Liveblog: Das Ende der Internetenquete

Der Bundestag startet jetzt gleich eine 90 Minuten lange Debatte um die Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft. Ich sitze auf der Tribüne im Bundestag und blogge live. Ihr könnt auf bundestag.de den Livestream sehen. Auf Twitter ist der passende Hashtag #eidg.

Das sind die Berichte:

Hier sind Versuche der Deutungshoheit der Fraktionen durch Pressemitteilungen:

Jens Koeppen, CDU

Seine „Entzugserscheinungen halten sich in Grenzen“. Kann ich gut verstehen. „Enquete habe sich gelohnt“. Die Enquete habe das Randthema Netzpolitik in die Mitte der Gesellschaft geholt. Kleiner gehts nicht. „Wir haben uns am Anfang in die ideologischen Schützengräben vergraben“, das Ende war eher konsensual, auch wegen Zeitdruck. Es gäbe auch nur Gewinner, trotz einiger „Twitter-Meldungen“.

Bedankt sich bei den Sachverständigen. Ohne die wäre das „Zelt ohne Gestänge“ zusammen gefallen. Wünscht sich Hauptausschuss im nächsten Bundestag, damit Thema „nicht in Dörnröschenschlaf“ zurück fällt.

Wir haben neue „Formen der Bürgerbeteiligung gefunden“, nennt „eigene Internetseiten“ als Beispiel, wo man zeitnah Dokumente online gestellt habe.

Aber eins sei auch klar: „Beteiligen bedeutet nicht entscheiden.“ „Kein Computer, kein iPad ersetzt den deutschen Bundestag“. Hört, Hört! Irgendwas mit Leitplanken und Freibiermentalität folgt. Ende.

Lars Klingbeil, SPD-Obmann, folgt.

Sieht großen Erfolg und bedankt sich erstmal überall.

„Wir sind gestartet im Jahre 2009“. Sieht Linie von Zensursula über Enquete. Sieht historischen Verdienst der Piraten, aber das Thema „scheine sich ja beerdigt zu haben“. Er will einen ständigen Ausschuss Netzpolitik, damit die (rund 400) Handlungsempfehlungen auch umgesetzt werden. Er wünscht sich Staatsminister im Kanzleramt, damit jemand in der Regierung das Thema treibt und koordiniert.

Sieht drei Punkte: Bildungspolitik, es darf nicht von Bildungschancen und Geld der Eltern abhängen. Daher brauche es Tablet oder Computer für alle Schüler und digitale Schulmaterialien. Tablets seien Werkbank des 21. Jahrhunderts.

Wirtschaftspolitik ist SPD wichtig, d.h. mehr Breitbandausbau, Netzneutralität, bessere IT-Ausbildung.

Entwicklung der digitalen Demokratie. Mehr Open-Data und Transparenz. Bürger als 18. Sachverständigen beteiligt (Bingo).

Will, dass alle die Handlungsempfehlungen ernst nehmen und umsetzen.

Jimmy Schulz, FDP

Sieht Tablet-Computer als Symbol, weil die ja jetzt auch im Bundestag angekommen wären und damit Gesellschaft verändert würde. Diskussion war sicher nicht einfach. „Größtmögliche Transparenz“ mit „Live-Streams der Sitzungen“ und „Internetseite“. (Ich hab ja eine andere Definition von größtmöglicher Transparenz). Experiment der Bürgerbeteiligung wäre weltweit einmalig und beispielgebend. Das wäre ein Baustein für die repräsentative Demokratie.

Er will den Hackerparagraph überprüfen und mehr IT-Sicherheitsforscher. Und freut sich, dass niemand im Bundestag Softwarepatente will. Bedankt sich jetzt auch überall. „Mission completed“ für seinen „Volkshochschulkurs Bundestag“. Jetzt müssten den halt nur die anderen 600 Abgeordneten auch belegen.

Halina Wawzyniak, die Linke

Bedankt sich direkt am Anfang bei allen.

Den wichtigsten Beitrag der Enquete sieht sie darin, dass das Thema Netzpolitik in der Mitte Gesellschaft verankert worden wäre. Das hat sie doch bei Jens Koeppen abgeschrieben.

Die Beteiligung von Bürgern an parlamentarischen Prozessen sei wichtig, begrüsst die Empfehlung der Enquete, Werkzeuge dafür bereit zu stellen und sie auch zu nutzen.

Findet, dass Enquete auch hätte mutiger in vielen Punkten seien können, seien ja nur Empfehlungen gewesen. Sieht Internet als Raum der Freiheit, Offenheit und sozialer Gerechtigkeit.

Ohne Internetzugang seien viele Menschen von vielem ausgeschlossen. Sie will Netz für alle. Computer müssten unverpfändbar sein. Will mehr Breitbandausbau und Universaldienstverpflichtung. Und Netzneutralität, „ich sach mal Telekom“. Erwähnt Sondervotum zu Netzneutralität.

Will Datenschutz, der „diesen Namen auch verdient“. Sicherung von Anonymität und keine Vorratsdatenspeicherung. Will keinen Cyberwar und keinen „Krieg auf Verdacht“.

Konstantin von Notz, Grüne

Am Anfang sah man Aufholbedarf bei der Netzpolitik. Sieht Erfolg. Kaum ein anderes Parlament habe sich so mit netzpolitischen Fragestellungen beschäftigt wie der Bundestag in dieser Legislaturperiode. Erklärt auch, dass die Netzpolitik durch Enquete in Mitte der Gesellschaft angekommen ist. Ich glaub, das haben die alle vorher abgestimmt.

Kritisiert Gutachtenvergabe und Netzneutralitätsbeschluß. Will mehr Experimente mit Beteiligungsplattformen. Diese ersetzen aber keinen Bundestag und seine Prozesse.

Bedankt sich bei allen. Kein ACTA und keine Netzsperren zeige Bedeutung der Netzpolitik.

Es gehe bei Netzpolitik um Zukunft der Zivilgesellschaft, Gerechtigkeit, wirtschaftliche Zusammenarbeit und darum, wie wir leben und arbeiten würden.

Jetzt sind alle durch und die CDU/CSU beginnt wieder.

Thomas Jarzombek, CDU, startet

Enquete hat viel erreicht und viel vermittelt. „Wir haben viele viele Kollegen überzeugen können und den Geist, auch in unserer Fraktion zurück geholt“. Erwähnt JMST, ACTA, Netzsperren und Leistungsschutzrecht, das am Ende eine leere Hülle geblieben wäre. „Selbst Günter Krings hält es nicht mehr für möglich, Internetanschlüsse abzuschalten“. Siegfried Kauderstrike Kauder wäre jetzt auch ein Revoluzzer, nämlich beim Leistungsschutzrecht. Und dank Peter Tauber twittert jetzt Erika Steinbach. (Danke dafür, ich halte den Account ja immer noch für einen Fake).

Sieht 100.000 neue Jobs bei Startups. Erwähnt Internet Governance und sieht zu wenig Raum bisher dahin. Will wohl zukünftig öfters zu internationalen Events reisen. Und wünscht sich ein Internet Governance Forum in Deutschland. Will keinen neuen JMSTV wie früher, auch nicht, wenn die Piraten nicht reinkommen sollten. Enquete-Arbeit hat ihm gefallen, sei eine nette Diskussions-Atmosphäre gewesen. Freut sich auf den kommenden Internet-Hauptausschuss und will da rein.

Brigitte Zypries, SPD

Fand das nicht so positiv wie Jarzombek. Findet es schön, dass die CDU/CSU einen gemeinsamen Lernprozess gemacht habe. Erklärt, dass die SPD das ja nicht nötig gehabt habe.

Bei einer Menge grundsätzliche Fragen habe es keinen Konsens gegeben, z.B. bei den Themen Transparenz und Informationsfreiheit. Empfiehlt die Sondervoten der Opposition (Empfehle ich auch!). Diese seien in vielen Stellen konkreter als die Handlungsempfehlungen der Koalition.

Wer dann ein digitales Vermummungsverbot fordert, habe problematische Vorstellungen davor, wieviel Transparenz der Staat andersherum von seinen Bürgern verlangen würde.

Ist etwas enttäuscht, wie wenig Menschen sich beteiligt haben. Aber die Qualität sei trotzdem hoch gewesen. Zeige, dass sich Spezialisten angesprochen fühlen, aber nicht die erhoffte Mehrheit. Daher sei Bildung wichtig. Bildung sei nicht nur zu wissen, wie Computer angeht, sondern auch wie man damit umgehe. Erwähnt nochmal Computer für alle.

Kurzer Zwischenbericht von der Tribüne: Wenn ich aufgrund architektonischer Umstände niemanden übersehe, dann interessieren sich 31 Abgeordnete für die Plenardebatte. Kleinste Fraktion sind die Grünen mit drei Abgeordneten.

Es folgt Manuel Höferlin von der FDP.

Ernennt erstmal Brigitte Zypries zur Patentante von Zensursula. Freut sich, dass der Abschlußbericht auch ausgedruckt sei und präsentiert extra die 2000 Seiten Zwischenbericht auf Papier, natürlich nur symbolisch. Für ihn sind Datenschutz und Medienkompetenz wichtig. Er nennt Selbstdatenschutz und sieht informierte, aufgeklärte Entscheidungen, weil man dann selbst frei entscheiden könne.

Lobt Stiftung Datenschutz (Das zahnlose Ding zur Absicherung einiger von seinen Parteikollegen).

Wünscht sich englischsprachige Übersetzung. Das hatte die Enquete einstimmig beschlossen, aber dafür soll doch kein Geld ausgegeben werden.

Petra Sitte von den Linken spricht.

Sie wollte unbedingt Mitglied der Enquete werden (und war imho auch eine Bereicherung). Digitalisierung könne Kultur auch befreien, „wenn wir es zulassen“. Erwähnt zahlreiche „Open“-Bewegungen. Wünscht sich ein Urheberrecht, „was Verbreitung von Wissen in den Vordergrund stellt“, ohne Mehrheit der Künstler in prekären Verhältnissen zu lassen. Kritisiert Urheberrecht, was Urhebern nicht ermöglicht, davon auch zu leben. Will im Kern Nutzungsfreheit und Vergütung der Kreativen zusammen denken. Das hätte sie sich gewünscht, aber fand leider keine Mehrheiten.

Lobt die Sondervoten der Opposition. Findet Empfehlungen für Open Access und Open Educational Ressources gut. Freut sich, wenn Berichte nicht im Papierkorb verschwinden.

Es folgt Tabea Rößner von den Grünen.

Die Enquete sei eine Art Inkubator für Netz- und Medienpolitik gewesen. Bedankt sich bei allen. Enquete habe Themen ins Zentrum des Parlaments gerückt. Kritisiert Leistungsschutzrecht als „Rückschritt“. Erwähnt einstimmige Forderung der Enquete, das Depublizieren bei ARD & ZDF wieder abzuschaffen. Abschlußbericht markiere nicht Ende einer Reise, sondern einen Zwischenschritt. Vielleicht gäbe es in 15 Jahren die nächste Enquete. Freut sich schon darauf, dann zu erzählen, wie es war, als das Internet noch neu und aufregend war (für sie).

Als nächster Reinhard Brandl, CSU.

Bedankt sich erstmal. Sieht Überwindung ideologischer Grenzen zwischen den Netzkompetenten und den Außenstehenden. Aufzählung vieler Gegensätze und nennt Ausbalancierung dieser als Ziel. Großer Erfolg der Enquete sei Beschreibung der Ist-Situation. Das sei eine sachliche Basis für weitere Diskussion. Erwähnt, wie wertvoll Beteiligung der Bürger über das Internet sei. Bedankt sich jetzt bei allen.

Gerold Reichenbach, SPD.

Zitiert Wolfgang Blau damit, dass Enquete Keimzelle für Erneuerung des Parlamentarismus gewesen sei. Anderer hätte gesagt, viel erreicht, aber doch versagt. (Ich glaube, er meint Kai Biermann von Zeit.de). Enquete sei bei vielen Punkten zurückgeblieben. Verweist auf die guten Sondervoten der Opposition. Kritisiert massives Wirtschaftslobbying auf Koalition. Großes Ooooh von den Reihen der Koalition. Erwähnt, dass Opposition besser war, gute Kompromisse untereinander zu schaffen. Der Koalition sei das oft untereinander nicht so gut gelungen so dass man dann mit ihren Formelkompromissen untereinander nicht mehr geschafft habe, übergreifende Kompromisse zu finden.

Will mehr Verbraucherschutz im Datenschutz. Erwähnt, dass es bei dem Thema keinerlei gemeinsame Handlungsempfehlungen gegeben hätte, weil das der Koalition nicht so wichtig gewesen wäre. Es reiche nicht, wenn Koalition sich wünsche, dass Wirtschaft doch mal bitte an „ein bißchen mehr Sicherheit denken“ sollte. Es sei nicht alles Gold, aber zumindest in den Minderheitenvoten gäbe es viele Zukunftsanstösse für eine am Menschen orientierte digitale Gesellschaft. Er ist optimistisch, dass das in nächster Legislatirperiode aufgegriffen würde.

Sebastian Höferlin von der FDP

War wohl in einer anderen Enquete als Reichenbach. Er weist den Vorwurf von sich, dass man von Wirtschaftslobbys beeinflusst sei. Die SPD habe doch Gewerkschaften dabei gehabt, man würde daraus doch keine Legende stricken a la gute Lobbyisten bei SPD, schlechte bei Schwarz-Gelb.

Kann gut mit Handlungsempfehlungen bei Arbeit & Wirtschaft leben. Er nimmt zur Kenntnis, dass es auch Menschen gibt, die selbstständig werden wollen. Er respektiert den Wunsch vieler, auch mal was anderes zu machen. Gut, dass wir dafür eine Enquete gemacht haben.

Er will das Bewusstsein für Gründung starten. Erzählt von Bildungsreise ins Silicon Valley. Findet USA da innovativer, weil unsere Mentalität gegenüber Gründern geändert werden sollen. Will Respekt für Kultur des Scheitern. Bisher die Rede mit den wenigsten Inhalten, aber er hatte auch nur drei Minuten.

Peter Tauber von der CDU

Hat das Internet weniger unter dem Arm und auch nicht mitgebracht. Kann sich noch gut an hämische und belächelnde Kommentare vor Einberufung erinnern. Ist schlauer in den drei Jahren geworden, hat viel gelernt. Findet gut, dass Netzpolitik ein Thema geworden ist, was alle beschäftigt. In jeder Besuchergruppe ist das ein Thema. Ist in der Mitte des Parlaments und in Mitte der Gesellschaft (Bingo) angekommen. Die Enquete habe neue Arbeitsmittel ausprobiert, wie Streaming. An Live-Kritik habe man sich gewöhnen müssen. Arbeit hat ihm viel Freude gemacht. Fragt sich, ob wir bereits in der Lage sind, diese Werkzeuge auch schon zu nutzen. In Nicht-öffentlichen Sitzungen habe es konstruktive Zusammenarbeit gegeben, sobald Kameras angegangen wäre, wäre das anders gewesen.

Dann bißchen Sprücheklopfen Richtung SPD: Nennt Reichenbach „Troll der Enquete“ und Zypries „eine der Mütter des Zugangserschwerungsgesetz“. Klingbeil sei „als Tiger gesprungen und als Bettvorleger gelandet“. Will ein Cyber-Whitepaper, was man in den nächsten fünf bis zehn Jahren erreichen will.

Und nun Axel E. Fischer von der CDU.

Als Vorsitzender liest er Statistiken vor: 20 richtige Sitzungen, 13 Expertengespräche, 14 Berichte. Enquete sei eine „umfangreiche Aufbereitung des Themenkomplexes gelungen“. Bedankt sich bei allen. Noch zuvor habe „eine Enquete grundsätzlich öffentlich getagt“. (Was zu beweisen wäre, die meisten Arbeitsgruppen-Sitzungen war eben nicht öffentlich). Fand aber trotzdem Bürgerbeteiligung gut, weil diese das „Erfolgsmodell parlamentarische Demokratie erleichtert“ (oder bereichert?), sagt zumindest sein Redemanuskript. Die Arbeit ginge jetzt richtig los.

Wünscht sich Hauptausschuss. Sieht ähnliches Querschnittsthema wie bei Umweltpolitik. Das wäre ja früher auch ein Nischenthema gewesen.

Aussprache ist fertig. Ich bin offline. Gibt jetzt Empfang.

Und ich bedanke mich fürs Lesen. Ich hab in Echtzeit geschrieben, Rechtschreibfehler dürfen behalten werden.

5 Ergänzungen

  1. Diese Debatte war so lahm wie die EIDG selbst überflüssig. Sie war ein netzpolitischer Rückschritt, weil sie nett und brav selbstbefriedigende Papierchen fürs Regal und den Papierkorb verfasste, während die Netzpolitik in Deutschland seitens der Bundesregierung weiter unter die Räder kam.

    Die fraktionsübergreifende Forderung nach einem „ständigen Internetausschuss“ ist die so alberne wie bizarre Forderung nach einem weiteren, dann aber ständigen, Ablenkungsmanöver. Das Ziel der Union ist erreicht: Netzpolitik wurde, auch dank Enquete, einige Jahre wieder gesellschaftlich ausgesessen und auf längere Zeit kaputt gemacht.

  2. Lustig war, wie Jens Koeppen versuchte zu sagen, die Enquete sei eine „Laborarbeit“ gewesen, dann aber so über das Wort gestolpert ist, dass es fast wie „Lobbyarbeit“ klang. Gerold Reichenbach dürfte sich bestätigt gefühlt haben.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.