehen können.

Wir seien aber jetzt in eine Situation gekommen, in der der Staat alles verbieten will, was er nicht selbst entschlüsseln kann. Wie am aktuellen Beispiel Großbritannien. Für Doctorow ist es aber schon soweit, dass Regierungen für die Absicherung ihres Staates mehr Geld ausgeben, als für die Lösung der meist sozialen, gesellschaftlichen Probleme.

Doctorow macht soziale Ungleichheit als einen der Hauptfaktoren für Überwachung aus. So würde es immer dort, wo Macht sich auf einige Wenige konzentriere, zu Konflikten mit dem Rest der Bevölkerung kommen. Dies stünde der durch eine Demokratie gesicherten Pluralität im Wege. In Kanada etwa würden Leute, die auf legalem Wege gegen die Politik in Sachen Ölfelder in Alberta protestieren, vom Inlandsgeheimdienst als Extremisten eingestuft.

Verschlüsselung sei für ihn auch nicht der wahre Kampf, den wir als Menschheit auszutragen hätten, vielmehr seien es soziale Kämpfe, die die menschliche Existenz bedrohen würden. Jedoch würden wir jeden einzelnen dieser Kämpfe verlieren, solange wir kein offenes und freies Internet haben. Doctorow geht, nach eigener Aussage, weder optimistisch noch pessimistisch an die Zukunft heran, vielmehr habe er Hoffnung. Leute, die sich eben mit Überwachung auskennen, haben die Aufgabe, andere darüber zu informieren. Der Kampf um unsere Privatsphäre sei ein Teamsport.

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