Aber wir googeln und zwitschern und posten uns lieber zu Tode.

Für Spaß am Bildschirm sorgt heute Wolfgang Herles, von Beruf ZDF-Kulturredakteur: Wir zwitschern uns zu Tode. Alleine das prädestiniert ihn dafür, für uns aus dem Elfenbein des Feuilletons ein Pamphlet gegen die Digitalisierung zu schreiben, wo man gar nicht weiß, welche beste Stelle man zitieren soll.

Wir User bilden uns keine Meinung, sondern schließen uns Meinungen anderer an, teilen sie, werden selbst Teil von Stimmungswogen, die sich gelegentlich zum Shitstorm auswachsen. Kurzatmige Erregung. Und das Gestammel in 140 Zeichen täuscht Lockerheit nur vor. Noch nie ist so viel Unsinn in die Welt gesetzt worden, auf den ihre Urheber auch noch stolz sind. Gegen die Formen der Verunglimpfung im Netz ist der klassische Stammtisch ein Hort der Bedächtigkeit.[…] Aber wir googeln und zwitschern und posten uns lieber zu Tode. Die Zeit, die wir im Netz verbringen, fehlt uns an anderer Stelle. Lesen zum Beispiel. Richtig lesen, nicht nur E-Mails und Twittereinträge.

(Ich fürchte ja, der meint das ernst).

Update: Auf den Punkt bringt das dieser Kommentar:

> Die Zeit, die wir im Netz verbringen, fehlt uns an anderer Stelle.
Jo. Ich spar die beim Fernsehen wieder ein.

39 Ergänzungen

    1. Naja, gebührenfinanzierte Meinungspluralität finde ich schon in Ordnung, solange die auch Leute haben die nachdenken.

  1. Ganz großes Kino kommt hier von unserem Staatsfernehmännchen der auch noch für Kultur zuständig ist. Diese Anmaßung darüber wie man seine Zeit gefälligst zu verbringen hat. Klassisches Totschlagargument: LIES EIN BUCH. Da hab ich nur noch zu entgegnen: MACHT MAL FERNSEHN!
    Statt Propaganda.

  2. Und wo genau hat er jetzt – in der großen Menge der „googles“ und „zwitscher“ – Unrecht? Freue mich über Gegenbeispiele.
    Ich finde er trifft insbesondere mit dem Teilen der Meinungen trifft er den Nagel auf den Kopf. Wo ist denn eine echte, breite Debatte im Netz? Es sind die Thesen eines recht elitären Kreises – ebenso ein Elfenbeiturm – welche immer und immer wieder überall auftauchen. Viele Menschen gehen in der Meinung Weniger auf, da sie vmtl. verlernt haben selber ihre zu äußern und für etwas einzustehen.
    Passiert doch hier genau so: Markus postuliert etwas und alle finden es super. Debatte? Nö!
    Am Ende ist’s doch total egal für was der Herles bezahlt wird, oder? Ich denke auch „wir“ als „Netzgemeinde“ sollten kritisch mit uns (und zwar begonnen beim Einzelnen) sein und nicht immer nur rechts und links treten..

  3. Da Twitter zu einem guten Anteil Verschriftlichung von vormals nur mündlicher Kommunikation darstellt, dürfte der „Unsinn“ auch schon vorher „in die Welt gesetzt worden“ sein. (Pro-Tipp: Bei Twitter nicht oben anfangen zu lesen und unten aufhören.) Und wenn ich wie empfohlen ein Buch lese, bin ich doch genauso fokussiert und interessiere mich nicht für meine Umgebung. Also was denn nun Blickkontakt suchen oder Seiten umblättern?

  4. Na ja, Meinungen zu teilen hat auch etwas. Das ist eben Internet. Teilen ist da die Grundidee. Sozusagen eine universelle, demokratisch gelebte Form von „wir werden eine gemeinsame Lösung finden“. Nur diesmal kein dummer Spruch. Bekämpft ihr das deshalb mit allen Mitteln, als hättet ihr irgend eine Urheberschaft (z.B. am Netz)?

    Das ist etwas, wo das Fernsehn so seine Defizite hat. Ziemlich genau in der Hälfte der Einbahnstraße gibt es kein Zurrück. Besonders dann, wenn man in der Toleranzwoche darüber nachdenkt, Kommentare zu sperren. Das ist besonders schlecht, wenn zwei mal hintereinander Rügen vom Presserat wegen unausgewogener Berichtserstattung kommen.

    Gut. Hier ist Internet. Bitte schön liebes TV. Das Teile ich doch gerne.

  5. Ich habe mir das Zitat jetzt mehrfach durchgelesen und kann daran wirklich nichts Falsches erkennen. Kurze Nachrichten gepostet von Vielen in kurzer Zeit erzeugen ein nur diffuses Stimmungsbild ohne Nachhaltigkeit. Man kann sich in der Anonymität verstecken, die Hemmschwelle für negative Äußerungen sinkt.

    Wie anregend ist ein persönliches Gespräch in einer offenen Atmosphäre, in der jeder bereit ist, sich auf den jeweils anderen einzulassen und auf Augenhöhe zu diskutieren ohne zu bewerten. Dies erweitert den eigenen Horizont. Man lernt sich kennen und schätzt sich, bei gegenteiligen Meinungen gibt man sich zumindest Respekt. Dies kann, je nachdem wer daran teilnimmt, sogar der Stammtisch sein.
    Welche Klarheit schafft ein gutes Buch, in dem sich der Autor tiefe Gedanken gemacht hat, andere von seinem Fachwissen profitieren lässt und in dem sauber wissenschaftlich gearbeitet wird? Aus einem E-Book kann man noch nicht mal vernünftig zitieren, da es keine Seitenzahlen gibt…(Achtung: Zaunpfahl-Gewinke!)

    Und wer das nicht glaubt, dem empfehle ich mal folgenden Versuch: Sammelt mal für eine Woche alle eure Kommentare ein, die ihr irgendwo online gepostet habt (mit dem Text, auf den ihr euch bezieht). Sucht nun mal eine Person die sich mit dem Thema wirklich auskennt und bittet diese um einen ehrlichen Kommentar…ab hier lernt ihr etwas über euch selbst.

  6. Heißt „Zaunpfahl-Gewinke“, dass dieser ganze Kommentar das Gegenteil von dem meint, was er zum Ausdruck bringt?

    1. Nein, dass meine ich überhaupt nicht. Vielmehr wollte ich euch einen Hinweis geben: Ich bin der Meinung, dass Ihr hier einen richtig guten Job macht, insbesondere Eurer Einsatz beim NSA-Untersuchungsausschuss beeindruckt mich. Daher habe ich auch mit großen Interesse Euer E-Book zur Snowden-Affäre gelesen, was mir auch gut gefallen hat.

      Da ich selber aber sehr großen Wert auf wissenschaftliches Arbeiten lege, ist es für mich ein absolutes Muss, dass ich aus allen Quellen auch zitieren kann, was aber ohne Seitenzahlen nicht möglich ist (Damit seit ihr natürlich nicht allein, bisher habe ich in quasi gar keinem E-Book sowas gefunden…). Somit fände ich es wirklich klasse, wenn ihr dies zukünftig umsetzen könntet.

      1. Das Vorhandensein von Seitenzahlen in Ebooks hängt vom Format bzw. der Nutzung seiner Eigenschaften und der Software des jeweiligen Lesegeräts ab, insofern wunderte mich die Aussage für Ebooks allgemein. Für den naturwissenschaftlichen Bereich sind elektronische Publikationen eigentlich das Hauptarbeitsmittel, das aus einigen praktischen Gründen und je nach Präferenz gelegentlich auch gedruckt wird. Aber wenn du das auf ein einzelnes Buch beziehst…

        Ich nehme an für die Netzpolitik-Leute (bin selbst nur Leser/Kommentator) ist der Hinweis durchaus wertvoll, weil die ein Interesse an einer möglichst hohen Verwertbarkeit ihrer Arbeit haben werden. Vielleicht haben sie aber auch schon eine Seitenangabe in ihrem Buch, die du nicht auslesen kannst. Der Zaunpfahl war aber mir zumindestens nicht Zaunpfahl genug.

  7. Man kann hier in den Kommentaren (und auch im Artikel) doch gut sehen, wie Recht Herr Herles hat. Es wird nicht argumentiert oder diskutiert, wenn einem die Meinung nicht passt, es wird diskreditiert und beschimpft. Und es werden die gleichen Mechanismen praktiziert, die auf anderer Ebene kritisiert werden: Einige Wenige haben eine Deutungshoheit erlangt, die viele User an- und übernehmen. Wenn Lobo / Fefe / Markus / XY etwas blöd findet, dann kann man es doch selbst auch nur blöd finden. Zusätzlich werden Kleinigkeiten aufgebauscht und bekommen gerade durch das schnelle und einfache Teilen in Social Media einen sehr viel höheren Stellenwert als sie eigentlich haben sollten. Es sind genau die gleichen Methoden, die hier den Medien und der Politik immer vorgeworfen werden. Nur, dass es bei Social Media noch ungefilterter und schneller (ohne nachdenken) funktioniert.

    1. Wieso es gibt doch einige Gegenstimmen inklusive deiner eigenen? Ich bin mir sicher, wenn Markus diesen Artikel als leuchtendes Beispiel einer Auseinandersetzung mit der „Digitalisierung“ angepriesen hätte, gäbe es mehr Diskussion. Aber es ist doch recht offensichtlich, dass Herr Herles getrieben von Ressentiments gegen netzbasierte Technik pauschal verurteilt und absurd übertreibt (offenbar ohne Augenzwinkern). Hier ist noch ein schönes Sprichwort für die geschundene moderne Seele: Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus.

    2. Man muss doch nur mal 40 Jahre zurückblicken und alles Netzspezifische durch Fernsehen ersetzen, dann erkennt man vielleicht die Absurdität, wenn ein Fernsehjournalist über das Netz wettert.

      1. Und nur weil er Fernsehjournalist ist hören wir ihm nicht zu bzw. unterstellen ihm keine Ahnung zu haben? Von was denn überhaupt? Kommunikation? Diskussion und Streitkultur? Sozialpsychologie? .. oder „wie das Internet funktioniert“?
        Ich bin ja insb. in Bezug auf klassisches Fernsehen ganz deiner Meinung. Nicht umsonst verstaubt die Kiste bei mir zu Hause..
        Denn wie „der andere Jens“ gerade schon sagte: Im Grunde passiert häufig nichts anderes. Die Lobos und Fefes (was witzig ist, denn diese Namen tauchten in meinem ersten Posting auch erst auf) prägen das Bild. Und das obwohl hier – entgegen der Glotze – jeder die Möglichkeit hätte sich einzubringen. Doch hier liegt es mMn. an Netz-affinen Menschen wie uns hierfür eine Kultur zu entwickeln bzw. diese dann auch zu promoten.
        Und da hilft das Bashing eines vermeidlich Netz-fremden Journalisten eher weniger.

      2. Video kills the radio star? Eine alte Debatte. Im Augenblick hat das TV ein Problem mit dem Netz. TV verliert den Status als Meinungsmacher. Die ÖR sind Rentner-TV (…) Die alten Zöpfe und Denkmodelle verhindern, dass sie im Jetzt ankommen. Mich wundern solche Kommentare nicht.

        Beleg: z.B. Wunsch nach Kommentarsperrungen in der Toleranzwoche des WDR.

        Ups, ist jetzt Markus mein Meinungsmacher? Ernsthaft, 1) dürfte und sollte Markus das ziemlich am (…) vorbei gehen und 2) fühle ich mich ähmm, sagen wir, für dumm erklärt.

        Genau das ist es, was Wolfgang Herles macht: Er diskreditiert. Warum? Lies nochmal…

      3. Was du unter 2) aufführst war nicht meine Intention. Dann habe ich mich falsch ausgedrückt. Er geht mir doch gar nicht um Personen die sich z.B. hier auf Netzpolitik tummeln, sondern um die breite Masse – Und das sind wir nunmal nicht (leider). Ich finde nur, dass wir diese kritischen Stimmen ernst nehmen sollten statt sie hämisch grinsend zur Seite zu schieben. Denn ich denke echter Dialog bringt auch unsere Interessen sehr viel besser voran statt zusätzliche Graben aufzureißen.
        Zumal es eine Beleidigung für mehr als eine Hand voll Rentner ist sie zusammen mit den ÖR zu nennen :-D

  8. ich sehe es ähnlich wie der vorige und vorvorvorige kommentar:

    man kann sich in teilen wie ich finde zurecht über ein paar platitüden im kommentar von herrn herles beschweren – seine ansichten darüber grob in irgendeine ecke zu schieben und nicht ernst zu nehmen, finde ich aber falsch.

    im gegenteil finde ich eine beschäftigung mit den phänomenen der sich ständig beschleunigenden kommunikation (und ihrer technik) spannend und erkenntnisreich. neil postman zu lesen (und nicht nur sein bekanntestes buch „wir amüsieren uns zu tode“) ist für mich sehr anregend gewesen. sicher gibt es noch andere autoren/werke … günther anders „antiquiertheit des menschen“ etwa.

  9. Der Aussage von Herrn Herles kann ich nur zustimmen.

    Man kann sich das schön verinnerlichen, wenn offensichtlich falsche Nachrichten oder Unwahrheiten verbeitet werden und diese werden in grossen Mengen ohne auch nur einen Augenblick darauf zu verschwenden den Inhalt zu überprüfen per sozialen Medien weiter verbreitet.

    Ich persönlich nutze nur gelegentlich Twitter, aber was von Facebook nach draussen dringt ist oft nur dummpfes Stammtisch gepolter. Das mag für den Nutzer dort anders erscheinen, aber als Kommunikationsplattform ist Facebook für Aussenstehende nur schwer erträglich und kaum vorstellbar das das überhaupt inteliigente Menschen nutzen.

    Und so sehr auch auch Netzpolitik.org schätze, aber die Unterstellung es ginge um ein “ Pamphlet gegen die Digitalisierung“ zeigt wie recht Wolfgang Herles hat, die Kritik richtet sich gegen eine spezielle Art der Komunikation in sozialen Medien, aber eine generelle Kritik an die Digitalisierung kann ich da nicht erkennen.

    1. aber eine generelle Kritik an die Digitalisierung kann ich da nicht erkennen.

      Laut Herles‘ Artikel macht Netzinteraktion körperlich krank, anekdotisch gefährdet sie sogar das eigene Leben. Sie macht süchtig, sie zerstört soziale Kommunikation, zerstört die Debattenkultur, stumpft die Menschen ab, so dass sie nur noch inhaltsleere Metriken beachten, verhindert, dass sie sich eine eigene Meinung bilden, verursacht Stumpfsinn und Anfeindungen, verhinert, dass wir ein reiches Leben führen können, zehrt uns aus, und nimmt uns die Zeit zum Lesen.

      Wenn man in über ein so breites Spektrum hinweg nur Negatives entdeckt, würde ich durchaus von einer generellen Kritik sprechen.

      1. Wenn man in über ein so breites Spektrum hinweg nur Negatives entdeckt, würde ich durchaus von einer generellen Kritik sprechen.

        Das sehe ich auch so. Und kulturgeschichtlich gab es dieselben Argumente auch bereits bei Einführung des Fernsehens und von Büchern und ich kann mir vorstellen, dass Menschen in Klöstern auch so dachten als Gutenberg die Druckmaschine erfand. Oder sich irgendwann später Zeitungen durchsetzten.

      2. Ihr scheint die Fragestellung nicht zu verstehen.

        Es wird nur ein Apsekt des Netz kritisiert, ich verstehe nicht wo du da „breites Spektrum“ siehst.

        Und ja, ich finde auch, dass die Kritik am Fernsehen und dessen Konsum berechtigt ist.

        Uns wurde das damals in den 70’ern auch so beigebracht, dass wir Medien kritisch sehen sollen, aber auch unseren Konsum damit.

        Genau in dieser Tradition sehe ich den Artikel, er benennt die negativen Aspekte von sozialen Medien. Das diese nicht von der Hand zu weisen sind, wollt ihr wohl nicht unterstellen?

        Und noch mal – wenn jemand einen Aspekt einer Technik kritisiert ist das mit Sicherheit keine fundamentale Kritik an der Technik. Ich verstehe nicht, warum Netzpolitik sich hier soweit aus dem Fenster lehnt, ich schätze bisher genau das an Netzpolitik, dass Entwicklungen im und um das Netz kritisiert werden. Genau das tut Wolfgang Herles auch.

      3. Das soziale Gefüge der Gesellschaft und menschliches Glück sind doch, zumal für den einzelnen, schon mal ein gewichtiger Teil des Lebens. Die Art der Auseinandersetzung macht mich jetzt nicht hoffnungsfroh, dass Herr Herles viel mehr Positives über die Rolle des Internets in der Arbeitswelt oder der Wissenschaft zu sagen hätte. Zumal ich ihm als Kulturredakteur (möglicherweise ungerechtfertigt) ein begrenzteres Interessenspektrum unterstelle. „Pamphlet gegen die Digitalisierung“ ist Markus‘ Begriff ich glaube ja Herles reagiert vorallem auf ein Bild, nämlich das des über sein Smartphone gebeugten Menschen, der im Schein des Gerätes darauf herumfummelt. Deshalb habe ich auch den Begriff „Netzinteraktion“ verwendet. Aber ich finde die Stoßrichtung von „Pamphlet gegen die Digitalisierung“ trotzdem richtig, weil jeder Aspekt, den Herr Herles zum Netz nennt, negativ ist, und er eben nicht nur die sozialen Medien kritisiert. Seine Liste ist nur nicht vollständig. Da ich nur wiederhole, was ich schon geschrieben habe, sind wir uns hier anscheinend uneinig.

  10. Mich wundert, dass Herr Herles doch einigen Anklang findet. Ich finde seine Kritik eben nicht klug, weil sie einen wichtigen Umstand ignoriert. Soziale Medien machen das sichtbar, was man als Buschfunk, Gerüchteküche oder Dorfgespräch bezeichnet. Das meiste war früher mündliche Kommunikation, jetzt ist sie uns schriftlich zugänglich. Neu ist nicht, dass Menschen sich vorschnell Meinungen zu eigen machen und mit der allgemeinen Stimmungen mitschwimmen, sondern dass dieses Geschehen durch die Verschriftlichung sichtbar ist und als solches auf die Gesellschaft zurück wirkt. Wobei es auch nicht so neu ist, dass man es nicht in anderer Form auch in der Vergangenheit erkennt. Die Bild ist beispielsweise der Versuch einen Diskurs, der wenig reflektiert ist, auf einem einfachen Weltbild aufbaut und sich starker Verkürzung und oft dumpfer Sprache bedient, einzufangen und eine Stimme zu geben. An derem publizistischen Erfolg haben sich ja nun schon Generationen von Intellektuellen abgearbeitet. Dazu, inwiefern Technik — bei der Ausgestaltung von Technik kommt Herr Herles nicht mehr an — hier eine verstärkende oder gar verursachende Rolle spielt, kann man meines Erachtens nicht sinnvoll Stellung nehmen, wenn man diesen sozialen Hintergrund nicht zuerst würdigt.

    1. Ich denke hier treten zwei Sichtweisen zu Tage. Das was du „Buschfunk“ nennst, ist in meinen Augen relativ belanglos, aber natürlich nutze ich diese Form der Konversation auch, aber auf keinen Fall würde ich dafür das Internet nutzen. Da mich die Erfahrung gelehrt, dass Gerüchte oft verzehrt wiedergegeben werden, ist es – zumindest für mich – notwendig möglichst direkt mit der Quelle zu sprechen und nachfragen zu können. Schriftlich ist das oft schwieriger und scheitert oft. Deshalb sind soziale Medien für mich völlig uninteressant und ich nutze sie nur sporadisch aus technischer Neugier.

      Aber das was für mich aus diesen Medien austritt, entspricht dem was Wolfgang Herles schildert. Das ist dann einfach eine unterschiedliche Wahrnehmung. Für mich trifft der Artikel exakt zu, da du offensichtlich diese Medien anders erlebst, erscheint er dir unvollständig oder falsch.

      Für mich ist deine Sichtweise das Facebook, Twitter oder StudiVZ, MySpace etwas schriftliches bedeutsames wären, befremdlich. In meiner Welt existiert Facebook so gut wie gar nicht, es tritt nach aussen selten auf. Das ist was viele vergessen die in dieser Welt permanent verkehren, sie ist aussen nicht sichtbar. Wenn dann etwas nach aussen tritt, sind das oft keine tollen Dinge, eben so wie im Artikel geschildert.

      Inwiefern diese begrenzte Wirkung auf die Gesellschaft zurück wirkt ist eine Frage die man sich stellen kann. Aber für die, die nicht in diesem Kreis verkehren, erscheint die Entwicklung die diese Medien hervorrufen immer häufiger eher negativ.

      Das ist meine Sichtweise, wie ich soziale Medien erlebe. Wie weiter oben gesagt ich bin so erzogen worden kritisch mit Medien und Medienkonsum umzugehen, daher lese ich nicht die Bildzeitung und bin nicht bei Facebook. Weiss aber wohl, dass für die meisten Menschen diese Dinge unersetzlich zu sein scheinen. Trotzdem halte ich die Kritik daran für berechtigt.

    2. Ich habe nie gesagt, dass die Inhalte sozialer Medien „etwas schriftliches bedeutsames“ sind. Sie sind nur schriftlich und im Gegenteil überwiegend selbst für diejenigen, die sie produzieren von geringer Bedeutung. Da wo es kein durchdachter Text ist, ob nun längerer Artikel oder kunstvolle Kurznachricht, sind es meist flüchtige Gedanken, Bemerkungen, kurze Kommentare. Eben mündliche Formen, die hier verschriftlicht sind, weil es das Medium erfordert. Das heißt aber zunächst, wir sehen das ganze Ausmaß des kommunikativen Elends durch das Netz, es wird aber nicht dadurch geschaffen. Möglicherweise wird durch den Umstand, dass wir es sehen, und die Art, wie wir das Gesehe weiterverarbeiten können, darauf aufbauend neues Elend geschaffen. In jedem Fall ist das aber eine nuanciertere Diskussion und keine einfache Formel wie: Zuviel Netz hat diese negativen Folgen. Aber vielleicht ist die Kritik von Herrn Herles letztlich sogar eine Kritik am Umgang mit der Technik, allein der Umstand, dass er „einfach mal abschalten“ als Lösung anbietet, lässt mich daran zweifeln.

      1. Allein das Wort „Soziales Netzwerk“ ist ein Marketingbegriff des Facebook-Konzerns, den man vermeiden sollte wie „Raubkopierer“ oder „Cyber“.

      2. Okay, andersrum. Ein Soziales Netzwerk ist ein Personenkreis im klassischen Sinne. Aber der Begriff „Social Network/Media“ dürfte aus der FB-PR stammen, um Leuten einzureden, das ausschließliche Kommunizieren über eine Datenkrake (ich bin jetzt mal polemisch und orientiere mich an der vielfachen Praxis) sei etwas soziales.

      3. Jepp, etwa auf der verlinkten alten Wikipediaseite, falls nicht darauf geklickt wurde, da steht:

        Internet social networks

        Online social networks became a fad in 2003 with the popularity of such websites as Friendster, Tribe.net and LinkedIn.

        Zu dem Zeitpunkt hat Facebook noch nicht existiert.

        Ich denke mal der Begriff ist lediglich eine Verkürzung um das Konzept der Internetseite schnell zu kommunizieren. Friendster hat sich damals zum Beispiel so beschrieben: „Friendster is an online community that connects people through [b]networks of friends[/b] for dating or making new friends.“ (http://web.archive.org/web/20030801073840/http://www.friendster.com/index.jsp) An den hervorgehoben Worten sieht man, dass „soziales Netzwerk“ da schon drin ist.

        Insofern soziale Medien sich zu einem großen Anteil auf die Interaktion vieler Menschen gründen, ist der Name jetzt auch nicht völlig verfehlt. Klar, das eigentliche soziale Netzwerk ist die virtuelle Verbindung zwischen Menschen basierend auf jedweder Form sozialer Interaktion und ihrem Gedächtnis, aber eine Alternative wie Sozialnetzverwaltung wird man vermutlich nicht durchsetzen können. Sorgen machen würde ich mir erst, wenn „network“ oder „media“ wegfällt und man nur noch von „social“ spricht. -> „Bist du social?“ — „Nee, ich hab kein Facebook.“

  11. Der Mann hat vollkommen Recht. Empörung nur noch auf dem Sofa, zwischen dem Anschauen von zwei niedlichen Katzenbildern. Menschen jeden Alters ist ihre Fäkalbuch-Timeline wichtiger, als Nachrichten zu schauen/lesen, und ein unsicherer Messenger mit Datensauger lieber als ein verschlüsselter, ehrlicher.

    Damit alles dabei bleibt, bekommt auch das Kind gleich mit 10 ein Smartphone und eigenen Cloud-Account.

    „Geheimdienste? Du spinnst!“ „Wann war das?“ „Nee, hab ich nicht mitbenommen.“

    1. Achso, moch etwas: Ich sehe da kein Pamphlet gegen die Digitalisierung, sondern Kritik an der fehlenden Medienkompetenz, der Reallife-Dissoziazion, am Rausschreien von unwichtigen oder blödsinnigen Privatfakten durch Unbedachtheit sowie an der Nutzung des Internets für Dämliches statt für Innovationen und Bildung.

  12. Herr Herles steht intellektuell und argumentativ sicher nicht auf einer Stufe mit Neil Postman, Horkheimer/Adorno oder Marcuse, aber in der Tendenz hat er in meinen Augen recht. Hätte es netzpolitik.org vor 30, 50 oder 70 Jahren gegeben, wären die Argumente der oben genannten Personen vermutlich ebenso süffisant und arrogant beiseite gewischt worden. Und das womöglich, wie hier, völlig ohne Gegenargumente! Nur aus dem offensichtlichen Bewusstsein heraus, auf der „richtigen“ Seite zu stehen, „am Puls der Zeit“ zu sein und die Meinung eines ahnungslosen Opis nicht nötig zu haben. Erinnert fatal an das höhnische Gelächter über den Begriff „Neuland“, der natürlich absurd war, weil hier alle alles über das Internet verstanden und in seinen Konsequenzen vollständig umrissen haben. Der Elfenbeinturm der Netzaffinen steht denen von Frau Merkel und Herrn Herles jedenfalls in nichts nach. Dass sich einige der Kommentatoren in ihren Grundrechten angegriffen fühlen („Will der mir etwa vorschreiben, dass…“), spricht Bände. Haben sie in ihrer Filterbubble verlernt, mit Gegenmeinungen konstruktiv umzugehen? Warum wird ein Aufruf, den Medienkonsum und seine – auch langfristigen – Konsequenzen für unsere Gesellschaft zu überdenken, mit einem Ver- oder Gebot verwechselt? Ist es nicht auch hier so, dass vorsätzlich skandalisiert und leichtfertig emotionalisiert wird?
    Ich warte jedenfalls darauf, dass der ursprüngliche Artikel um wenigstens ein stichhaltiges Argument angereichert wird – in dem vermeintlich lustigen und selbstentlarvenden Zitat kann ich jedenfalls nichts entdecken, was dieses Bashing rechtfertigen würde.
    Ich meinerseits verzichte übrigens nicht nur aufs Fernsehen, sondern auch auf Twitter und ähnliches. So bleibt umso mehr Zeit für Bücher, Zeitungen und – gute – Blogs.

    1. Der Artikel lässt weder ein Durchschauen der Parallelen zwischen „alter“ und „neuer“ Medienwelt erkennen, noch eine Bereitschaft positive und negative Aspekte auseinanderzuhalten, mögliche Gefahren wirklich herauszuarbeiten oder überhaupt zu einer realistischen Einschätzung zu gelangen. Kurz gesagt das Niveau an Analyse inspiriert wenig zur konstruktiven Integration der von Herrn Herles geäußerten Kritik.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.