Link auf linksuntenFreispruch von Journalist rechtskräftig

Fabian Kienert, Redakteur beim Sender Radio Dreyeckland, stand vor Gericht, weil er einen Link gesetzt hatte. Er wurde freigesprochen, doch die Staatsanwaltschaft hat sich bis zum letzten Moment die Möglichkeit offengehalten, in Revision zu gehen. Jetzt ist der Freispruch rechtskräftig.

Die Zeit für eine Revisionsbegründung ist abgelaufen: Fabian Kienert ist jetzt rechtskräftig freigesprochen. – Logo: Radio Dreyeckland; Justitia: Pixabay; Montage: netzpolitik.org

Fabian Kienert hat eine bewegte Zeit hinter sich. Der Redakteur beim Sender Radio Dreyeckland hatte in einer kurzen Meldung auf der Website des Senders darüber berichtet, dass die Ermittlungen gegen die linke bis linksradikale Open-Posting-Plattform linksunten.indymedia.org eingestellt wurden. Zum Abschluss des Textes verwies er darauf, dass die Seite weiterhin als Archiv zugänglich ist und setzte einen Link, der dorthin führt.

Die Antwort des Staates war einigermaßen radikal. Weil Kienert mit dem Link angeblich eine verbotene Vereinigung unterstützt habe, drangen Polizist*innen in seine Wohnung und in die Geschäftsräume des Senders ein. Kienerts Mobiltelefone, sein Laptop, eine SD-Karte sowie fünf USB-Sticks wurden beschlagnahmt.

Das Landgericht Karlsruhe entschied jedoch, dass Kienert unschuldig ist. Unter anderem, weil fraglich sei, ob die verbotene Vereinigung, die Kienert mit dem Link laut Staatsanwaltschaft unterstützt haben soll, überhaupt noch existiert. Und was nicht existiert, kann man auch nicht unterstützen.

Revision als unzulässig verworfen

Die Staatsanwaltschaft legte Revision ein. Doch auch einen Monat nach Zustellung des schriftlichen Urteils ging beim Landgericht keine Begründung für die Revision ein. Mit Beschluss vom 23. September habe das Landgericht die Revision deshalb als unzulässig verworfen, so eine Pressemitteilung des Senders.

Das ist ungewöhnlich, normalerweise wird die Revision entweder begründet oder zurückgezogen. So blieb Kienert lange in Unsicherheit. Seine Verteidigerin Angela Furmaniak sagt: „Dass die Revision der Staatsanwalt verworfen wurde, weil die Frist zur Begründung der Revision nicht eingehalten wurde, setzt ein letztes Ausrufezeichen hinter eine insgesamt irritierende Verfahrensführung der Staatsanwaltschaft.“

Verfassungsbeschwerde läuft

Nun ist Kienert rechtskräftig freigesprochen. „Ich bin erleichtert, dass dieses Verfahren nun endlich beendet ist, auch wenn die Verunsicherung, die durch die Hausdurchsuchung verursacht wurde, bleibt“, sagt er. David Werdermann von der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF), die Kienert juristisch unterstützt, sagt: „Besser spät als nie: Bei der Staatsanwaltschaft ist offenbar endlich Vernunft eingekehrt. Eigentlich hätte dieses Verfahren nie eröffnet werden dürfen.“

Kienert hat gemeinsam mit der GFF eine Verfassungsbeschwerde gegen die Durchsuchung seiner Wohnung eingelegt. Diese ist noch anhängig. „Damit wollen wir klären lassen, dass die Hausdurchsuchung die Presse- und Rundfunkfreiheit verletzt hat“, sagt David Werdermann.

Radio Dreyeckland fordert nun eine schnelle und transparente Löschung aller in diesem Fall erhobenen Daten, die Vernichtung sämtlicher „Objektordner“ der Polizei über Radio Dreyeckland und „politische Konsequenzen aus dem Kampf der Staatsanwaltschaft gegen die Grundrechte“.

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9 Ergänzungen

  1. Auf der einen Seite bin ich froh, dass der Freispruch rechtskräftig ist und diese Posse abgeschlossen ist.
    Nur leider wurde in dem Verfahren jetzt nirgends geklärt, ob eine Verlinkung jetzt schon strafbewährtes Handeln ist – die Vorinstanz ist da ja den Weg des geringsten Widerstands gegangen, so dass jetzt die Staatsanwaltschaft beim nächsten Link wieder unerbittlich zur Tat schreiten kann und wird…

    1. > so dass jetzt die Staatsanwaltschaft beim nächsten Link wieder unerbittlich zur Tat schreiten kann und wird…

      … als ob man sich in der Justiz den lieben langen Tag nur langweilte, und Ressourcen ohne Ende zur Disposition stünden. Man kann sich kaum des Eindrucks erwehren, dass es Staatsanwälte gibt, die Lust daran haben, das Rechtssystem mit Sand im Getriebe zu versehen.

      1. > Man kann sich kaum des Eindrucks erwehren, …

        es könnte sich bei dem betreffenden Staatsanwalt auch um einen minder geeigneten Berufsanfänger handeln. Wenn ein Richter so banale Hinweise geben muss, wie „man kann nichts unterstützen, was nicht existiert“, so stellen sich ganz grundlegende Fragen der Berufseignung. Nur zur Vernunft begabt zu sein, wird eigentlich schon im ersten Semester ausgesiebt, wenn nicht schon vorher.

        1. > Nur zur Vernunft begabt zu sein, wird eigentlich schon im ersten Semester ausgesiebt, wenn nicht schon vorher.

          Da kann man dem Justizministerium BaWü nur viel Erfolg wünschen, dass die nächste Digitalisierungswelle sich auch über den Staatsanwaltschaften im Rheingraben brechen möge.
          Künstliche Intelligenz mit (politischer?) Plausibilitätskontrolle hätte dort einen Einsatzschwerpunkt mit Vollauslasstung.
          https://www.justiz-bw.de/,Lde/10562099/?LISTPAGE=6161506

        2. „es könnte sich bei dem betreffenden Staatsanwalt auch um einen minder geeigneten Berufsanfänger handeln.“

          Unwahrscheinlich, die StA in BaWü ist da einschlägig.

  2. > Mit Beschluss vom 23. September habe das Landgericht die Revision deshalb als unzulässig verworfen, so eine Pressemitteilung des Senders.

    Auf der verlinkten Seite findet sich keine solche Pressemitteilung des Senders…

  3. Es gibt eine Entscheidung des OLG Stuttgart aus dem Jahr 2006. Sie hatte betont, den Kontext der Linksetzung einzubeziehen.
    https://openjur.de/u/354834.html

    Zitat LTO:
    Das LG berücksichtigt dazu den Text, der dem Link vorausgeht, die Position des Links am Ende des Textes sowie die einfache Auffindbarkeit der verbotenen Seite im Netz. Die Kammer wirft auch die Frage auf, ob es bei der strafrechtlichen Beurteilung einen Unterschied macht, ob ein aktiver Link zur (verbotenen) Website gesetzt wird oder nur die URL-Adresse hingeschrieben wird, die von den Nutzern aber noch in die Adresszeile eines Browsers kopiert werden muss. Und wie wäre es, wenn der Text nur beschreiben würde, dass die verbotene Website im Netz existiert und sie mit üblichen Internetsuchmaschinen gefunden werden kann?

    Die Kammer kam zu dem Ergebnis, dass nach keinem der Maßstäbe ein Unterstützen nach § 85 Abs. 2 StGB nachweisbar sei. „Das Landgericht stellt Maßstäbe für die Strafbarkeit von Links auf, die weit über den Einzelfall hinaus reichen“, sagt David Werdermann von der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF). Diese begleitet das Verfahren juristisch. „Insbesondere stellt das Gericht klar, dass eine Verlinkung nicht ohne Weiteres dazu führt, dass man sich fremde Inhalte zu eigen macht.“

    https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/radio-dreyeckland-link-linksunten-indymedia-strafbar-justiz-lg-olg-bgh

  4. Da hat er aber nur Glück dass der Staat mal wieder an allen Ecken versagt, mehr nicht. Ich bin jetzt kein Freund von dem Radiosender oder der verlinkten Seite, sehe die Ahndung aber ebenso kritisch. Man könnte das auch bis ins Uferlose unter Verantwortung stellen, was mit freier Meinungsäußerung aber nicht im Entferntesten noch etwas zu tun hat.

  5. Ich bin der Ansicht dass jezt umfangreichste Ermittlungen gegen die StA fällig werden.
    Z.B. wegen des dringenden Verdachts auch Vorteilsnahme.

    Aber wer sollte da die Ermittlungen einleiten ? Die StA ? Wohl kaum.

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