Mehr Details zur ARD/ZDF-Onlinestudie 2010

Die ARD-ZDF-Onlinestudie ist die größte und renommierteste ihrer Art. Sie wird mit Sicherheit in vielen Publikationen, Diskussionen und Marktanalysen zitiert werden. Dadurch kommt ihr durchaus eine gewisse Bedeutung zu. Entgegen der in den letzten Jahren üblichen Praxis ist die Publikation zur Studie dieses Mal direkt als .pdf erhältlich. Ich habe sie mir mal durchgesehen, und die Hauptergebnisse zusammengefasst. Mit vielen Bildern und Tabellen gibt es das Ganze in der schon von Markus empfohlenen dazugehörigen Website.

‚Deutsche‘, deutschsprachige
Auffällig ist, dass die Stichprobe 2010 mit 1.806 Personen nur noch ein Bruchteil der der Stichprobe von 1997, die mit 15.431 Personen die bisher größte war, ausmacht – obwohl sie nun einen größeren Bevölkerungsanteil abdeckt: Diese Mal wurde nicht nur die deutsche, sondern die gesamte deutschsprachige Bevölkerung über 14 Jahren mit aufgenommen (ca. 70,57 Mio Menschen), weshalb gerade der interessante Vergleich mit den Vorjahren mit Vorsicht zu genießen sei.

…und Europa
Die 69,4% Internetnutzer positionieren Deutschland im europäischen oberen Mittelfeld. Spitzenreiter sind Schweden mit 89,0% und die Niederlande (86%). Die Ukraine mit 23% bildet das Schlusslicht. Im europäischen Durchschnitt liegt der Anteil der Internetnutzer bei 65%.

Web 2.0
Wenngleich wahrscheinlich der geringere Teil der Nutzer auch tatsächlich zur Wikipedia beiträgt, bleibt sie der meist genutzte Web2.0-Dienst, den 73% der Befragten zumindest gelegentlich, 31% mindestens wöchentlich nutzen. 2007 waren das noch 47 bzw. 20%.
Youtube konnte seinen prozentualen Anteil seit 2007 von 14% auf 30% regelmäßige Nutzer verdoppeln (34 vs. 58% gelegentliche Nutzung).
In privaten sozialen Netzwerken hatten 34% der Befragten ein eigenes Profil, das sie auch mindestens wöchentlich nutzen. Das waren 2007 noch 6%. Der „große Sprung“ fand dort schon 2008 statt (auf 18%), 2009 waren es schon 24%. Immerhin 5% der Befragten hatten auch ein eigenes Profil in beruflichen Netzwerken und Communities, was deren steigende Bedeutung aufzeigt (und vielleicht auch gewisse gesellschaftliche Veränderungen).
Blogs bleiben überraschenderweise seit 2007 konstant bei ihren 2-3%. Diese Zahl betrifft nicht diejenigen, die selbst eines haben, sondern diejenigen, die sie besuchen. Das mag einerseits daran liegen, dass der Begriff Blog viel mehr das Backend und die Art des Publizierens betrifft, als die Tatsache dass der Nutzer eine Website besucht und anschaut, ohne vielleicht zu wissen, dass es sich um ein Blog handelt. Andererseits hat die Facebook-Pinwand in Ihrer Verbreitung auch längst den (privaten) Blogs den Rang abgelaufen.
1% der Befragten (18 Personen) gaben an, Twitter wöchentlich zu nutzen, 2% (36 Personen) nutzen es seltener. Daraus würden dann stolze 2,1 Mio. Nutzer in Deutschland. Die Webevangelisten erfassen mit einer sehr viel geeigneteren Methode für April 2010 270.000 aktive deutschsprachige Twitterer.
Details hier.

Die Jugend
Für die 14-19jährigen wurde 2010 erstmals eine Abdeckung von 100% hinsichtlich zumindest gelegentlicher Internetnutzung festgestellt. Überhaupt ist der durchschnittliche Internetnutzer mit 39 Jahren gute 10 Jahre jünger als der durchschnittliche Fernseh-Konsument. Während 90% der unter 50-jährigen inzwischen online seien, sei bei den Älteren nur noch jeder zweite online. Bei den über 70-jährigen sind es immerhin noch 13,9%.

Die Frauen
Während 1997 Frauen noch gerade mal ein Viertel der Internetnutzer ausmachten, ist inzwischen nahezu eine Gleichverteilung erreicht. Männer sind dabei aber häufiger und länger im Internet, und stimmen der Aussage, dass das Internet für sie das wichtigste Medium sein, eher zu. So gut wie jede Online-Anwendung wird auch häufiger von Männern genutzt – außer den Online-Communities.

Mobiles Internet
Hier wird es interessant. Von allen Experten wird das mobile Internet als die Zukunft und der nächste große Markt bezeichnet. 7% der Befragten halten das mobile Internet inzwischen für unverzichtbar. 69% der Befragten haben schon davon gehört, dass es „Apps“ gibt, 6% nutzen sie tatsächlich, während 24% keine Ahnung haben, was das überhaupt ist. Vor einiger Zeit wurde die „Tageschau-App“ heiß gekocht. Sage und schreibe 2% der Befragten nutzen Apps von Radio- oder Fernsehsendern.

Was machen die da eigentlich im Internet?
Die Spitzenanwendungen bleiben Email (84%) und Suchmaschinen (83%). Online-Communities nutzen immerhin 32% der Befragten zumindest wöchentlich. Filesharing wird von 1% der Befragten regelmäßig betrieben. Wer aktuelle Schätzungen hat, wie viel Schaden diese (hochgerechnet) 705.700 Personen jährlich anrichten, der kann das ja mal „pro Kopf“ ausrechnen und in die Kommentare posten.
48% der im Netz verbrachten Zeit entfallen auf die verschiedenen Kommunikationsdienste (jeweils knapp ein Drittel davon machen soziale Netzwerke und Email aus). Dies sollte insbesondere für diejenigen interessant sein, die immer noch von einem uni-direktionalen Anbieter-zum-Konsumenten-Medium ausgehen, oder auf eine stärkere Überwachung des Internetverkehrs pochen.

Fernsehen, Radio, Internet: Wer nutzt wann was?
Hier zeigt sich das Internet als Universalmedium, das nahezu gleich über den ganzen Tag verteilt genutzt wird, während das Radio seinen Peak klar am Morgen, und das Fernsehen seinen peak zur klassischen „Prime Time“ hat.

Grafik von http://www.ard-zdf-onlinestudie.de/index.php?id=222
Grafik von http://www.ard-zdf-onlinestudie.de/index.php?id=222

Die durchschnittliche Verweildauer im Internet in Minuten/Tag hat sich seit 1998 fast verdoppelt (von 77 auf 136 Minuten / Tag).

Zum statistischen Hintergrund der Studie habe ich hier noch ein bisschen was geschrieben, das Interessierten veranschaulichen soll, wie belastbar die berichteten Ergebnisse sind.


Deine Spende für digitale Freiheitsrechte

Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

14 Ergänzungen

    1. @Jan Schmidt: Stimmt, eigentlich war gemeint, dass die Pressemitteilung immer schon vorab veröffentlicht wurde und die Media-Perspektiven mit detaillierteren Infos später im Sommer online kamen.

  1. Die geringe Zahl der Weblog-Leser überrascht mich.

    Weiß vielleicht jemand ob es in Amerika eine ähnliche Erhebung mit aktuellen Zahlen gibt?

    Mich würde mal der Vergleich interessieren.

  2. 1.806 Personen finde ich arg unterrepräsentiv. Da schafft ja jede zweite Umfrage für nen Master mehr.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.