Google verabschiedet sich größtenteils von offenen Standards für Instant Messaging

Wie immer mal wieder während Googles I/O Entwicklerkonferenz genannt und nun von der Electronic Frontier Foundation (EFF) zusammengefasst, will Google die derzeit existierende Instant-Messaging Plattform „Talk“ durch eine neue ersetzen, „Hangouts“. Diese mindert die Unterstützung für das freie Instant Messaging Protokoll XMPP (Jabber) enorm und gibt ebenfalls keine Möglichkeit mehr, die Archivierung aller Chatnachrichten zu deaktivieren. Ein Wechsel von freien zu proprietären Protokollen und ein großer Schritt zurück für viele Nutzerinnen und Nutzer.

Dass Google XMPP unterstützt, hieß für Nutzerinnen und Nutzer vor allem, mit Kontakten auf anderen XMPP Servern kommunizieren zu können. So kann ein Google Account bislang über Jabber beispielsweise mit jemandem kommunizieren, der oder die den beliebten Server des CCC nutzt. Google selbst beklagt in der Dokumentation der „Talk“ Plattform, dass viele IM Netzwerke es nicht ermöglichen, mit anderen Diensten zu kommunizieren:

Service choice is something you have with email and, for the most part, with your regular phone service today. This means that regardless of whom you choose as your email service provider (Gmail, Hotmail, Yahoo! Mail, your school or ISP, etc), you can email anyone who is using another service provider. […] This allows you to choose your service provider based on other more important factors, such as features, quality of service, and price, while still being able to talk to anyone you want. Unfortunately, the same is not true with many popular IM and VOIP networks today. If the people you want to talk to are all on different IM/VOIP services, you need to sign up for an account on each service and connect to each service to talk to them.

Die neuen „Hangouts“ bringen genau die Nachteile, die Google oben beschreibt. Dabei sollen, wie die EFF schreibt, die Nutzerinnen und Nutzer nicht über die Umstellung informiert werden: Ihre Kontakte, die andere XMPP Server nutzen, werden demnach schlichtweg nicht mehr im Chat auftauchen. Google wird sich damit (noch) nicht gänzlich von XMPP verabschieden, sondern nur von der Server-zu-Server Kommunikation. Nutzerinnen und Nutzer, die mit einem Google Account per XMPP chatten, werden dies auch weiterhin untereinander können – jedoch nicht mehr mit solchen Kontakten ohne Google Account. Laut EFF wirft das weitere Probleme auf:

No official Google client supports Off-the-Record (OTR) encryption, which is increasingly a critical component of secure online communication. If both participants in a chat are using Off-the-Record encryption, they’ve got a secure end-to-end line, which means nobody except the two of them—including their service provider—can read their messages.

Auch die Archivierung von Chat Verläufen kann nicht mehr generell deaktiviert werden. Bisher konnten Nutzerinnen und Nutzer generell verhindern, dass Verläufe auf ihrem Google Account gespeichert werden. Mit den neuen „Hangouts“ müsste das für jeden Kontakt einzeln eingestellt werden. Wie die EFF in einer Fußnote hinzufügt:

To be clear, even the earlier setting was far from perfect from a privacy perspective: disabling chat history only kept the logged messages out of your Gmail account, and didn’t prevent other users, or Google itself, from keeping a record of the conversation.

Hinzu kommt, dass die Archivierung nur bei offiziellen Google „Hangouts“ Clients deaktiviert werden kann, nicht aber bei externen Clients wie Pidgin, Adium oder Gajim.

Google begründet die Änderungen mit neuen technischen Anforderungen. Dennoch könnte Google, als ersten Schritt, die Spezifikationen von „Hangouts“ offenlegen. Und OTR bei offiziellen Clients ermöglichen. Schließlich argumentiert Google ja selbst, wieso open communication wichtig ist:

Google’s mission is to make the world’s information universally accessible and useful. Google Talk, which enables users to instantly communicate with friends, family, and colleagues via voice calls and instant messaging, reflects our belief that communications should be accessible and useful as well.

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3 Ergänzungen

  1. Mir wäre der Wechsel fast gar nicht aufgefallen, obwohl ich Kontakte außerhalb von Google habe – vermutlich, weil ich nicht Googles Client verwende.

    Auf meinem PC z.B. bin ich per Pidgin in meinen Google Account eingeloggt, über mein Smartphone via Yaxim in meinen jabber.org Account. Ich sehe ohne Probleme den Status der beiden Accounts und kann auch Nachrichten schicken. Also Momentan scheint die Kommunikation von Google aus mit nicht-Google XMPP Accounts noch zu funktionieren.

    Allerdings würde es mich nicht wundern, wenn sich das auch in absehbarer Zeit ändert. Google scheint sich nach dem Entfernen der Unterstützung von CardDAV / CalDAV aus GMail und dem Einstellen des Google Readers immer weiter von offenen Schnittstellen zu entfernen.

    Gerade im Bereich Chat ist die fehlende Interoperabilität ziemlich enttäuschend, da (meines Wissens nach) sowohl Google als auch Facebook und WhatsApp auf XMPP als Protokoll setzen, d.h. eigentlich sollten einer Interoperabilität zwischen diesen drei großen Firmen und den ganzen kleinen XMPP Servern keine unüberwindlichen Probleme im Weg stehen – mit Ausnahme der walled garden Phantasien der jeweiligen Vorstände versteht sich. Die Situation im Chat-Bereich ist ungefähr so, als würden sich E-Mail-Anbieter weigern, E-Mails von Servern der Konkurrenz anzunehmen.

    Da E-Mail in den „glücklicheren“ Tagen des Internets entwickelt wurde, als noch technische Machbarkeit und Funktionalität (meist) vor Gewinnmaximierung standen, haben die Anwender die Erwartung, dass E-Mail interoperabel ist. Bei Chats ist dies leider nicht der Fall. Für die meisten meiner Bekannten ist absolut selbstverständlich, dass ein Chat-Service nur mit dem Client des jeweiligen Anbieters läuft und keine Interoperabilität mit anderen Anbietern besteht.

    Ich befürchte, dass die meisten Nutzer auf Dauer das Ende des Internets akzeptieren und seinen Ersatz durch diverse Intranets von Facebook, Google, Microsoft, etc. Webseiten, welche von jedem Browser besucht werden können, werden zunehmend von Apps ersetzt, offene Protokolle wie CardDAV/CalDAV, RSS oder XMPP werden zunehmend ignoriert oder zugemauert, selbst gehostete Webseiten werden durch Präsenzen bei Facebook, Google+, LinkedIn, etc ersetzt. In einigen Jahren werden vielleicht nur noch einige große Portale bestehen, welche sich gegeneinander abschotten, d.h. von Facebook aus kann ich nur noch bei Facebook gehostete Seiten besuchen, E-Mails und Chats mit anderen Facebook-Kontakten austauschen (ersetze Facebook durch Google, Microsoft, …).

    Schade.

  2. Da bin ich mal gespannt. Das dürfte zumindest bei uns hier die Kommunikation zusammenbrechen lassen – die Google-Jabberer werden sich dann wohl einen neuen Jabber-Account zulegen müssen. Ohne Jabber-Kommunikation haben sie nämlich einen schweren Stand ;)

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