Es gibt ja einige Diskussionen rund um eine Art Blogger-Kodex oder dergleichen, die vor allem in den USA geführt wird. Ein Journalist hat mich um ein paar Statements gebeten, die ich mal schnell hingeschrieben habe. Sicherlich nicht vollständig und man kann die Antworten sicherlich auch noch weiterentwickeln.
> > – Ist das eine amerikanische Debatte oder sind das Fragen, über die Blogger in Deutschland reden werden?
Aktuell ist es eine vor allem in den USA geführte Debatte. Losgelöst wurde sie auch von einem Fall in den USA. Aber durch die globale Vernetzung sind solche Debatten nicht mehr auf ein Land beschränkbar. Die Debatte ist übrigens nicht neu, sondern wurde auch von deutschen Blogs schon vor zwei Jahren geführt. Auf der morgen startenden re:publica-Konferenz ist eine Debatte rund um Ethik & Bloggen schon lange geplant.
> > – Und: Aus Ihrer Sicht als Blogger und als Blog-Beobachter: Sollten Blogger darüber diskutieren? Eine gute, überflüssige, uninteressante, schädliche Debatte?
Die Debatte ist notwendig und sinnvoll. Allerdings ist dies keine Debatte, die nur Blogger betrifft sondern alle, die jetzt die Möglichkeiten haben, ins Internet zu publizieren. Diese neue Freiheit des Publizierens bedeutet auch Verantwortung gegenüber den Freiheiten anderer, die zu respektieren sind.
> > – Ist Selbstregulierung ein Zeichen für Professionalisierung? Und ist das etwas Gutes?
Selbstregulierung hat erstmal nichts verpflichtendes. Es ist eher ein Zeichen dafür, dass es Defizite gibt, die man mit einer Art Kodex oder Selbstverpflichtung etwas reduzieren möchte. Eine Debatte darüber hat auf jeden Fall etwas bewusstseinschaffendes für die ethischen Fragestellungen rund ums Publizieren. Und das ist was gutes.
> > – Brauchen Blogger einen kleinsten gemeinsamen Nenner der Regeln für den Umgang miteinander, mit Leser, mit dem Gegenstand ihrer Texte, mit Werbung? Und haben sie den nicht längst? Wäre eine Kodifizierung sinnvoll (Transparenz, Diskussion, Verbindlichkeit?
Den kleinsten gemeinsamen Nenner bilden gesetzliche Rahmenbedingungen. Ansonsten gibt es viele Selbstverständlichkeiten, die auch schon im Pressekodex abgebildet sind und an die man sich auch als Blogger halten sollte. Die Achtung vor der Wahrheit, die Wahrung der Menschenwürde und die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit sollten auch für Blogger oberste Gebote sein. Gleichzeitig sollten selbstverständlich Nachrichten und Informationen auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen sein, sofern das von den Ressourcen her möglich ist. Wenn man später feststellt, dass man Unwahrheiten gebloggt hat, sollte man diese transparent korrigieren. Auch die Privat- und Intimssphäre von anderen Menschen sind zu achten, was auche ien Selbstverständlichkeit sein sollte.
> > – Und inwiefern würde / müsste sich eine solche Kodifizerung z.B. vom Pressekodex unterscheiden?
Blogs sind im Allgemeinen subjektiver als die „alte Presse“. Die Regel im Pressekodex, dass bei Konflikten die Positionen beider Seiten
darzustellen sind, werden dem Medium nicht wirklich gerecht. Auch gibt es den kleinen und feinen Unterschied, dass Blogs in der grossen Überzahl von Privatpersonen in der eigenen Freizeit verfasst werden und nicht von Journalisten mit einer profesisonellen Ausbildung und Gehalt. Diesem „Kultur-Unterschied“ müsste eine solche Kodifizierung Rechnung tragen. Es steht aber jedem Blogger offen, sich von den Regeln des Pressekodex inspirieren zu lassen. Leider gehen die „alten Medien“ nicht immer als Vorbild voran und zeigen, dass der Pressekodex von allen Ernst genommen wird und sinnvoll ist.
> > – Tiefpunkte der deutschen Blog-Geschichte bislang? Und was hätte eine Selbstregulierung da ändern können?
Die kurze deutsche Blog-Geschichte gibt mir jetzt keine Tiefpunkte her, die eine Selbstregulierung hätte ändern können. Das Bewusstsein für eine Art Blogger-Regeln, bzw. allgemeiner Regeln der Transparenz waren bisher ziemlich hoch. Problematisch waren eher sogenannte „virale Marketingaktionen“, die wahlweise unkontrolliert und unrecherchiert von Bloggern übernommen wurden und die teilweise von Marketingagenturen bewusst gelenkt wurden. Hier ist mehr Bewusstsein und Transparenz sicherlich notwendig in der Zukunft.
> Nur eine Rückfrage: In drei Punkten geht O’Reilly ja sehr weit: – keine anonymen Kommentare mehr
Wer sich an ethische Richtlinien hält, sollte selbstverständlich auch sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung wahrnehmen und anonym kommentieren / bloggen dürfen. Man nehme ja nur sogenannte Whistleblower als Beispiele, die oftmals sehr hilfreich sind.
> > – Filterung der Kommentare überhaupt
Kommentare, die die Menschenwürde anderer verletzten, sollten selbstverständlich geächtet werden.
> > – Selbstkennzeichnung der Blogs (eine Art FSK???)
Es ist sicherlich hilfreich, wenn Blogger transparent veröffentlichen, an welche ethischen Regeln und Leitlinien sie sich halten.
> > Was halten Sie von diesen konkreten Forderungen – das ist ja mehr als gutes Benehmen…?
Sehr kritisierungswürdig halte ich die Forderungen von O´ Reilly, dass Blogger Markenrechte und Urheberrechte nicht verletzten dürften. Die ausufernde Urheber- und Markenrechte können das Recht auf freie Meinungsäusserung verletzten und Zensur fördern. Hier sollten Blogger sich an ihr eigenes Gewissen halten. Eine Formulierung wie von O´ Reilly geäussert, kann ich so nicht unterschreiben.
Abschliessend betrachtet: Schön, dass es diese Debatte gibt, man sollte sich aber nichts vormachen. Eine Selbstverpflichtung oder Kodex wird nicht viel bringen. Man sollte trotzdem bemüht sein, soziale Verhaltensweisen auch im Netz zu praktizieren. So wie im realen Leben auch.
Weiterführende Infos:
Golem: Verhaltenskodex für Blogger.
O´ Reilly: Draft Blogger’s Code of Conduct.
New York Times: A Call for Manners in the World of Nasty Blogs
Spreeblick: Zeit für eine Blog Etiquette?
Futurezone: US-Blogger streiten über Moralkodex
Wird die Bloggerethik durch adical beeinträchtigt?
Meiner Meinung nach sollte in einem Blog vor allen anderen Aspekten die freie, öffentliche und unverfälschte Meinungsäußerung stehen, ohne Rücksicht auf Markenrechte.
Das Internet als solches sollte zensurfrei bleiben, und dabei uneingeschränkt Informationen zugänglich machen, egal von wo – und da ist Anonymität und manchmal auch der Bruch von Markenrechten einfach notwendig.