Die TAZ über Citizen Journalism

In der morgigen TAZ gibt es einen Verriss von Citizen Journalism und Blogs am Beispiel der „Readers Edition“: Müssen nur wollen.

Bürgerjournalismus (1): Warum man das Schreiben manchmal einfach den Profis überlassen sollte. Anmerkungen über Hobby-AutorInnen aus Anlass des neuen Zeitungsblogs „Readers Edition“.

Hab auch schonmal progressiveres zum Thema in der TAZ gelesen, schade eigentlich. Klingt wie die übliche Verteidigung von Besitzständen von journalistischer Seite gegenüber Blogs & Co. Ich vermute mal, dass viele vor 28 Jahren ähnlich über die TAZ geschrieben haben. Vor allem in den ersten Tagen nach Gründung…

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12 Ergänzungen

  1. Du meine Güte, da haben sie der Readers-Edition aber viel Zeit gelassen..

    Das so etwas nur mit einer starken, großen Community funktioniert und selbige jetzt noch nicht da sein kann, darauf kommt die TAZ-Schreiberin natürlich nicht. Oder sie weiß es, und lässt es nur unter den Tisch fallen. Weil sonst wäre dieser niederschmetternde Faustschlag gegen alle Möchtegernschreiber nicht so wirkungsvoll gewesen. Nee, is klar.

    Wikipedia war nach einer Woche und auch nach einem Monat noch keine ernstzunehmende Enzyklopädie, das sieht heute etwas anders aus. Und warum? Weil so etwas mit der Zeit wächst.

    Langer Rede, kurzer Sinn: Unnötiger Haudraufartikel

  2. Dieses ganze Gerede über Citizen Journalismus im Kontext von Bloggen und Web2.0 ist doch nur ein neuer Name für das, was es schon lange gab und was jetzt vielleicht endlich ein einfaches Redaktionssystem gefunden hat. Schülerzeitungen, Vereinsblättchen, Lokalteile, Bewegungsgazetten und so weiter leben doch schon immer von dem Mitteilungswillen und dem ehrenamtlichen Zeitbudget einer engagierten Leser/Schreiberschaft. Das mal mit zweifelhaftem Niveau, mal mit exzellent recherchierten Analysen, die eben kein breites Massenpublikum ansprechen. Im Web und auf breiterer, kollaborativer Basis macht http://www.indymedia.org das auch schon seit Jahren – auch hier nichts neues. Die interessante Frage ist doch, ob die Sachen, die dann dabei rauskommen, thematisch, vom Informationswert und vom Stil her ein Massenpublikum ansprechen. Da hinkt der Vergleich mit Wikipedia schon sehr, denn dort haben die Texte auch lange Zeit, um zu reifen und zu wachsen. Bei einer Zeitung muss es eben auch tagesaktuell sein und verlangt daher viel mehr von den Schreibern als eine Enyklopädie. Ob das am Ende die Profi-Journalisten doch besser können ist eine sehr offene Frage, die man nicht deduktiv aus Annahmen wie "Journalisten verstehen ihr Handwerk am besten" oder "offen und kollaborativ ist besser" ableiten kann. Schaun mer mal.

  3. Frau Zykla fordert: "Dabei sollten Meinungen in der Zeitung klar verteilt sein: auf der Kommentarseite und im Feuilleton", macht ihren eignen Anspruch aber sofort unglaubwürdig mit kraftlosen Seitenhieben in Formulierungen wie "onkeliger Werbetext", "zum Auspuffschnüffeln in Bockhorn treffen", "Kulturelle Topereignisse wie das in der Friesischen Wehde müssen jedoch nicht mehr im Lokalteil eines Ostfriesenkäseblatts verrotten" … usw, usf.

    Was sagt der Artikel? <b>Uns geht der Arsch auf Grundeis</b>.

  4. Ich habe den Text gestern in der taz auch gelesen, nachdem Peter Schink ihn im Jonet als Verriss angekündigt hatte. Als Verriss würde ich den Artikel aber nicht bezeichnen. Im Gegenteil, der Text zeigt einige Problemfelder der Readers Edition. Dass in der taz auch Progressiveres zu finden ist, stimmt natürlich. Eine Verteidigung von Besitzständen lese ich allerdings nicht aus dem Artikel heraus. Der Hinweis z.B., dass in Zeitungen Kommentare und Nachrichten deutlich getrennt sind, sollte m.E. in der Readers Edition einfach aufgegriffen werden. Für den Leser wäre es gewiss eine Hilfe, wenn jeder Artikel als Kommentar, Nachricht, Reportage usw. gekennzeichnet wäre.

  5. Obwohl die Taz sicherlich einmal vorreiter war, für einen anderen Journalismus, zeigt der Artikel dort das man dort in der Vergangenheit stehen geblieben ist.
    Die Taz ist inzwischen eine der wenigen Zeitschriften, die sich ihren Lesern noch nicht einmal stellen, wo andere längst kleine und Grosse Kommentare ihrer Leser online veröffentlichen, so ist das bei der Taz Fehlanzeige.
    Da gibt es netterweise zwar einen Punkt "Meinungen und Diskussionen" aber geboten werden nichts anderes als die gleichen Vorgefertigten Meinungsschablonen, vorab abgesegnet wohl schon. Mit Diskussionen hat das nun einmal überhaupt nichts zu tun mehr.
    In der Welt ist sicherlich Platz für linke und Rechte Medien, modern und antiquiriert, so wird auch die Taz sicherlich in Zukunft ihre Leser durch ihren Stil haben, aber das ihr "Fach Journalismus" das einzig wahre ist, mag doch stark bezweifelt werden.

    Sicherlich fehlen bei der readers Edition noch eine Menge von Unterabteilungen, Kommentare, Feuilleton und ähnliches, Gibt eben vieles was noch hinzukommen kann, nur sicherlich fehlt es nicht an Mut neue Wege zu gehen, und ich denke auch nicht an vielen, durchaus Engangierten Schreibern, die vielleicht nicht so sehr den perfekten geschliffenen Stil haben, sondern sich vielleicht doch wieder dem Inhalt, und seiner Vermittlung an andere verpflichtet fühlen.
    Nun, die Message des Taz Artikels ist klar, die Leser der aktuellen Zeitschriften sind grad gut genug um zu lesen und zu kaufen, eine eigene Kompetenz zu schreiben wird ihnen abgesprochen. Ich glaube die Leser werden durchaus bemerken welche Einstellung die Taz-Redaktion ihnen gegenüber hat.

    Keiner weiß ob die ReadersEdition ein Erfolg wird, aber wer nichts versucht, der wird auch nicht weiterkommmen.

    Mfg
    Silverhair

  6. Ich kann mich RJ nur anschließen – der taz-Text ist absolut kein Verriss, sondern beschreibt sehr schön die verschiedenen Perspektiven. Die letzten drei Zeilen könnte man als einzige Kritik deuten, aber dass der Weg zum Nachrichtenportal noch weit ist, ist ja wohl unbestritten…

  7. Silverhair: die taz hatte massive Probleme mit den Internetforen und konnte das personell leider nicht stemmen. Leserbeteiligung erfordert halt ständige Betreuung. Aber ein neuer Auftritt der taz ist in Arbeit, Martin Broeckers ist Projektleiter…

    Zum Thema "eine eigene Kompetenz zu schreiben wird ihnen abgesprochen" – Schreiben für Publikum ist ein Handwerk wie andere auch. Ich kann auf meinem Balkon auch Bier brauen, aber das Ergebnis wird nicht das selbe sein wie das aus der Brauerei.

  8. Torsten: Mit "Verriss" meinte ich die vielen geäusserten Vorurteile, dass jetzt ja jeder schreiben könnte. Diese höre ich oft von Seiten der "Handwerker", als Journalisten mit Ausbildung. Ich sehe ja Citizen Journalism und Blogs im Allgemeinen gar nicht als das einzig wahre, sondern als Ergänzung des klassischen Journalismus. Letzteren halte ich für sehr sinnvoll und gut. Wenngleich nicht jeder "Handwerker" dort gute Qualität abliefert.

    Was ich von einem Medium, wie die TAZ es ist, erwarte, ist, dass sie neugierig ohne Vorurteile der Tatsache gegenüber stehen, dass es endlich mal möglich ist, dass jeder eine Stimme bekommt. Gerade die TAZ war beispielsweise bei ihrer Gründung stark unter Kritik aus dem "bürgerlichen Lager", weil sie dessen "Meinungsmonopol" bedrohte und die Meinungsvielfalt um eine weitere Stimme bereicherte. Genau dies sehe ich auch im Citizen Journalism. Vielleicht war die Wortwahl des "Verrisses" auch mit dieser Enttäuschung verbunden, die klassischen Vorurteile einer "Kaste" etwa sneuem gegenüber gerade in einer von mir gerne gelesenen Zeitung zu lesen.

  9. Ach gottchen – Journalisten kritisieren alles und jeden auch ohne Besitzstandwahrung :-)

    Interessanter Background – Peter Schink schrieb, dass die taz wohl letzte Woche schon einen (ausführlicheren) Artikel über Bürgermedien hatte. In dem Fall war hier das nur ein kleiner Nachkarter, um einen vorher vergessenen Aspekt nachzureichen und auch mal einen Blick auf das neue Bürgermedium zu werfen…

  10. @Torsten: die taz hatte massive Probleme… Leserbeteiligung erfordert halt ständige Betreuung.

    Tja, hier ist zwar nicht der Ort um da prinzipelle Systemkritik zu betreiben, aber ein wenig schwingt da bei "allen" Medien immer noch der unmündige Bürger in den Handlungen mit. Und da hat nicht nur die Taz Riesenprobleme den Bürger als durchaus selbstverantwortlich zu sehen. Was mir in den letzten Jahren immer mehr auffällt, ist das Foren inzwischen durchaus einen Selbstregulierungseffekt haben, sprich, der eine Poster erklärt dem anderen etwas, und alle zusammen halten letztlich Ordnung. Bei den klassischen Angeboten war es immer der erhobene Zeigefinger der "Redaktionen" die den Schreibern da entgegenwinkte.
    Grad weil das bei Readers Edition anders ist erhoffe ich mir da durchaus einen grossen Fortschritt in Bürgernähe.

    @Torsten: Schreiben für Publikum ist ein Handwerk wie andere auch. Ich kann auf meinem Balkon auch Bier brauen, aber das Ergebnis wird nicht das selbe sein wie das aus der Brauerei.

    Ich streite das Handwerk ja nicht ab, aber Journalismus ist vom politischen Verständnis mehr als "Handwerk" es ist kontrolle auch des Staates und der Machtverteilung, und da sind Journalisten durchaus nicht immer die leuchtenden Beispiele gewesen. Beim Beispiel VDS hat praktisch kein Medium auch nur das erwähnt, als der BND ein paar Journalisten abhörte, da war das Jammern und Klagen nicht mehr zu überlesen. Sprich, Journalismus ist eben kein "Handwerk" wo man objektiv das Ergebnis beurteilen kann, sondern ist eher eine Sache der Sichtweise, der Engangiertheit, der Streitfähigkeit und vielem anderen mehr. Ein schriftstellerisch wenig begabter Schreiber kann trotzdem auch ohne Ausbildung bessere Artikel/Kommentare liefern als ein Handwerker. Nettes Beispiel sind die Amis, oder für mich die NL, schriftstellerisch kann man drüber streiten ob sie gut sind, aber vom Einsatz her ist die streitbare NL-Monarchie der D-Demokratie haushoch überlegen, auch im Journalismus.
    Man möge es mir nicht allzu übel nehmen, ganz persönlich denke ich das die Deutschen Journalisten zu viele Scheren im Kopf haben, und auch ein wenig zuviel Standesdünkel, der sie doch behindert darin "Strittige Informationen unters Volk" zu bringen. Weniger Handwerk, mal mehr Mut zur Kritik an den "offizellen" Stellen wäre da nötig.

  11. Silberhair: Dass sich Foren quasi immer über die User selbst regulieren, ist ein Gerücht. Ohne engagierte Admins, die den User auch mal triezen, scheint es meist nicht zu klappen. Siehe zum Beispiel Wikipedia. Auch Readersedition hat Moderatoren.

    Beim "streitbaren" Schreiben bringst Du sehr viele unterschiedliche Sachen unter – ich hingegen sprach tatsächlich nur vom Schreiben – also die Fähigkeit Informationen zu sammeln und ansprechend und korrekt niederzulegen.

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