Streit in Brüssel: EU-Kommission will doch keinen Vorschlag für System zum Aufspüren von Finanzdaten vorlegen

SWIFT-Bank3Vor sechs Wochen hatten wir hier über die neueren Pläne zur Errichtung eines „EU-Systems zum Aufspüren der Terrorismusfinanzierung“ geschrieben. Zum Hintergrund: Es geht um die Auswertung von Finanzdaten. Sicherheitsbehörden interessieren sich für Daten zu internationalen Finanztransaktionen, Stammdaten, Post- oder Mailadressen der KontoinhaberInnen oder deren Telefonnummern. 2010 hatte die Europäische Union das sogenannte „SWIFT-Abkommen“ mit den USA abgeschlossen (auch bekannt als „Terrorist Finance Tracking Program”, TFTP).

Vorausgegangen waren damals erhebliche Auseinandersetzungen zwischen Abgeordneten, dem Rat und der Kommission. Das EU-Parlament hatte eine Entschließung verabschiedet, in der unter anderem die Befürchtung formuliert wurde, dass die Weitergabe personenbezogener Daten von den USA an „Drittländer“ europäischen Datenschutzrechtsvorschriften widerspricht. Daten sollten „nur zur Terrorismusbekämpfung übermittelt und verarbeitet“ werden und sich an der EU-Definition für Terrorismus bzw. der schwarzen Liste für „einschlägig anerkannte einzelne Terroristen oder Terrororganisationen“ beziehen.

All das half nicht, das TFTP zwischen EU und USA wurde geschlossen – immerhin nicht wie vorgesehen noch kurz vor Unterzeichnung des Lissabon-Vertrages. Dann wäre die Zustimmung des Parlaments gar nicht erforderlich gewesen.

Der Widerstand auch reformistischer Abgeordneter wurde gebrochen mit der möglichen Einrichtung eines EU-Systems mit den gleichen Funktionalitäten. Beschlossen wurde, dies spätestens nach drei Jahren Laufzeit des „SWIFT-Abkommens“ zu prüfen: Allerdings mit dem klaren Ziel, dass US-Behörden dann weiterhin auf die EU-Daten zugreifen dürfen.

Wie berichtet, sieht es derzeit so aus, dass das EU-TFTS in der Versenkung verschwindet. So steht es bereits in einem Papier der Kommission vom November vergangenen Jahres, das mehrere Optionen zum Aufspüren verdächtiger Finanztransaktionen entwirft:

Die zusammengetragenen Informationen legen den Schluss nahe, dass derzeit keine klare Notwendigkeit besteht, einen Vorschlag zur Schaffung eines EU-eigenen TFTS vorzulegen.

Stattdessen sollen Polizeien und Geheimdienste aus EU-Mitgliedstaaten bei Interesse an SWIFT-Finanzdaten diese ganz einfach in den USA abfragen. Die Kommission hat damit überhaupt kein Problem, denn die Daten lagerten in den USA angeblich sicher:

Würden die Daten nicht in den Vereinigten Staaten, sondern auf EU-Gebiet extrahiert, wäre nicht automatisch ein besserer Schutz personenbezogener Daten gewährleistet. Unabhängig vom Aufbewahrungsort ist für eine ordnungsgemäße Datenbehandlung entscheidend, wie gut diese vor dem Zugriff geschützt sind.

Die Mitgliedstaaten sind sich darüber allerdings noch uneinig. Aus Brüssel heißt es, dass die Kommission (wie es in dem Papier vom November bereits angedeutet wurde) keinen Vorschlag für ein EU-TFTS vorlegen wird. Die britische Regierung unterstützt die Haltung, während etwa Spanien und Frankreich unbedingt ein EU-Finanzdatensystem fordern.

Jetzt liegt der Ball wieder beim Parlament, das 2010 beim Abschluss des TFTP mit der möglichen Einrichtung eines späteren EU-Systems geködert wurde:

Die Kommission wäre dem Europäischen Parlament und den Rat dankbar, wenn sie zu dieser Mitteilung Stellung nehmen würden.

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2 Ergänzungen

  1. „Die Kommission wäre dem Europäischen Parlament und den Rat dankbar, wenn sie zu dieser Mitteilung Stellung nehmen würden und die ganzen Einsprüche gegen SWIFT und die anderen Datenweiterreichungssystem abzuweisen“…so müsste es richtig heissen.

  2. Es gibt bereits ein wirksames System zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung:

    Das Geldwäschegesetz!

    Dieses Gesetz basiert auf Empfehlungen der FATF (Financial Action Task Force on Money Laundering) der internationalen Organisation OECD.

    Wichtigster Unterschied zum SWIFT-Abkommen bzw. TFTP (Terrorist Finance Tracking Program):

    Es gibt keine zentrale, pauschale und verdachtsunabhängige Datensammlung, -weitergabe und -auswertung.

    Nur bei konkretem Anlass bzw. begründetem Verdacht werden Daten an die zuständigen Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden gemeldet. Diese Vorgehensweise in rechtsstaatlich sauberer.

    Also kann es beim SWIFT-Abkommen bzw. TFTP nicht um Terrorismusbekämpfung gehen. Welche anderen Gründe und Motive könnten hinter einer verdachtslosen Massenüberwachung von Finanztransaktionen stehen?

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.