Der Guardian brachte heute einen Artikel eines der zufällig auserwählten Opfer der RIAA, die jetzt saftige Strafen zahlen sollen. Das ist der Prozess, wo erst ja, dann doch wieder nicht live aus dem Gerichtssaal gestreamt werden durfte: How it feels to be sued for $4.5m
To a certain extent, I’m afraid to write this. Though they’ve already seized my computer and copied my hard drive, I have no guarantee they won’t do it again. For the past four years, they’ve been threatening me, making demands for trial, deposing my parents, sisters, friends, and myself twice – the first time for nine hours, the second for seven. I face up to $4.5m in fines and the last case like mine that went to trial had a jury verdict of $1.92m.
When I contemplate this, I have to remind myself what I’m being charged with. Investment fraud? Robbing a casino? A cyber-attack against the federal government? No. I shared music. And refused to cave.
Sehr empfehlenswerter Artikel.
Naja, der Junge ist ja nicht ganz unschuldig. Zum einen hat er offensichtlich gegen geltendes Recht verstoßen, zum anderen hat er den von der RIAA angebotenen Vergleich abgelehnt.
Was ist denn das für eine Einstellung? Diese Vergleiche der RIAA sind nichts anderes als Erpressungen. Und Schuld und Unschuld alleine über die Legalität der Handlung zu definieren spricht nicht gerade für ein ausgeprägtes Moralverständnis, um es freundlich zu formulieren. Es ist ja wohl kaum nötig, die Vergleiche zu Diktaturen und Unrechtsstaaten zu ziehen, um das deutlich zu machen.
@SG: Pff was hast du denn für ein Rechtsempfinden …
Was würdest du sagen wenn dir die Politesse ein Knöllchen schreibt weil du zu lange kein Geld in die Parkuhr gesteckt hast und weil du dich geweigert hast ihr direkt 30€ zu bezahlen verklagt man dich auf 300.000€. Hast ja schliesslich gegen geltendes Recht verstoßen und zum anderen den Angebotenen Ausgleich abgelehnt.
Manche Leute haben echt keinerlei Sinn für Verhältnismäßigkeit mehr. Ist dir schonmal aufgefallen dass aus der Finanzkrise Bernie Madoff als einziger in den Knast gewandert ist? Was ist mit den anderen hunderten Milliarden die die alle verheizt haben? Von denen hat nicht ein einziger eine Strafe bezahlt. Aber eine Hausfrau muss für zwei dutzend MP3s Millionen abdrücken? 1 2 … 1 2 … Realitätscheck.
Anders als schlichtweg „böse“ kann man das Verhalten der RIAA wohl kaum bezeichnen.
Merkt die Musikindustrie nicht selbst, dass sie sich damit ihr eigenes Grab geschaufelt hat? Glauben die ernsthaft, dass angesichts solcher Widerwärtigkeiten ihre bisherigen Kunden noch Lust haben, sie durch den Kauf von CDs oder „legalen“ Downloads dabei auch noch zu unterstützen, oder gar ein Unrechtsbewusstsein bei der Benutzung von Filesharing entwickeln?
@1: Laut guardian-Artikel forderte die RIAA-Ablass-Hotline zunächst $3,000, der Junge gab nur $500. Das war den Ablasshändlern zu wenig, dem Sünder wurde das Geld erstattet, seine Schuld nicht vergeben.
Und weil er so unverschämt war, sich gegen den preiswerten Sündenerlass zu sträuben, wurde er von den Inquisitoren auf $4,500,000 verklagt.
Nun bot er $5,250 an. Das war den Ablasshändlern abermals zu wenig, denn sie verlangten zur Vergebung aller seiner Sünden $10,500.
„Das hat er nun davon!“: SG, ist es das, was du uns sagen wolltest? Recht und Unrecht sei eben eine Frage des Geldes und man solle sich doch bitte fügen? Selbst schuld, wenn man die von der RIAA so gnädig angebotenen Vergleiche ausschlägt?
Nicht mehr die Handlungen von Millionen von Menschen begründen gesellschaftliche Normen, sondern finanzkräftige Lobbyvereinigungen legen fest, was Gut und was Böse ist. Füge dich, Wurm! Und bist du nicht willig, so verspüre meinen mächtigen Zorn, wenn ich dich mit tausendfachem Overkill in den Staub drücke!
@SG
Ob er gegen geltendes Recht verstossen hat, kann und darf einzig und alleine ein Richter entscheiden. Das zeichnet den Rechtsstaat aus. In der Theorie zumindest.
In der Praxis ist leider nicht jeder gleich vor dem Recht. Um seine Rechte bewahren zu koennen braucht man einen Rechtsanwalt der einen angemessen vor Gericht vertritt. Leider hat sich die Marktwirtschaft auch im Rechtswesen eingeschlichen und Anwaelte, welche gut darin sind, ihre Mandanten zu vertreten, verlangen mehr Geld fuer ihre Dienste.
Da eine Privatperson finanziell nie einem Verband, mit milliardenschweren Industrien im Ruecken, das Wasser reichen kann, wird die Privatperson bei nicht eindeutigen Sachverhalten praktisch immer unterliegen.
Auf dem Wissen aufbauend hat die RIAA ihren Vergleich gestellt. Umgangssprachlich kann man das sehr wohl „Noetigung“ oder sogar „Erpressung“ nennen getreu dem Motto „Entweder du zahlst unsere Forderungen, oder du wirst uns im Prozess unterliegen“. Dass die im Vergleich angebotenen Summen rein gar nichts mit dem „Schaden“, welcher noch nicht mal erwiesen sein muss, zu tun haben, sei nur am Rande erwaehnt.
Klar, die RIAA-Forderung von 4,5 Mio. ist hoch, wahrscheinlich sogar zu hoch. Gerade deswegen wäre es klug gewesen, auf das 3.000 Dollar-Vergleichsangebot einzugehen. Der Vergleich mit dem Parkknöllchen hinkt, weil es sich hier um Zivilrecht handelt, nicht um Strafrecht bzw. eine Ordnungswidrigkeit. Vergleiche und Vergleichsangebote gehören in den USA wie auch bei uns seit langem zur Rechtskultur und sind nicht notwendigerweise etwas schlechtes.
In dem ganzen Guardian-Artikel steht in keiner Zeile, dass der Betreffende das Bewusstsein hat, etwas falsches bzw. illegales getan zu haben. Etwas selbstgerecht für meinen Geschmack.
Lest mal die Kommentare bei dem Guardian-Artikel. Zumindest einige Briten sehen das etwas realistischer:
Es geht um die Verhältnismäßigkeit, nicht um die Moral. Komisch, dass bei diesen Thema immer Reue gefordert wird.
Wer legt überhaupt fest, wann ich Unrechtsbewusstsein empfinden soll? Wer sagt mir denn, wann ich mich mies zu fühlen habe? Ein Gesetzesparagraph, auf den mit erhobenen Zeigefinger gedeutet wird? Die RIAA? Und hat sich die Tiefe der empfundenen Scham proportional zur geforderten Schadenssumme zu verhalten?
Also ich weiß ja nicht, wo das alles hinführen soll. Das gewünschte „Umdenken“ wird man auf diese Weise aber wohl nicht herbeiführen können. Eher im Gegenteil.
„Angst vor Strafe kann zwar davon abhalten, etwas Unrechtes zu tun, aber sie veranlaßt uns nicht, das Rechte zu tun.“
(B. Bettelheim)
@SG:
Der Vergleich des Briten, den Du zitierst, ist auch blind gegenüber jeden Maßes und jeder Verhältnismäßigkeit.
Da wird ein normaler Bürger von mehreren Multimilliarden-Konzernen auf eine abstruse Fantasiesumme verklagt, weil er Songs angeboten hat, dessen Interpreten im Champagner baden können? Eine Summe, die seine gesamte Existenz zerstören kann, und es gibt tatsächlich Leute die das befürworten?
Selbst wenn man das erste Angebot von 3000$ als Grundlage nimmt, setzt das bei Titelpreisen von ca. 1$ vorraus, dass er besagte Songs insgesamt 3000 mal hochgeladen hat. Und wieviele Uploads kann man ihm nachweisen? Genau einen einzigen, und dieser war von besagten Konzernen bei Mediasentry in Auftrag gegeben. Allein die Entwicklung der Forderung von 3.000$ zu 4.500.000$, eine Steigerung um den Faktor 1.500, zeigt doch wie absurd diese Forderung ist.
Ich kann mich nur Markus anschließen: 1 2 … 1 2 … Realitätscheck.
Das Leben wird natürlich sehr einfach, wenn man das einfach selbst festlegt, das gebe ich zu. Ob das besonders sozialadäquat ist, steht allerdings auf einem anderen Blatt.
Soweit ich weiß, ist es in Deutschland nicht verboten, sein rechtmäßig erworbenes Geld fürs Champagner-Baden auszugeben. Oder anders gesagt: Es geht den Empfänger einer Ware nichts an, wozu der entsprechende Empfänger der Zahlung diese verwendet. Ich darf mir ja als Arbeitnehmer von meinem Gehalt auch saure Drops kaufen, selbst dann, wenn mein Arbeitgeber saure Drops nicht mag.
Update 20090731: Er hat gestanden und den Prozess verloren.
Jetzt geht es nur noch darum, was zwischen 22.500 und 4,5 Millionen er bezahlen muss.