Freiwillige vor! Strategiedebatte und Vorstandswechsel bei Wikimedia Deutschland

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200px-Wikimedia_Deutschland-Logo.svgWikimedia Deutschland – Gesellschaft zur Förderung Freien Wissens e.V. ist das offizielle deutsche „Chapter“ der Wikimedia Foundation, der Organisation hinter Projekten wie Wikipedia, Wikibooks oder Wiktionary. Ein beträchtlicher Teil jener Spenden, die über die Seite der deutschsprachigen Wikipedia gesammelt werden, fließt an diesen Verein. Gestern gab jetzt das ehrenamtliche Präsidium von Wikimedia für viele, laut Mailingliste auch Vereinsmitglieder, überraschend bekannt, dass man die Zusammenarbeit mit dem bisherigen hauptamtlichen Vorstand Pavel Richter auf Grund strategischer Differenzen beenden werde. Für Kritik sorgte hierbei, diese Entscheidung fünf Tage vor der 14. Mitgliederversammlung des Vereins und ohne ausführlichere Begründung veröffentlicht zu haben. Erst auf Nachfrage wurde ein Link auf ein Strategiepapier (PDF) bereitgestellt, dessen Inhalt sich aber nicht fundamental von den bisherigen Aktivitäten des Vereins unterscheidet. Bemerkenswert an der Entscheidung ist auch, dass der Sprecher des Präsidiums Nikolaus Becker sich unmittelbar nach deren Verkündung via Mail von der Entscheidung distanzierte sowie eine Reihe prominenter und langjähriger (Ex-)Vereinsfunktionäre in einem offenen Brief „blankes Entsetzen“ über die Vorgehensweise des Päsidiums zeigten (siehe auch Bericht von Torsten Kleinz bei heise.de).

Da offenbar derzeit noch am Wording für Presseerklärungen zu den Vorgängen gefeilt wird, war keiner der angefragten Präsidiumsmitglieder zu einer offiziellen Stellungnahme bereit. Deutlich wurde in den geführten Gesprächen und auch in den Debatten auf der Mailingliste, dass im Zentrum der Auseinandersetzung der Stellenwert der Freiwilligenförderung in der Arbeit von Wikimedia Deutschland steht. Wie hier bereits einmal ausgeführt, lässt sich mittlerweile von einer Kluft zwischen Wikimedia Vereinen und Wikipedia Community sprechen. So wird auch auf der Mailingliste von einem Befürworter des Personalwechsels die Frage aufgeworfen, „ob der Verein die nötige Verankerung in der Gemeinschaft hat“ und ein „Disconnect“ attestiert.

Generell wird kritisiert, dass die Freiwilligenförderung nur als ein Projekt unter vielen und nicht als die zentrale Hauptaufgabe von Wikimedia Deutschland verfolgt wurde. Worin genau die stärkere Unterstützung der Freiwilligenarbeit bestehen könnte, dazu gibt es allerdings wenig konkrete Vorstellungen. Genannt werden u.a. Probleme bei der Unterstützung von Fotografen mit Ausrüstung, fehlende Unterstützung rund um das (inzwischen eingestellte) Projekt „Wikipedia macht Schule“ sowie die umstrittene Kooperation mit dem ZDF rund um das Projekt „ZDFcheck“. Auch sollen Weiterbildungsmaßnahmen besser organisiert werden.

Eine Schwierigkeit, mit der auch potentielle NachfolgerInnen des aktuellen Wikimedia-Vorstands werden zu kämpfen haben werden, ist die Kombination von lautstarken Unterstützungsforderungen der Community einerseits, strenger organisationaler Trennung zwischen Wikmedia und Wikipedia andererseits. Die Freiwilligen-Community erstellt die Inhalte, die Wikimedia Foundation sammelt die Spendenmillionen und entscheidet über den Mitteleinsatz. Der Organisierungsgrad in den Vereinen ist dabei gering, die tatsächliche Mitwirkungsrate noch geringer. So verfügt Wikimedia Deutschland mittlerweile zwar über mehr als 10.000 Fördermitglieder, von den rund 1.700 stimmberechtigten Vollmitgliedern kommen aber weniger als 50 zu den Mitgliederversammlungen. Vor allem an letzteren wird es am Wochenende liegen, die geplante stärkere Ausrichtung auf Freiwilligenförderung zu konkretisieren bzw. über den vorgeschlagenen Strategiewechsel des Präsidiums zu befinden.

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