CFP08: Filterung bei Urheberrechtsverletzungen?

Ein Panel zu „Filtering Out Copyright Infringement: Possibilities, Practicalities, and Legalities“ auf der Computers, Freedoms and Privacy Konferenz drehte sich um Filtermassnahmen bei Urheberrechtsverletzungen.

Ein spannender EInführungsvortrag kam von Paul Ohm, Jura-Professor an der Universität von Colorado. Er sprach über „ISP Network Management and the Wiretap Act“. Nach seinem Sudium arbeitete er als Adminund hatte dort mit Paket-Sniffingund anderen Dingen zu tun. Danach war er Staatsanwalt und im letzten Jahr unterstützte er die EFF, um gegen die Abhörmassnahmen von AT&T vorzugehen. In seiner Einleitung sprach er von dem Admin-Mantra, „It’s my network. I can do what I want with it“. Das sei aber falsch. Gesetze regeln ganz klar, was Netzwerk-Betreiber (Provider) machen dürfen und was nicht.

Aktuell gibt es drei Provider-Beispiele, die gerne den Netzwerk-Verkehr, also die Inhalte ihrer Kunden, belauschen wollen.

1. Comcast ist letztes Jahr dadurch in die Kritik geraten, weil sie Bittorrent gedrosselt haben. Dazu mussten sie Paket-Monitoring machen, um Bittorrent zu identifizieren.

2. AT&T macht zwr gerade nichts in die Richtung, kündigt aber laufend an, dass sie gerne was machen würden. Sie reden gerne darüber, dass sie Wasserzeichen einsetzen wollen, um Urheberrechtsverletzungen zu identifizieren. Dazu müssen sie auch in die Inhalte schauen.

3. Das aktuellste Beispiel stammt von Charter Communications. Die sind viertgrösster Kabelnetzanbieter in den USA und haben letzte Woche „On-Point“ Werbung angekündigt. Um personalisierte Werbung anzubieten,müssen sie die „Klick-Stream“ Datenihrer Kunden belauschen. Sie verkaufen das in Pressemitteilungen gar als „“Best thing for the Consumer“.

Paul Ohm erläuterte, dass alle drei Initiativen bestehende Datenschutz-Gesetze verletzen könnten. Laut dem „Electronic communications privacy act aus dem Jahre 1986 ist e sverboten, elektronische Kommunikation zu belauschen. Es gibt zwar Ausnahmen, dass z.B. Provider Netzwerk-Verkehr belauschen dürfen, aber die sind so geregelt, dass darunter klare Begrenzungen fallen: Um den Service aufrechtzuerhalten, bzw. den Besitz und die Rechte des Providers zu schützen, darf man in Ausnahmen das Netzwerk belauschen. Dazu zähle aber nicht, mehr Geld zu verdienen (Charter – Beispiel).

Weitere Ausnahmen wären, wenn Behörden rechtlich-korrekt Zugriff haben wollen oder der Kunde freiwillig einwilligt. Charter hat daher Briefe mit der Ankündigung an alle Kunden geschickt und ist der Meinung, das würde ausreichen, es legal zu machen. Aus Jura-Sicht müsste man laut Ohm aber was unterschriebenes zurückschicken. Nur verschicken reicht nicht, man könne ja vor Gericht sagen, dass man Brief nicht erhalten hat. Auch sei der Opt-Out kompliziert bei Charter, man muss überall Cookies blocken, etc.

Abschliessend bringt er drei Punkte zur Debatte:

1. Die gesetzlichen Lücken zu schliessen, um die Praktiken zu legalisieren wäre im Wahljahr zum Glück unrealistisch.

2. Er ist verwundert, dass es noch keine Sammelklage gegen Charter gibt

3. Das Thema gehört klar in die Netzneutralität-Debatte. Dürfen Provider Inhalte diskriminieren? Nein.

Einen netten Überblick, was der Stand bei der Diskussion um Filterungen in den universitären Netzwerken ist, gab Steve Worona, Director of Policy and Networking Programs bei EDUCASE. Er beschrieb, wie die universitären Netzwerk-Betreiber unter massiven Druck der Rechteindustrie stehen. Diese haben eine grosse Angst vor dem „Darknet“ in den Universitäten. Der Alptraum sind Wohnheime, wo Studenten von Computer zu Computer Sachen kopieren. Sie wollen am liebsten, dass man alles überwacht und filtert.

Man sei als Verband der universitären Netzwerk-Betreiber einfach zu bekämpfen. Von den 4000 Mitgliedern wären viele Universitären glücklich, das zu machen. Filesharing unterstütze ja nicht die Wissenschaft und verursache nur Probleme und Kosten bei den Betreibern. So sei es problematisch, wenn man vorgehalten bekommt, andere Universitäten würde es ja schon praktizieren, warum mache man selbst das nicht? Mal schauen, was da noch weiter passiert. Verschiedene Gesetze sind in Staaten und auf nationaler Ebene in der Pipeline.

Michael McKeehan, Executive Director, Internet & Technology Policy, bei Verizon beschrieb aus Provider-Sicht

Interessant war auf der Vortrag von Brad Biddle, Lead counsel, Systems Technology Lab bei Intel. Er zeigt verschiedene Argumente, warum Intel als Hardwarehersteller gegen eine Filterung ist:

* Masnahmen dringen in die Privatsphäre ein. Man müsse das Verhalten der Kunden überwachen.
* Die Redefreiheit und andere Rechte sind davon betroffen
* Die Massnahmen würde zu weiteren Forderungen führen, was man noch alles filtern sollte und müsste.
* Das ist ineffektiv und teilweise noch schlimmer. Es würde zu mehr Darknets führen, ausserdem kann man mit Verschlüsselung die Massnahmen umgehen.
* Die Filterungen sind nicht kompatibel mit aktueller Gesetzgebung. Siehe EInführungsvortrag.
* Das schaffe nur zusätzliche Kosten ohne Benefits für die Provider.
* Schaffe zusätzliche Probleme und Risiken für Provider, weil die Kunden klagen könnten.
* Massnahmen behindern Innovation. Sachen wie Netzwerk-Speicher oder Place Shiftung wären damit gefährdet.

In der abschliessenden Diskussion hatten alle Angst, dass man solche Massnahmen erstmal über Filterungen gegen Kinderpornographie durchbringen könnte. Da würde niemand gegen stimmen und anschliessend wäre es viele einfacher, solche Massnahmen auf Urheberrechtsverletzungen auszuweiten.

ich stellte die Frage, wie es denn um die US-Diskussion um Internetsperrungen bei Urheberrechtsverletzungen stehe. Michael McKeehan erklärte, dass Verizon als globaler Provider mit grosser Sorge die EU-Entwicklungen beobachte. Seiner Meinung nach würde in den USA das die Verfassung (1. Ammendment) verhindern. Steve Worona beschrieb, dass schon einige Universitäten sowas ähnliches einsetzen würden, was Frankreich auf nationaler Ebene vorhat. An Universiäten wie UCLA (?) würden bei Urheberrechtsvergehen die Studenten automatisch von einem technischen System informiert, ausserdem gäbe es verschiedene Eskalationsstufen, die dem „3 Strikes and you‘ re out“ nahe kommen würde. Bei einer Anhörung habe ein Politike rmal erstaunt gefragt ob der guten Erfahrungen mit dieser Technik, ob man das nicht gleich auf nationaler Ebene implementieren könnte.

Fand ich bisher das spannenste Panel auf der CFP08. Mal schauen, ob ich gleich noch Interview mit den Referenten machen kann.

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