SOPA Blackout: Warum Wikipedia Frauen braucht

Der Artikel erschien zuerst am 18.01.12 in der Huffington Post und wurde mit freundlicher Genehmigung durch Sarah Stierch von Katrin Rönicke übersetzt. Sarah Stierch schrieb diesen Beitrag, während die englischsprachige Wikipedia gerade für einen großen Blackout vorbereitet wurde. Auf Entschluss der Wikipedia-Community hin, war die Enzyklopädie am 18. Januar, dem Tag, an dem weltweit Aktionen gegen SOPA stattfanden (wir berichteten), für 24 Stunden nicht benutzbar. Sarah Stierch ist Wikimedia Fellow und bekannt durch ihr Engagement für mehr Frauen in der Wikipedia. Was die Gefahr, die von SOPA ausgeht mit dem geringen Frauen-Anteil der Wikipedia zu tun hat – diese Gedanken teilt Sarah dankenswerter Weise hier.

Kennt ihr Ada Lovelace? Sie wird als die weltweit erste Programmiererin angesehen. Ich hätte niemals davon erfahren, dass eine Frau die erste war, die Computer programmierte, gäbe es nicht diese eine Website: Wikipedia. Das ist diese Seite zu der viele Leute gehen, wenn sie schnell mal nach biografischen Informationen suchen – in meinem Fall: Wie sah Ada Lovelace aus? Was war ihr Vermächtnis? Aber heute [das war am 18.01.2012] ist es nicht möglich, die Wikipedia-Seite, mit der ich den Namen oben verlinkt habe, zu erreichen. Man muss sich durch Google Suchergebnisse klicken, um eine größere Bandbreite von Meinungen über sie und Würdigungen zu erhalten – um sicherzugehen, dass man sich ein ausgewogenes, komplettes Bild von ihr machen kann. Dass man sie nicht in der Wikipedia nachschlagen kann, hat zwei sehr wichtige Gründe: SOPA (Stop Online Piracy Act) und PIPA (Protect IP Act).

Als Autorin in der Wikipedia, für die ich seit 2004 schreibe, habe ich mich damit abgefunden, ein Geek zu sein. Ich habe über 200 Artikel für die Wikipedia geschrieben – über Themen wie die Geschichte kleiner Städte in Tennessee oder die Künstlerin Louise Nevelson (und ja, ich habe ein Leben!). Aber habe mich in letzter Zeit auch mit etwas nicht so lustigem wie meiner Geekiness abfinden müssen: Nur neun Prozent der Leute, die Artikel in der Wikipedia bearbeiten, sind Frauen. Dieser Realität muss man sich stellen: Wir sind die sechst-wichtigste Website im Internet und die große Mehrheit ihrer Inhalte wurde von Männern geschrieben. Das betrifft auch Artikel über Menstruation, Vaginas … oh, und Ada Lovelace. Ihr Artikel wurde auch von Männern geschrieben. Versteht mich nicht falsch: Wir schätzen all diese Kerle, die sich um Qualitätsinhalte kümmern – gerade bei unseren privaten Körperteilen. Aber wäre es nicht noch viel toller, wenn diese Artikel von Frauen geschrieben wären?

Während ich diesen Artikel am 17.01.2012 um 23:15 Uhr schreibe kann ich zusehen, wie unser Team von Angestellten und Freiwilligen langsam die Wikipedia verdunkelt und ich begreife etwas: Wir neun Prozent verlieren damit während des Blackouts unsere Stimme in der sechst-wichtigsten Website der Welt. Das heißt, wenn Wikipedia für immer „dunkel werden“ würde, wären die Folgen verheerend, nicht nur im Allgemeinen, sondern auch mit Blick auf die Repräsentation von Frauen im Netz. Während Frauen zu Facebook vielleicht mehr beitragen, als Männer, werden unsere Stimmen dort nur von Freunden und Familie gehört – und deren Freunden, und Freunden von Freunden – wenn wir Glück haben. Frauen werden nicht als Nutzerinnen von Google gehört, der weltweit wichtigsten und bekanntesten Website (und Männer auch nicht). Aber durch einen Beitrag in der Wikipedia werden Frauen nicht nur gehört – wir helfen darüber hinaus auch, diesen Ort stetig weiter zu bauen. Wir nehmen teil. Ob es nun der Inhalt ist, den wir schreiben, oder ob es das Foto ist, das wir machen – wir können kontrollieren und kuratieren, was Wikipedia mit der Welt teilt. Durch unsere Stimmen (neutral selbstverständlich); wir reden ja von Wikipedia) können wir die Stimmen, die nicht gehört werden repräsentieren: Die Stimmen der Frauen, die bislang noch nicht in der Wikipedia repräsentiert werden – Feministinnen, Musikerinnen, Gelehrte – und Themen, die an denen Frauen Spaß haben. Es geht nicht darum, dass dieser Teil nicht repräsentiert wäre – es ist nur leider sehr ärmlich repräsentiert. Zum Beispiel: Für eine lange Zeit würde der Artikel zu „Hairdresser“ zum Artikel „Barber“ zurückgeleitet (zur Info: „Hairdresser“ heißt Friseur(in) und „Barber“ heißt Herrenfriseur). Erst vor kurzem haben ein AutorInnen-Team und ich geholfen, den Artikel „Hairdresser“ samt seiner Geschichte zu schreiben. Oh – und der Artikel über Mode? Der hat nicht einmal Coco Chanel erwähnt. Wikipedia ist nicht komplett wenn nicht jedermensch dazu Beitragen kann, und das tut nicht jedermensch.

Was kann man also tun, um aus Wikipedia eine stärkere und diversere Landschaft freier Informationen zu machen? Erstens: Helfen Sie uns, diese sensible Situation in Bezug auf die potentielle Zensur durch die US-Regierung zu überwinden. SOPA und PIPA würden es der föderalen Regierung erlauben Nutzer-generierte Inhalte online zu kontrollieren – das bedeutet, dass Webseiten wie Wikipedia und andere, die auf unsere Beiträge angewiesen sind, permanent „dunkel“ sein könnten oder Nutzer-generierte Inhalte werden entfernt werden, sollten sie dem FBI in die Quere kommen. Zweitens: Macht bei der Wikipedia mit! Kommt in die Community: Schreibt oder helft, einen Artikel zu verbessern, der ein Thema betrifft, dass ihr liebt. Schmeißt Editing-Parties mit euren Freunden und werdet euch darüber klar, dass eure Beiträge wirklich einen Unterschied machen. Groß oder klein – sie werden täglich von Millionen von BesucherInnen gelesen. Stellt euch vor, was eure Beiträge in der weltweit freien Enzyklopädie für andere Frauen, die sie lesen, tun könnten.

Und falls euch das alles egal sein sollte, dann tut es für Ada. Tut es für Frauen, die für uns vorgelegt haben – in ihrem Namen. Teilt ihre Geschichten, so dass andere Generationen Qualitäts-Inhalte finden können, kostenlos, online, in denen sie über diese faszinierenden Frauen lernen können. Tut es für die Frauen, die zum ersten Mal ihre Sexualität erkunden, oder vielleicht etwas über die Krankheit ihrer/s PartnerIn lernen wollen. Macht es, um mehr über Kultur zu lernen und darüber, was euch inspiriert.

SOPA und PIPA wurden entwickelt um uns unabhängig vom Geschlecht unserer der Kontrolle über einen Bereich unseres Lebens zu berauben, in dem wir bislang noch Kontrolle hatten: was wir zum Internet beitragen. Wenn wir nicht kontrollieren können, wo unsere Stimmen gehört werden und welche Informationen wir teilen, was heißt das dann für die nachkommenden Generationen? Wikipedia wurde auf dem Prinzip des Teilens freien Wissens mit der ganzen Welt gegründet. Wenn das nicht empowernd ist – was dann?

32 Ergänzungen

  1. Will ja kein Fass aufmachen aber finde die Begründung weit hergeholt und „… wäre es nicht noch viel toller, wenn diese Artikel von Frauen geschrieben wären?“ – nein. Eigentlich sollte das egal sein.

    Aber wir müssen das nicht diskutieren, irgendwie ist man allem, was gegen sopa etc geht, ja generell positiv gegenüber eingestimmt.

    1. – nein. Eigentlich sollte das egal sein.

      Volle Zustimmung! Und nein, ich möchte auch kein Fass aufmachen

      1. Sarah sagt ja selbst, dass wir den Kerlen, die das alles geschrieben haben, auch sehr dankbar sind… und ja: natürlich wäre es im grunde total egal, denn so ist auch der Grundgedanke der wikipedia: Wer etwas weiß, der trägt es bei. Schön und gut.
        Wenn mensch aber weiß, dass dort eine relevante Gruppe Menschen (51 % der Weltbevölkerung, wenn ich nicht irre) unterrepräsentiert mitschreibt und daher die Inhalte auch anders daherkommen, als wenn sie mitschrieben (das veranschaulicht das Hairdresser-Beispiel) – dann ist es nicht zu weit hergeholt zu denken, dass auch die Inhalte zu den intimsten Körperteilen von Frauen evtl. etwas anders gestaltet wären, als so?
        ein Beispiel ist die Diskussion rund um die Bebilderung zum Artikel Schwangerschaft in der Wikipedia. Die ich in meiner Freitags-Kolumne einmal kurz anriss.

      2. Gut und schön. Aber was diese Unterrepräsentation angeht, so hält die genannte Gruppierung die Möglichkeiten alle in der Hand. Wenn frau mit der Unterrrepräsentation nicht einverstanden ist, dann soll frau halt selber beitragen. Und wenn den Artikeln, die aus Männersicht geschrieben sind, etwas fehlt, was frau beitragen könnte, dann soll sie es doch einfach machen.

  2. > ihrer/s PartnerIn
    sollte das nicht „ihrer/s PartnerIn/s“ heißen? Wenn schon, dann richtig

  3. Nach mehreren gescheiterten Versuchen (lnge her und mittlerweile gelöscht), etwas zur Wikipedia beizutragen, verzichte ich dankend. Unter männlichem Pseudonym: Kein Problem. Unter weiblichem Namen bin drei Mal unsachlich und ziemlich bösartig abgebügelt worden, obwohl die eingetragenen Informationen richtig und verifizierbar waren. Macht euren Sch* alleine.

    1. Das ist ja kein exklusives Frauen-Problem. Das hat man auch mit männlichem Pseudonym häufig genug.
      Und nach einigen erfolglosen Versuchen unterlasse ich es mittlerweile auch da was zu schreiben.

    2. liebe vera,
      was vermutlich hilft, ist ein klare vernetzung. die steht in der englischsprachigen wikipedia bereits (mailingliste, treffen) und hilft auch, bei seltsamen diskussionen etc zusammen zu halten…
      trotzdem hast du natürlich gleichzeitig den wunden punkt der wikipedia angesprochen: die ganze frage nach der neutralität ist … naja… gerne auch ein vorgeschobenes argument, notwendige änderungen nicht vorzunehmen. der artikel zu maskulismus ist daher eine farce. Andreas Kemper hat dazu einen ganz interessanten Blogbeitrag im freitag

  4. Mir hat der „Artikel“ beim lesen schon fast körperliche Schmerzen bereitet. Wie groß muss der Realitätsabstand eigentlich sein, um aus so etwas (mal wieder) ein Frauen-Problem zu machen. Die Herleitung der „Argumentation“ ist ja schon mehr als hanebüchen.

    P.S. Der Link zum Orginalartikel ist kaputt.

    1. +1

      Phantasievoll konstruierte Gender-Sülze, deren einzige Existenzberechtigung das in jedem (auch diesem) Falle zu verteidigende Recht auf freie Meinungsäußerung ist.

  5. Ganz streng genommen könnte man behaupten: Die Autorin hat den Artikel in der Wikipedia offensichtlich nicht intensiv genug gelesen. Sonst wüsste sie, dass Ada Lovelace zwar als erste Programmiererin gilt, aber mitnichten jemals einen Computer programmiert hat. Ihre Leistung besteht darin, dass sie ein Konzept entworfen hat; die Maschine selber wurde aber nicht gebaut.

    Abgesehen davon verstehe ich auch nicht, warum es großartiger sein sollte, wenn Artikel über Geschlechtsteile von Angehörigen eines bestimmten Geschlechts geschrieben werden. Da Wikipedia sich als Enzyklopädie versteht, sind die Artikel ohnehin sehr technisch und müssen mit Belegen versehen werden. Solange die Objektivität gewahrt wird ist es ganz egal, ob ein Mann oder eine Frau die Artikel über Penis, Vagina, Brüste oder sonstige Geschlechtsmerkmale schreibt. Ich kann mich ziemlich gut erinnern, wie oft ich schon nachgeschaut habe, welches Geschlecht die Autoren eines bestimmten Artikels bei Wikipedia hatten: Kein Mal. Das wäre bei vielen Nicks ohnehin recht schwierig…

    1. Okay, der erste Absatz geht wohl eher zu Lasten der Übersetzerin, im Originalartikel ist es noch richtig dargestellt; so ein Fehler kann passieren, wenn aus sprachlichen Gründen etwas freier übersetzt wird. Dann will ich nichts geschrieben haben.

  6. Dass mehr Frauen bei der Wikipedia mitmachen sollten unterschreib ich ja gerne sofort.
    Aber mitzumachen um repräsentiert zu werden? Damit die eigene Stimme gehört wird? Das sind doch etwas merkwürdige Illusionen die in einer Enzyklopädie eigentlich genau nichts verloren haben.

  7. Wir brauchen eine Frauenquote für die Wikipedia. Nach jeder männlichen Neuanmeldung muss sich mindestens eine Frau angemeldet haben, bis sich wieder ein Mann anmelden darf. Das gleiche gilt für Edits und neue Artikel. Immerhin würde dieses Verfahren einige Diskussionen innerhalb der Wikipedia überflüssig machen. Das Geschlecht wird die neue Schlüsselqualifikation.. Sachkompetenz und Qualität der Beiträge ist nachrangig.

    1. Danke für Deinen Beitrag, der taugt gut als schlechtes Beispiel!

      Erstens handelt es sich um eine Strohpuppe: Niemand verlangt eine quotierte Editliste, also erübrigt sich Dein Argument.

      Zweitens unterstellst Du, daß Männer kompetenter als Frauen sind, nur dann ist eine Quotenregelung nämlich überhaupt relevant.

  8. “ Aber wäre es nicht noch viel toller, wenn diese Artikel von Frauen geschrieben wären?“

    ganz pragmatisch betrachtet.
    Nein, das wäre kein Stück „toller“

    Mir ist das so egal, ob ein Artikel über meinetwegen Hoden von Männchen, Weibchen oder kleinen pelzigen Wesen von Alpha Centauri geschrieben wurde, solange nur die Informationen stimmen.

    Es gibt keine weiblichen oder männlichen Fakten.
    Es gibt nur Fakten.
    Wenn das irgendwer anders sieht, soll er mir das erklären.

    Schade, dass der Geschlechterk(r)ampf jetzt auch in die Wikipedia getrieben wird, wo er nichts verloren hat.

    1. Schön wär’s, Du nimmst aber leider irrtümlich an, daß nichts vom Autor im Artikel landet. Das heißt, daß Du nur in einer idealisierten Welt recht hättest, in dieser Welt leider nicht.

      Das Verhältnis zwischen Geschlechtern und Sprache wird lange erforscht, da findest Du sicher leicht Literatur.

      1. Aber warum soll man dann eine Quotenregelung einführen, wenn die Interessen anscheinend ungleicher verteilt sind? Sollen die Männer weniger schreiben? Oder die Frauen mehr? Warum motivierten Leuten das Schreiben verbieten? Oder unmotivierte Leute zum Schreiben zwingen?

        Mal ganz davon abgesehen tauschst du damit auch nur eine Voreingenommenheit gegen eine andere.

  9. Ich habe schon an der Wikipedia mitgearbeitet, bevor es die deutsche Variante gab, und bevor es Usernamen gab. Der Hauptgrund für Nachwuchssorgen ist, daß Neulinge extrem brachial behandelt werden, da werden praktisch immer auch die eigenen Regeln ignoriert (AGF, BITE).

    Das ist etwa so, als würde man an der Tür zur Blutspende erstmal einen Schlag auf die Nase bekommen. Klar, daß immer weniger dazu Lust haben.

    Längst überfällig ist eine Gewaltenteilung, vor allem ist es absurd, daß Admins beurteilen dürfen, ob Admins sich falsch verhalten haben.

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