Öffentlich-Rechtlich neu denken?

Thierry Chervel stellt im Wahlblog der Heinrich Böll Stiftung die Frage, ob man anstatt der Debatten rund um Kultursubventionen, der Diskussion um GEZ-Gebühren, dem Streit um staatlichen Artenschutz für die Presse und die Kulturflatrate nicht einfach das große Ganze diskutieren sollte: Den öffentlich-rechtlichen Anstalten eine Zukunft stiften.

Welche Partei wäre in diesem Wahlkampf, in dem nichts zur Debatte zu stehen scheint, bereit, hier einen wirklichen Bruch zu skizzieren? Zum Beispiel: die Anstalten aufzulösen und an ihre Stelle Stiftungen treten zu lassen, die einzelne Sende- oder Medienprojekte ausschreiben? Alle Medien wären dann frei, sich darauf zu bewerben, die neu gefassten Strukturen der Öffentlich-Rechtlichen ebenso wie Zeitungskonzerne oder Internetmedien. An die Stelle einsamer Intendanten-Entscheidungen, die von Rundfunkräten abgenickt werden, solange der Parteienproporz gewahrt ist, träte eine gesellschaftliche Diskussion über die Relevanz von Formaten und Inhalten. Vielleicht gäbe es dann auch witzige Ideen für Fernsehserien statt Alpenglühen und Volksmusik. Das knappe öffentliche Gut sind heute jedenfalls nicht mehr ein paar Frequenzen, zu deren Verwaltung fest installierte Institutionen notwendig sind. Das knappe Gut ist die Öffentlichkeit selbst.

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4 Ergänzungen

  1. „witzige Ideen für Fernsehserien statt Alpenglühen und Volksmusik“ befriedigen das bedürfnis der meisten zuschauer. aber halt nicht aller von uns. das öffentlich rechtliche soll eine grundbefriedigung in der medialen welt darstellen tut es aber nicht. und ich bezahle (sry ich müsste bezahlen) dafür. frechheit. weg damit.

  2. Na, das ist doch wenigstens mal ein Vorschlag. Mich wundert schon längst, warum das Publikum die Milliarden widerspruchslos abbuchen lässt und praktisch nur die Markt-Fundamentalisten gegen den öffentlichen Rundfunk predigen.

    Es bedarf doch keiner Drehbuch-Honorarskandale um zu erkennen, dass ARD/ZDF zu einem selbstgefälligen Haufen geworden sind, dem endlich auch mal von anderer Seite Feuer unterm Hintern gemacht werden muss. Das mit jeder Gebührenrunde vorgebrachte Jammern über steigenden Kosten ist so einfallslos wie peinlich. Einfach mal weniger teuren Trash produzieren? Ogott, die Quote. Nein, meine Lieben, die Quote wird trotzdem weiter bröckeln, da hilft kein noch so eifriges Nachäffen des RTL-Geplappers.

    Die von Herrn Chervel vorgeschlagene Debatte ist echt überfällig.

  3. Und was passiert, wenn keine der „freien“ Medien ein bestimmtes Angebot verbreiten möchte, weil es z.B. dem Besitzer der Firma nicht passt? Wer das nicht glaubt, möge sich bitte in Italien umsehen, da ist dies alltäglich.
    Genau hier setzt auch der Auftrag der Öffentlich-Rechtlichen ein, um auch abseits der „freien“ Medien und damit abseits des Mainstreams, z.T. auch abseits der Quote Programm zu produzieren. Wenn Volksmusik so viel Quote bringt, warum machen es die anderen nicht? Genau, weil Big Brother und ähnliche niveaulose Sendungen mehr bringen. Ich persönlich bin auch kein Fan der Voksmusik, aber es ist deutsches Kulturgut, das eine gewisse Öffentlichkeit verdient. Deshalb braucht es Sender, die sich zumindest um ein bisschen Kultur kümmern. Zugegebn, das ist auch bei den Öffentlich-Rechtlichen nicht immer der Fall, aber das Beispiel mit der Volksmusik oder z.B. der ZDFTheaterkanal zeigen, dass es zumindest Bemühungen in diese Richtung gibt. Desweiteren produziern die Öffentlich-Rechtlichen meiner Meinung nach das beste und niveauvollste Nachrichtenagebot im deutschen Fernsehen (und Rundfunk).
    Als letztes Punkt möchte ich noch kurz die Internet-Angebote der Öffentlich-Rechtlichen anführen, die zumindest im deutschsprachigem Raum ein Garant dafür sind, dass sich bei den anderen Online-Inhalten kein Bezahlsystem durchsetzen wird.

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