LKA Baden-Württemberg heuert externe „IT-Spezialisten“ an, um sie als polizeiliche „Cyberkriminalisten“ auszubilden

2011_IuK_Kriminalitaet-1Das Landeskriminalamt Baden-Württemberg führt eine neue Sonderlaufbahn „Cyberkriminalist“ ein. Dadurch „extern ausgebildete IT-Spezialisten“ angeheuert werden, die dann in der „Fachabteilung Cybercrime und Digitale Spuren“ beim LKA bzw. den entsprechenden Kriminalinspektionen der zwölf regionalen Polizeipräsidien Dienst tun. Zunächst sollten 15 „IT-Spezialisten“ zu Polizisten in der Laufbahn des gehobenen Polizeivollzugsdienstes ausgebildet werden. Bereits 2010 waren 13 „IT-Spezialisten“ in den Polizeidienst befördert worden.

Die Ausbildungsprozedur dauert ein Jahr. Nach zweieinhalb Jahren Probezeit kann die Übernahme in das „Beamtenverhältnis auf Lebenszeit“ erfolgen. „Wir brauchen Expertenwissen, um Straftaten im Bereich der IT aufzuklären und die Täter ausfindig zu machen“, erklärt der Innenminister die ungewöhnliche Maßnahme. Verfolgt werden sollen „Bedrohung, Erpressung, Kinderpornographie, Computersabotage, Hehlerei, Betrug, Rauschgifthandel oder extremistische Propaganda“.

Die neu gebackenen Kriminalen werden in den üblichen Feldern Kriminalistik, Polizeitaktik, Zwangsmittel- und Schießtraining geschult und erhalten auch ein Fahr- und Sicherheitstraining. Die gewünschten Kenntnisse als „Cyberkriminalist“ werden in mehreren Modulen vermittelt. Ziel ist, „mit den aktuellen Entwicklungen der Kriminalitätsbekämpfung Schritt zu halten“. Hierzu gehören demnach:

Eindringen in informationstechnische Systeme, Denial of Service-Angriffe und das Verbreiten von Schadsoftware, insbesondere wenn dabei banden- oder gewerbsmäßige Begehensweisen festgestellt werden. Regelmäßig erfordert die Bearbeitung der Fälle besonders informationstechnisches Fachwissen sowie besondere technische Beweisführungsmethoden. Zum Aufgabenfeld der Kriminalinspektion 5 gehören neben der Sicherung digitaler Spuren und forensische Untersuchung von IT-Systemen auch die Aufbereitung und ggf. Dekryptierung von gesicherten Daten.

2011 hatte Baden-Württemberg einen ausführlichen Jahresbericht zur IuK-Kriminalität („Straftaten, die unter Ausnutzung der Informations- und Kommunikationstechnik oder gegen diese begangen werden“) vorgelegt. Das schwäbische LKA gehört zu jenen Ämtern, die sich im IT-Bereich in den letzten Jahren besonders hervortun. Nach Selbstauskunft ist Baden-Württemberg „in diesen Bereichen für herausragende Fälle und Großverfahren zuständig, die sich hinsichtlich Komplexität, überregionalen und internationalen Verflechtungen sowie Ermittlungsaufwand deutlich von der Masse abheben“. Nach dem LKA Nordrhein-Westfalen hat das LKA Baden-Württemberg im März eine „Cybercrime-Kooperation“ mit dem IT-Lobbyverband Bitkom begonnen. Ziel der Zusammenarbeit ist unter anderem die Einrichtung eines kurzen Dienstweges und die gegenseitige Hospitation.

Zusammen mit Bremen, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfahlen und Thüringen ist Baden-Württemberg in einer 2011 eingerichteten „Bund-Länder-Projekt-Gruppe“ damit beschäftigt, „eine zukunftsfähige Bestimmung des Begriffs ‚Cybercrime‘ zu erstellen“, die dann in der jährlichen „Polizeilichen Kriminalstatistik“ berücksichtigt wird. Unter Federführung des Bundeskriminalamts wird die Einrichtung und Zusammenlegung neuer Datenbanken vorbereitet. Auch das Data Mining in den polizeilichen Beständen des Bundes und der Länder wird erörtert. Hier steht das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur „Anti Terror-Datei“ im Weg“, das zugrundeliegende Gesetz soll nun überarbeitet werden.

Die Ergebnisse der „Bund-Länder-Projekt-Gruppe“ werden Anfang Dezember auf der Konferenz der Innenminister und –senatoren der Länder in Osnabrück vorgestellt. Thema ist auch die „Polizeiliche Bekämpfungsstrategie ‚Cybercrime‘“ sowie ein Bericht aus dem „nationalen Cyber-Sicherheitsrat“.

Auch der Verfassungsschutz Stuttgart hatte übrigens 2008 ein „Internetkompetenzzentrum“ (IKZ) eingerichtet, damals unter anderem um linken DemonstrantInnen zum NATO-Gipfel das Fürchten zu lehren. Dumm nur, dass die Schnüffler nicht viel vom Internet verstanden: Auf einem Foto der Lokalzeitung anläßlich der Eröffnung des „IKZ“ sind deutlich die Leitz-Ordner mit der Aufschrift „Internetkompetenzzentrum Bedienungsanleitung“ zu erkennen.

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9 Ergänzungen

  1. „extremistische Propaganda“

    Eine schöne Wortschöpfung die ausgelegt werden kann, wie es gerade paßt.

  2. Ich hab die Stellenanzeige ernsthaft gelesen und auch die Einstellungsvoraussetzungen hätte ich erfüllt. Bis ich zu diesem Punkt kam.

    „Gehalt: Die Einstellung erfolgt in die Besoldungsgruppe A9. Das Einstiegsgehalt beträgt nach heutigem Stand 2.326,01 € (brutto). Zusätzlich zum Gehalt erhalten Sie eine Strukturzulage (zzt. 84,15 €), eine Polizeizulage (nach dem 1. Dienstjahr zzt. 66,35 €; nach dem 2. Dienstjahr zzt. 132,69 €) sowie ggf. einen Familienzuschlag. Nähere Informationen entnehmen Sie bitte den Dokumenten „Besoldungstabellen“ und „Familienzuschlag“.“

    Kurz „lol“ gedacht und Tab geschlossen. Schade.

    1. Hey, das sind ca. 2.500 – fuer 41 Wochenstunden. Das ist ja fast schon ein halbes IT-Gehalt.

      Gut, dass die Mafia besser zahlt :-)

  3. Hmm, ein gehobener Beamter verdient nicht annähernd soviel wie ein ITler in der freien Wirtschaft. Die besten Leute werden die so aber nicht bekommen.

    1. Fehlende Internetkompetenz als Strukturproblem? Kann es sein, dass auch andere Fachdienste in den öffentlichen Verwaltungen daran scheitern? Und erst bei den IT Themen fällt es uns ITlern auf, dass da eigentlich grundsätzlich was im Argen ist?

  4. IANAL, aber ist das Zitat „Eindringen in informationstechnische Systeme“ nicht ein eklatanter Verstoß gegen unser Aller Grundrecht auf „Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme“

    1. In der Original-Stellenausschreibung wird es noch deutlicher, dass es darum geht, gegen die Trojaner-Schreiber und Botnetzbetreiber und so weiter vorzugehen.

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