Crypto Wars: Keine Krypto-Beschränkungen in den Niederlanden

Die Zweite Kammer des niederländischen Parlaments (niederländisch: Tweede Kamer der Staten-Generaal) hat sich gestern in Den Haag für die Nutzung und gegen eine Beschränkung von Verschlüsselung ausgesprochen. Das Verschlüsseln sei für die Privatsphäre und für die Vertraulichkeit der Kommunikation der Bürger von entscheidender Bedeutung, aber auch für die Meinungsfreiheit. Nicht nur jeden normalen Bürger, sondern beispielsweise auch Journalisten versetzen kryptographische Werkzeuge erst in der Lage, vertraulich kommunizieren zu können.

diffie schneier

Kryptoexperten Whitfield Diffie und Bruce Schneier,
CC BY 2.0 via flickr/Eliot Phillips

Der Minister für Sicherheit und Justiz, Gerard Adriaan van der Steur, und der Wirtschaftsminister, Henricus Kamp (beide VVD), wollen daher keine

restriktiven rechtlichen Maßnahmen gegen die Entwicklung, Bereitstellung und Nutzung von Verschlüsselung innerhalb der Niederlande

erlassen (Beschluss als .docx-Datei). Die niederländische Regierung hält es also für nicht wünschenswert, die Entwicklung, Verfügbarkeit oder Benutzung von Kryptographie zu beschränken und möchte zugleich diese politische Schlussfolgerung auch international vertreten.

Die Niederlande werden also nicht hinter die politischen Regelungen der 1990er Jahren zurückfallen, als die ersten sog. „Crypto Wars“ ausgetragen und Verbote diskutiert wurden. Die Grundrechte

  • in Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) und
  • in Artikel 7 und 8 der EU-Charta (Achtung des Privat- und Familienlebens und Schutz personenbezogener Daten)

würden zwar nicht absolut gelten, man wolle also durchaus den Strafverfolgern Möglichkeiten geben, Verschlüsselung legal brechen zu dürfen, jedoch nicht auf ein Kryptoverbot hinwirken.

Die deutsche Regierung hat sich bisher noch nicht eindeutig pro Verschlüsselung eingelassen und Kryptobeschränkungen nicht gänzlich ausgeschlossen, sondern versucht den Spagat:

Die Bundesregierung setzt sich dafür ein, dass zum einen starke und sichere Verschlüsselung verfügbar ist und zum anderen unsere Sicherheitsbehörden ertüchtigt werden, damit umzugehen: Sicherheit durch Verschlüsselung und Sicherheit trotz Verschlüsselung.

Da könnte man sich an den Niederlanden durchaus ein Vorbild nehmen.

Update: Es gibt nun eine vollständige englische Übersetzung.

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5 Ergänzungen

  1. @Constanze:

    Interessant wäre hier, welchen Einfluss das Tor Project auf die niederländische Regierung/Politik hat/hatte. Im Tor Blog gab es vor nicht allzu langer Zeit einen Beitrag von Roger Dingledine, wo er von seiner Schulungsreise zu niederländischen (und belgischen) Sicherheitsbehörden berichtete. Jacob Appelbaum macht seinen Ph.D. derzeit an der TU Eindhoven (wo Bernstein und Lange ansässig sind). Vielleicht ist in dieser Gemengelage die Entscheidung der Niederlande nicht plötzlich und unerwartet vom Himmel gefallen.

    Ich würde mich über die Recherche und Berichterstattung zu diesen Hintergründen sehr freuen, Constanze. :-)

  2. ergänzung zum artikel: die regierung der niederlande unterstützt openssl mit 500.000 euro. das könnte die deutsche regierung ja auch mal machen…

    1. Die Deutsche Regierung sagt vorne herum etwas, und hinten herum erdolcht sie den Bürger.
      Das macht sie seit Jahren sehr erfolgreich.
      Wenn also ein Maas (oder wer auch immer) sich hingstellt und Verschlüsselung für wichtig hält, dann nur unter der Prämisse, dass der Staat jederzeit auf die Inhalte zugreifen kann.
      Das ist die Haltung der Bundesregierung, siehe bei diversen Gesetzen, die in den letzten Jahren so eingeführt wurden. Sei es der Antinacktheitsparagraph oder die Vorratsdatenspeicherung, bald auch weitere neue Paragraphen, die nahezu jeden Bürger zu jederzeit zum Straftäter machen können, sobald es die Polizei (!) für richtig hält. Obwohl, macht sie ja heute schon.
      Von der Bundesregierung wirst Du nichts anderes zu hören bekommen. Oder wie schnell war Maas plötzlich für die Vorratsdatenspeicherung?

  3. Die „.docx“-Datei ist in Wirklichkeit im PDF-Format, und hat nur eine irritierende Dateiendung. (Die ist aber auf holländisch.)

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.