Unser Bundespräsident Joachim Gauck hat bei einem Festakt zum Tag der Deutschen Einheit eine Rede gehalten und dabei auch das Internet, Überwachung und Datenschutz angesprochen. Das klingt zumindest etwas progressiver als was er im ZDF-Sommerinterview dazu zu sagen hatte. Es kann ja nicht schaden, wenn der Bundespräsident eine notwendige netzpolitische Debatte einfordert. Hier ist der netzpolitisch-relevante Ausschnitt daraus:
Entfaltungsmöglichkeiten! Wie viele haben wir in den vergangenen Jahren hinzugewonnen, durch Internet und durch mobile Kommunikation – ein Umbruch, dessen Konsequenzen wir weder richtig erfasst noch gar gestaltet haben. Wir befinden uns inmitten eines Epochenwechsels. Ähnlich wie einst die industrielle Revolution verändert heute die digitale Revolution unsere gesamte Lebens- und Arbeitswelt, das Verhältnis von Bürger und Staat, das Bild vom Ich und vom Anderen. Ja, wir können sagen: Unser Bild vom Menschen wird sich wandeln.
Nie zuvor hatten so viele Menschen Zugang zu so viel Information, konnte man weltweit so leicht Gleichgesinnte finden, war es technisch einfacher, Widerstand gegen autoritäre Regime zu organisieren. Manchmal denke ich: Hätten wir uns doch damals in Mittel- und Osteuropa so miteinander vernetzen können!
Die digitalen Technologien sind Plattformen für gemeinschaftliches Handeln, Treiber von Innovation und Wohlstand, von Demokratie und Freiheit, und nicht zuletzt sind sie großartige Erleichterungsmaschinen für den Alltag. Sie navigieren uns zum Ziel, dienen uns als Lexikon, Spielwiese und Chatraum, und sie ersetzen den Gang zur Bank ebenso wie ins Büro.
Wohin dieser tiefgreifende technische Wandel führen wird, darüber haben wir einfachen „User“ bislang wenig nachgedacht. Erst die Berichte über die Datensammlung befreundeter Geheimdienste haben uns mit einer Realität konfrontiert, die wir bis dahin für unvorstellbar hielten. Erst da wurde vielen die Gefahr für die Privatsphäre bewusst.
Vor 30 Jahren wehrten sich Bundesbürger noch leidenschaftlich gegen die Volkszählung und setzten am Ende das Recht auf informationelle Selbstbestimmung durch. Und heute? Heute tragen Menschen freiwillig oder gedankenlos bei jedem Klick im Netz Persönliches zu Markte, die Jüngeren unter uns vertrauen sozialen Netzwerken gleich ihr ganzes Leben an.Ausgeliefertsein und Selbstauslieferung sind kaum noch voneinander zu trennen. Es schwindet jene Privatsphäre, die unsere Vorfahren sich einst gegen den Staat erkämpften und die wir in totalitären Systemen gegen Gleichschaltung und Gesinnungsschnüffelei zu verteidigen suchten. Öffentlichkeit erscheint nicht mehr als Bedrohung, sondern als Verheißung, die Wahrnehmung und Anerkennung verspricht.
Viele verstehen nicht oder wollen nicht wissen, dass sie so mit bauen am digitalen Zwilling ihrer realen Person, der neben ihren Stärken auch ihre Schwächen enthüllt – oder enthüllen könnte. Der ihre Misserfolge und Verführbarkeiten aufdecken oder gar sensible Informationen über Krankheiten preisgeben könnte. Der den Einzelnen transparent, kalkulierbar und manipulierbar werden lässt für Dienste und Politik, Kommerz und Arbeitsmarkt.
Wie doppelgesichtig die digitale Revolution ist, zeigt sich besonders am Arbeitsplatz. Vielen Beschäftigten kommt die neue Technik entgegen, weil sie erlaubt, zu Hause oder im Café zu arbeiten und die Arbeitszeit frei zu wählen. Gleichzeitig wird die Trennung zwischen Arbeit und Freizeit verwischt, was ständige Verfügbarkeit bedeuten kann – rund um die Uhr.
Historisch betrachtet, sind Entwicklungssprünge nichts Neues. Im ersten Moment erleben wir sie ratlos, vielleicht auch ohnmächtig. Naturgemäß hinken Gesetze, Konventionen und gesellschaftliche Verabredungen der technischen Entwicklung hinterher. Wie noch bei jeder Innovation gilt es auch jetzt, als aufgeklärte und ermächtigte Bürger zu handeln. So sollte der Datenschutz für den Erhalt der Privatsphäre so wichtig werden wie Umweltschutz für den Erhalt der Lebensgrundlagen. Wir wollen die Vorteile der digitalen Welt nutzen, uns gegen ihre Nachteile aber bestmöglich schützen.
Es gilt also, Lösungen zu suchen, politische und gesellschaftliche, ethische und praktische: Was darf, was muss ein freiheitlicher Staat im Geheimen tun, um seine Bürger durch Nachrichtendienste zu schützen? Was aber darf er nicht tun, weil sonst die Freiheit der Sicherheit geopfert wird? Wie muss der Arbeitsmarkt aussehen, damit der allzeit verfügbare Mensch nicht zum digitalen Untertanen wird? Wie existieren Familie und Freundschaften neben virtuellen Beziehungen? Wie können Kinder und Jugendliche das Netz nutzen, ohne darin gefangen zu werden?
Wir brauchen also Gesetze, Konventionen und gesellschaftliche Verabredungen, die diesem epochalen Wandel Rechnung tragen.
Gerade in Demokratien muss Politik schon reagieren, wenn ein Problem erst am Horizont aufscheint. Und sie muss ständig nachjustieren, sobald die Konturen klarer hervortreten. Das ist übrigens eine ihrer Stärken.
Schützen Nachrichtendienste wirklich den Bürger?
Selbstverstänlich. Die Menschen die für die Nachrichtendienste arbeiten, sind auch Bürger unseres Landes. Sie werden geschützt. Ergo schützen Nachrichtendienste auch den Bürger.
Ich dachte Bürger sind nur rechtlose Menschen zweiter Klasse, die für ihren Lohn hart arbeiten oder sich weigern es zu tun, weil sie keine Sklavenarbeit akzeptieren.
Ja toll. Wenn der Schutz der Privatsphäre jetzt auf einer Stufe mit Umweltschutz steht haben wir ja viel erreicht….
… ne ehrlich Jungs, packt die Sachen zusammen und geht Seehunde verprügeln, das hat hier keinen Sinn mehr.
Er predigt viel, fordert konkret wenig, wartet ab, handelt kaum — die ganze Nichtunwollenkönnen zeigt sich in den leeren rhetorischen Fragefiguren. Die ganze Reder sagt das schon etwas mehr als diese leeren Hülsen zur „digitalen Weltautobahn“.
Abe irgendwie passt das alles gut zu Deutschland, nach der Wahl, 2013.
„Lassen wir andere unsere Versicherungspolice zahlen?“
Anwort:
„Deutschland … Fördert ein Weltklimaabkommen und engagiert sich in der Entwicklungszusammenarbeit.“
„Oder um die Modernisierung der Einwanderungspolitik und des Staatsbürgerschaftsrechts?
Ich müsste noch über viele innenpolitische Herausforderungen sprechen: über die Energiewende, die erst noch eine Erfolgsgeschichte werden muss. “
Häh? Niebel, Flüchtlinge, dt. Autolobbyarbeit über das Kanzleramt + Steuerbegünstigungen für Riesenschlitten, Kohlekraftwerke nach der Rollerückwärts.
Wie wäre es mal mit einer einfachen, klaren Ansage in diese Richtung? Wo war er denn im letzten Jahr?
Leider schlägt er sich nur als Pastor gut.
„Historisch betrachtet, sind Entwicklungssprünge nichts Neues. Im ersten Moment erleben wir sie ratlos, vielleicht auch ohnmächtig. Naturgemäß hinken Gesetze, Konventionen und gesellschaftliche Verabredungen der technischen Entwicklung hinterher.“
und
„Gerade in Demokratien muss Politik schon reagieren, wenn ein Problem erst am Horizont aufscheint. Und sie muss ständig nachjustieren, sobald die Konturen klarer hervortreten.“
Da hat er aber wieder mal einen rausgelassen, der Gaug! :-()
A Hund is scho – oder?
Datenschutz: ich verstehe die Diskussion nicht, viele wissen, dass er schon sehr lange nicht vorhanden ist – wer hat was zu verbergen?. Eine Mail die von Stuttgart nach Hamburg über ein anderes Land (eigenes Recht!) gehen kann, ist immer nach den jeweiligen Land / Gesetzen zu bewerten. Jedes Land hat eine eigene Regelung (lassen wir uns von z.B. Syrien unser Recht vorschreiben?) und praktiziert dies. Wie naiv sind die Leute und was kann man den Leuten so erzählen?
Wie jetzt? Nur dreimal „Freiheit“? Ist der Mann krank? Ach, ich vergaß: war ja nur ein Ausschnitt aus der Rede…
Normalerweise kommt immer Freiheit, Verantwortung und noch irgendwas. Wenn man die ganze Rede liest, ist es aber wieder komplett …
Der Titel wird Dich aber freuen:
„Die Freiheit in der Freiheit gestalten“
http://www.bundespraesident.de/SharedDocs/Reden/DE/Joachim-Gauck/Reden/2013/10/131003-Tag-deutsche-Einheit.html
Jou, SO kenn‘ ich unseren Bundesjockel, danke dafür!
Der Datenschutz ist so wichtig wie Umweltschutz, also existenziell. Ich möchte mich bei Herrn Gauck für seine Rede, zumal an diesem herausragenden Tag, bedanken.
Ergänzen möchte ich noch zwei Punkte, die wesentlich sind und bei der Gewichtung helfen.
Man muss unterscheiden zwischen freiwillig/unfreiwillig (muss man nicht wirklich näher erläutern, wers nicht versteht einfach mal ne Frau fragen), und ob es andere machen oder die eigenen Leute.
Sprich: facebook, google und co kann jeder für sich selber beeinflussen (hier hilft Aufklärung), gesetzliche staatliche Überwachung – durch die Staatsmacht sanktioniert und mit Redeverbot für die Provider – nicht, und
wenn die Amerikaner oder Engländer uns überwachen ist das was anderes, als wenn z.B. der Staat Bundesrepublik Deutschland die eigenen Bürger anlasslos überwacht.
Klar worauf ich hinaus will: auf die Vorratsdatenspeicherung.
Lieber Herr Gauck, bitte informieren Sie sich über diese EG-Richtline und die Konsequenzen. Stichworte sind: Bewegungsprofile, Aufenthaltsorte, soziale/zwischenmenschliche Kontakte, Verhaltensmuster, besonders geschützte Kontakte etwa zu Rechtsanwälten, Ärzten, Betriebsräten, Vertrauenslehrern, Beratungsstellen usw.
Noch etwas. Bei der Überwachung der Bevölkerung sind die sogenannten Meta-Daten (wer wann wo mit wem wie lange wie oft) für den Staat deutlich interessanter als Inhalte etwa von Telefonaten oder Emails.
Grüße
„[…] Er kann die Welt so schön aus dem Elfenbeinturm beschreiben und dabei den Menschen noch so tolle Ratschläge geben. Auch das Kapitalismuskritik unsäglich albern ist und dass die Deutschen erheblich mehr für Europa tun müssen, klingelt heute noch allen in den Ohren.
Zwar fachlich keine Ahnung von Tuten und Blasen, aber er weiß ganz genau was er zu salbadern hat, damit die Kritik nicht zu harsch ausfällt. Er kann sich problemlos zwischen den Systemen bewegen ohne ernstlich anzuecken. Anders als seine bösen Vorgänger, weiß man bei ihm genau, dass er den Füller für jedes Gesetz zücken wird. Kritik gibt es nur fürs Fußvolk, in die andere Richtung wird eher verneigt, haben sie ihn doch einmütig vor geraumer Zeit in diesen staatlichen Renten-Lifter zu Bellevue gehievt. Schließlich muss man dankbar sein.
[…]Zum „Präsidenten der Herzen“ ist er auch nur von den Medien hochgeschrieben worden. Gottlob konnte ihn das Volk gar nicht wählen, sondern nur eine handverlesene Schar williger Parteigeister und geladener Honoratioren. Von unten betrachtet, wird er in der Riege der staatlichen Grüß-Auguste wohl keinen besonderen Platz bekommen, wenn er hoffentlich bald sein Ticket für den Rück-Zug bucht.“ (quelle: http://bit.ly/1hw4cNV)