Wer dieser Tage ins Spielregal blickt, der kann schnell den Eindruck gewinnen, dass es in der Welt der Videospiele momentan so richtig rund läuft: Mit Baldur’s Gate 3 erschien unlängst ein hyperkomplexes und modernes Rollenspiel, das innerhalb von Stunden zum Bestseller wurde. Starfield beerbt den Alltime-Favoriten Skyrim mit einem neuen, grenzenlos erscheinenden Weltraumkapitel. Einfallsreiche Indie-Games wie Dredge und Sticky Business sorgten für kurze Abwechslung zwischendurch, bis Ende des Jahres dann ein neues Assassin’s Creed das Weihnachtsgeschäft einläutet – und auch hier stehen bereits weitere große und verheißungsvolle Titel in der Release-Warteschlange.
Ja, gemessen an seinen Releases ist das Jahr 2023 ein echter Höhepunkt. Aber hinter den Kulissen, da brodelt es gewaltig – unbemerkt von den meisten Spielerinnen und Spielern. Noch. Denn die Folgen dieses Brodelns werden spätestens in ein paar Jahren für uns alle spürbar werden.
Eine Schließung als Schlaglicht
Sicht- und hörbar wurde dieses Brodeln zuletzt Ende August, als das Münchner Entwicklerstudio Mimimi ankündigte, die Pforten zu schließen und seine zwölfjährige Geschichte zu beenden. Diese Meldung schickte Schockwellen durch die Spielebranche, denn Mimimi hatte einen ausgezeichneten Ruf und ihre Spiele waren Kritikerlieblinge.
Klar, Titel wie Desperado 3 oder Shadow Gambit bewegten sich in einer Genre-Nische, die vor ihnen fast 20 Jahre lang niemand mehr anfassen wollte, aber sowohl Presse wie auch Industrie waren überzeugt: Richtig gute Qualität setzt sich durch und sollte es auch einem 50-köpfigen Studio erlauben, von der eigenen Arbeit leben zu können. Oder?
Leider scheint die Marktrealität anders auszusehen. In ihrem offiziellen Statement vermeldeten Mimimi, dass sie zum einen von der vergangenen Entwicklungsarbeit in den letzten Jahren ausgebrannt sind. Zum anderen hätten sie keine Energie mehr, nach dem Release ihres neuesten Spiels ein weiteres Mal in das ewige Hamsterrad der Geldbeschaffung zu steigen, um ihr nächstes Projekt zu finanzieren. Industrie-Kollegen des Studios sagen auf Nachfrage: Ja, kennen wir, ist verständlich und nachvollziehbar.
Das klingt nach einem Achselzucken, aber die Stimmung innerhalb der Branche ist angespannter denn je. Mimimis Schließung machte ein Problem sichtbar, dass viele Entwicklerinnen und Entwickler verdrängen: Geld ist rar geworden, ehemals investitionsfreudige Publisher sind nun zurückhaltend, der Fördertopf der Bundesregierung ist längst wieder leer und Talente wandern ab, weil sie in Deutschland entweder keinen Job finden – oder zu schlecht bezahlt werden.
Der nächste Schuss vor den Bug
Und nun noch ein weiterer Schuss vor den Bug der Branche, der vielleicht sogar noch zum fatalen Volltreffer werden könnte: Unity, eine der meistgenutzten und (ehemals) populärsten Game-Engines überhaupt, hat ein neues Preismodell angekündigt. Zusammengefasst: Statt einer monatlichen Abo-Gebühr oder einer einmaligen Lizenzbepreisung wird der zu zahlende Preis nun auf Basis der Installationen eines Spiels abgerechnet – und das auch rückwirkend. Heißt: Wenn ein Entwickler vor vielen Jahren ein Spiel mit Unity programmiert, veröffentlicht und damit einen kleinen Hit gelandet hat, kommt nun im schlimmsten Fall eine Rechnung von vielen tausend Dollar auf ihn zu.
Das Bepreisungsmodell würde nach aktueller Planung sogar kostenlose Demos, Verlosungen von Spielen für wohltätige Zwecke oder den Einsatz von Games im Schulunterricht betreffen. Die Branche hofft, dass Unity noch einmal zurückrudern wird – aber selbst wenn, ist der Vertrauensbruch bereits passiert. Heute in einem Jahr haben wir Klarheit über den Ausgang dieser Entscheidung – und werden dann womöglich in ein sehr viel leereres Spieleregal blicken.
Kurzum: Es kommt gerade sehr viel zusammen, was die Arbeit als Spieleentwickler*in verdammt schwer macht. Für Spielerinnen und Spieler ergibt sich daraus ein Appell: Kauft die Spiele. Unterstützt Entwicklerteams. Setzt Titel, die euch interessieren, auf eure Wunschlisten. All das sind für uns nur ein paar wenige Klicks – aber sie könnten ein wenig Ruhe in eine angespannte Branche bringen.
Wer hätte das gedacht, die kommerziellen All-inklusive und die Cloudmodelle sind bzgl. der Vorteile doch nur Eintagsfliegen.
IANAL, aber rückwirkend abkassieren ist doch niemals rechtens, oder? Ich kann mir daher auch nicht vorstellen, dass das auch nur ein einziges studio wirklich zahlt.
Und erzwingen im sinne von „wenn ihr nicht zahlt, dann funktioniert euer spiel nimmer“ kann man das auch nicht. oder hat unity irgendeinen online-zwang eingebaut?
Link zu Unity’s Meldung: https://unity.com/pricing-updates
Ganz besonders interessant in so Fällen ist auch die Waybackmachine: https://web.archive.org/web/20230000000000*/https://unity.com/pricing-updates
Es ist immer gut, sich den originalwortlaut nochmal durchzulesen.
Dieser Teil des Artikels erschließt sich mir nicht so ganz:
„Das Bepreisungsmodell würde nach aktueller Planung sogar kostenlose Demos, Verlosungen von Spielen für wohltätige Zwecke oder den Einsatz von Games im Schulunterricht betreffen.“
Zitat 12.09.2023:
Unity Personal and Unity Plus: The Unity Runtime Fee will apply to games made with Unity Personal and Unity Plus that have made $200,000 USD or more in the last 12 months AND have at least 200,000 lifetime installs.
[…]
Also, sobald ich 200.000$ eingenommen habe und mehr als 200.000 Downloads habe, zahle ich auch für Downloads die ich zusätzlich kostenlos anbiete.
Ich glaube allerdings, dass die das wieder einpacken werden. Technisch ist es ja krass aufwendig legitime Downloads zu zählen. Ein bisschen rudern sie ja wieder zurück. Seit gestern Abend ist eine „Entschuldigung“ auf der Seite und sie Kündigen eine Änderung an.
„Rückwirkend“ ist ncht ganz richtig, aber fast.
So wie ich das verstanden habe, zahlst Du erst, wenn Du über einer bestimmten Downloadzahl bist. Um zu schauen, ob Du darüber bist, werden auch rückwirkend Daten angeschaut.
Also, nemen wir mal an die Zahlung fällt an ab 200.000 dowloads
– 2023 -> 200.000 downloads
– 2024 -> 1 download
Ergebnis: ich muss zahlen, weil „rückwirkend“ mehr als 200.000 downloads. Aber ich zahle nur für 1 download.
Das nur zur Klarstellung. Finde das immer noch hochproblematisch.
Das ist ja nun keine neues Phänomen. Wenn man sich mal EA anschaut, die seit Jahrzehnten Spielentwickler aufkaufen und dann schließen, dürfte es niemanden verwundern. Zudem werden die Preismodelle immer assozialer. Ich spiele lieber zum hundertsten mal meine alten Games, C&C Reihe, Need for Speed Underground bis Carbon, alles Offline ohne versteckte Kostenfallen.
Anonymous: „… alles Offline ohne versteckte Kostenfallen.“
Geht auch bei neuen Spielen. Larian Studios haben z. B. mit Baldur´s Gate 3 alles richtig gemacht. Keine Kostenfallen, seit der ersten EA auf die Community gehört, sich an die klassische D&D-Vorlage gehalten bei gleichzeitig hochwertiger Innovation. Und dafür hochverdient die maximale Anerkennung bekommen.
Ist jetzt vom Genre her nicht meins. Allerdings auch von Preis. 260 Euro für eine limitierte Collector Edition ist schon happig, dafür sollte man das Spiel wirklich mögen.^^ Da kram ich doch lieber mal wieder Megarace raus und fummel so lange rum, bis der alte Schinken auf etwas moderneren Maschinen läuft. Das macht auch „Spaß“. ;)
Ja, Godot ist echt super! Wenn die Geschichte mehr Überläufer von Unity stimuliert, ist das gar nicht so tragisch :-)
Stimmt. Aber selbst wenn jemand BG 3 zocken will, muss er/sie nicht die Collector Edition holen (die ist in der Tat was für Sammler). Es reicht die „normale“ Version für ca. 60 Euro.
Rückwirkende Vertragsänderungen, wie Unity sie hier anstrebt, sind nach deutschem Recht überhaupt nicht zulässig, da sie auf eine unmögliche Leistung gerichtet sind (§ 306 BGB). Nicht mal beim Landgericht Hamburg dürfte Unity damit durchkommen.
Seit Jahren vermeide ich unfreie Gameengines wie Unity und setze auf Godot. Das ist meiner Meinung nach die beste freie und auch portable Gameengine für VR Spiele. Auch Steam versuche ich zu vermeiden.
@rückwirkend
Die Lizenz für die Nutzung in einem Spiel zu beschränken bzw. für zukünftige Kopien des Spiels zu verteuern, wäre vielleicht schon „rückwirkend“. Immerhin wurde mit der Engineversion „von damals“ auch nur die Lizenz von damals vereinbart.
ABER, wenn man ein Engine-Update macht oder auch nur eine Bugfixversion für die benutzte Engine einbinden will, und DABEI dann die neue Lizenz akzeptieren muss, oder aus Versehen drauf clickt o.ä., wäre man schon in dem Szenario, in dem ab da Kopien etwas kosten würden.
Das ist die Flipside von Abhängigkeit. Das schöne System mit all den integrierten Features, Tools und Assets will also gewartet werden, offensichtlich nun für mehr Geld.
Konsumenten und Konsumentinnen!
Wenn auf netzpolitik.org Apelle wie diese auftauchen, dann ist nicht nur die Gamer-Welt ins Wanken geraten. Der Planet taumelt. Wie gut, dass es Aktivismus gibt. Da muss was getan werden, und zwar schnell und effektiv. Und natürlich braucht es eine Prioritäten-Liste, damit kostbare Restzeit nicht vertan wird mit ermüdenden Tätigkeiten.
1. Rettet die Gamer-Industrie
2. Rettet Spiele-Investoren
3. Rettet den Haushalt der Bundesregierung
4. Rettet die Spiele-Shops
Haltet euch nicht auf mit
5. Öko-Kram (Chips, Riegel und Drinks reichen zur Ernährung)
6. Klimaproblemen (Rollladen runter lassen hilft sofort)
7. Sozialen Ungerechtigkeiten (macht schlechte Laune)
8. Bemühungen um den Frieden in der Welt (produziert Langeweile)
Rettet Euch selbst! Wer seine Zeit vor der Konsole verbringt, der stellt keinen Unsinn an. Wer spielt geht nicht zu Demos, ärgert die Nachbarn nicht, lässt die Eltern in Ruhe. Eine gewisse Gefahr droht von Vermietern, die pünktlich Kohle sehen wollen. Am besten macht ihr die auch zu Gamern, und sie lassen Dich in Ruhe.
Daher der Appell: Kauft Spiele! Fangt nicht an zu denken, warum das Geld knapp wird. Kauft einfach! Kauft! Kauft! Kauft!
Super „sinnvoller“ Beitrag… Einfach mal ein Hobby von vielen Menschen verunglimpfen, dabei auf die ältesten und lahmsten Klischees zurückgreifen und nebenher implizieren, dass Gamern soziale und ökologische Probleme egal sind.
Hier irgendwelche nebulösen vorurteilsbehafteten Vorwürfe zu erheben passt nicht wirklich zum Thema des Artikels und ist meiner Ansicht nach vor allem konfus.