BMI Studie „Open Government Data Deutschland“ veröffentlicht

„Ökosytem der Offenheit“ – aus Open Gov Studie Dtl. (S.34)

 

In einer Kurz- und Langfassung veröffentlichte heute das Bundesinnenministerium (BMI) die Studie „Open Government Data Deutschland“ (35 bzw. 540 Seiten). Sie enthält Begriffserklärungen, Risiken und Chancen-Abwägungen, Ausführungen über technische Verfahren sowie rechtliche Belange, organisatorische Fragen (Bund-Länder-Kommunen) als auch die Behandlung der Kostenfrage. Daraus entwickelt die Studie gut 50 Handlungsempfehlungen.

Zu der konkreten Handlungsempfehlung, dass „Open“ auf jeden Fall eine hürdenfreie Weiterverwendung von Datensätze meinen sollte, reicht es aber nicht. Zwar wird im Abschnitt 3: Geldleistungsmodelle (S. 291ff.) festgestellt, dass eine Diskriminierungsfreiheit nur ohne Entgelte möglich wäre und dann dem Sinn von Open Data entspräche (S. 299). Dennoch werden sechs mögliche Entgeltmodelle beschrieben: Geldleistungsfreiheit, Datenflatratemodell, „Ein Dienst – ein Preis“, Katalogmodell, Kombimodell, Modell Wirtschaftsförderung.

Im Sinne von Open Data wurde die Studie selbst unter einer CC-by Lizenz und die „Datengrundlage“ der Studie in xls/ ods/csv-Formaten veröffentlicht. Es handelt sich dabei um eine Auflistung von knapp 1800 Datensätzen aus verschiedenen Verwaltungsbereichen, die darauf untersucht wurden, inwiefern sie für eine Veröffentlichung als Open Data in Frage kommen könnten. Neben Datensätzen bereits bestehender Open Data-Portale (z.B. aus Berlin und Bremen) scheint allerdings der Großteil aus dem Bestand statistischer Ämter zu stammen – brisantere Datensätze, etwa Vergabelisten von Ministerien oder das Handelsregister, wurden offenbar nicht untersucht.

Laut BMI soll die „Kernempfehlung“ der Studie aufgegriffen und der Prototyp des Portals, das frei zugängliche Daten von Behörden aller Verwaltungsebenen verlinken soll, bis Anfang 2013 realisiert werden.

Nicht ersichtlich ist, welche Rolle die vor dem Sommer durchgeführte „Online-Konsultation zu Open Government“ spielen kann, wenn in der vorliegenden Studie faktisch schon Nägel mit Köpfen gemacht werden und das BMI Handlungsempfehlungen der Studie folgt.

Dem Eindruck, dass es sich bei besagter Online-Konsultation eher um eine demokratische Feigenblattveranstaltung handelt, wird durch folgendes verstärkt: An der hier besprochene Studie wirkte neben Fraunhofer Fokus und dem Lorenz-von-Stein-Institut (Uni Kiel) die ÖPP Deutschland AG (Beratungsunternehmen für öffentliche Auftraggeber zur Förderung Öffentlich-Privater Partnerschaften) mit. Die taz hatte Anfang diesen Jahres unter dem Titel „Die Wirtschaftstrojaner“ beschrieben, wie eben diese ÖPP Deutschland AG – mehrheitlich im Staatsbesitz – vor allem im Sinne der Industrie agieren würde.

Dass der 40 Milliarden Euro „Wachstumsschub“ für die Wirtschaft, der laut EU-Kommission aus Open Data entspringen wird, Begehrlichkeiten weckt, ist klar. Aber genauso klar ist, dass das Einbeziehen von zivilgesellschaftlichen Gruppen (und oben genannter Konsultation) der Untersuchung gut getan hätte. Vielleicht wäre dann mehr herausgekommen, als die üblichen schwammigen Gemeinplätze über Partizipation. Beispielsweise etwas mehr Visionen darüber, wie eine digitale Gesellschaft sich schlauer und gerechter organisieren kann, falls mehr Prozesse in Echtzeit maschinenlesbar offenliegen.

So bleiben ganze zwei Seiten der über 500 Seiten-Studie für die Rolle des Bürgers, also des Souveräns, beim offenen Regierungshandeln übrig (S. 56f). Für neue Partizipationsmodelle, etwa Liquid Democracy, ist da kein Platz.

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Eine Ergänzung

  1. Wir reden hier nicht um eine Möglichkeit für computerunaffine Beamte, ihre Daten auf einfache Weise herauszugeben. Es geht auch nicht um Software, die vorhandene Daten so sortiert und aufbereitet, dass man mit einem Datenbankzugriff das Gewünschte hat. Ebenso wird sich die Veröffentlichung der Daten kaum ändern, denn die marode Infrastruktur bleibt.

    Anscheinend wurden die Ziele so weit heruntergeschraubt, dass lediglich eine billige Linksammlung zu Dokumenten erstellt werden soll. Gelbe Seiten von schlechten Behördenwebseiten. Weil die Ämter bestimmt den Suchindex füttern, wenn sie schon auf ihrer eigenen Seite keine Beschreibung eintragen. Wenn man also direkt beim Anbieter nichts findet und mit Google nichts findet, wird dieses Verzeichnis garantiert rettend die Suchbegriffe kennen.

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