Netzneutralität – Was passiert in Deutschland?

Auch wenn in Deutschland viel über Netzneutralität diskutiert wird – in der Politik ist das Thema bisher kaum angekommen. Dabei ist es eigentlich eine Frage, die nur per Gesetz geregelt werden kann, also von der Politik. Wollen wir das Internet so „neutral“ behalten, wie es bisher war? Oder wollen wir zulassen, dass die Netzbetreiber bestimmte Daten priorisieren, verlangsamen oder sogar gar nicht weiterleiten?

Wenn ein Gesetz kommen würde, das die Netzneutralität festschreibt, dann würde das wahrscheinlich aus dem „EU-Kommissariat für Informationsgesellschaft und Medien“ kommen. Dieser Teil der EU-Kommission unter Führung von Viviane Reding kümmert sich unter anderem auch um die Regulierung von Telekommunikationsnetzen. Was die EU-Kommissarin Reding über das Thema „Net Neutrality“ denkt, ist also von höchster Bedeutung.

Auf einer Konferenz in Dänemark hat sie nun kürzlich eine Rede zum Thema „Net Neutrality“ gehalten. Dort hat sie zum ersten Mal angedeutet, wie die Kommission zu dem Thema steht. In ihrer Rede sagt sie ungefähr folgendes: Sie sieht keine Notwendigkeit dafür, die Netzneutralität gesetzlich zu verankern. Vielmehr meint sie, dass Eingriffe in die Netzneutralität unter Umständen zulässig sind – sie spricht insofern von „legitimen Praktiken des Netzwerkmanagements“. Außerdem verweist sie darauf, dass besonders diskriminierende Praktiken bereits jetzt gesetzlich verboten sind.

Für die Unterstützer der Netzneutralität kann dieser Ansatz der EU-Kommission als vorläufige Niederlage gelten. So lange Viviane Reding nicht glaubt, dass eine gesetzliche Verankerung der Netzneutralität notwendig ist, wird wohl auch nichts passieren.

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15 Ergänzungen

  1. Ich bin gerade in Kanada, wo es per Gesetz nur Internetanbieter mit mehrheitlich kanadischer Beteiligung gibt. Ausser den wenigen grossen Anbietern (Bell, Videotron, Rogers), die alle Traffic Shaping v.a. zum Ausbremsen von BitTorrent verwenden, gibt es noch einige lokale Anbieter. Der Haken ist jedoch, dass diese in der Regel ihre eigene Netzanbdinung nur von Bell anmieten, die jedoch mittlerweile auch fuer Firmenkunden Traffic Shaping einsetzen ( http://www.boingboing.net/2008/03/26/bell-canada-caught-t.html ). Faktisch kann man also im gesamten Land keinen Internetzugang mehr bekommen, der rund um die Uhr inhalteneutral Daten uebermittelt.
    Ich kann nur sagen: Wehret den Anfaengen. Wenn man einen diskriminierenden Internetzugang nutzt, merkt man ganz schnell was fuer eine Bedeutung dem Thema Neutralitaet beigemessen werden muss und wie sehr sich Netzneutralitaet auf den Alltag auswirkt.

  2. Ein bisschen scheint mir die ganze Diskussion um die Netzneutralität einer Phantom-Debatte zu ähneln.
    Ich meine letztendlich haben weder wir, noch die Amerikaner ein Problem mit „langsameren“ bzw. „schnellerem“ Internet. Netz-Priorisierungen werden seit vielen Jahren von den Netzbetreibern gefordert/angekündigt/angedroht. Und was ist seit dem passiert? Nichts. Abgesehen von der Tatsache, dass die Etablierung eines QoS-Internet um ein vielfaches teurer ist, als einfach mehr Bandbreite zu installieren, ist die Debatte von Seiten der großen Netzbetreiber einzig der Tatsache geschuldet, dass die Manager dieser Firmen neidisch auf die höheren Gewinne anderer IT-Firmen wie Google + Co. schauen und einfach auch mehr Gewinne haben wollen.
    Vielleicht sollte man erstmal abwarten, ob ein Netzbetreiber seinen Worten auch Taten folgen lässt und hohe Investitionen tätigt, von denen er überhaupt nicht weiß, ob der Markt sie annimmt. Es reicht ja nicht, dass ein „schnelleres“ Internet etabliert wird – Es muss ja auch von jemanden nachgefragt und bezahlt werden. Und bereits hier bezweifle ich das der Markt das annimmt.
    Die Peering-Streitereien zwischen Comcast, Level3 und Co., die zu zeitweisen Netzkappungen führten haben in meinen Augen eindrucksvoll gezeigt, was passiert, wenn ein Netzbetreiber meint er müsste seinen Datenzugang einschränken. Die Kunden dürften entweder für mehr Redundanz sorgen, oder gleich zu anderen Netzbetreibern wechseln. Dieses Konzept des Next Generation Networks ist in meinen Augen ein totaler Rohrkrepierer.

    Ich finde es aber umso erstaunlicher, dass viele Netzaktivisten in nahezu allen Bereichen von Internet, Recht, IT und Technologie staatliche Regulierung und Eingriffe (zu Recht) ablehnen, weil es mit der grenzüberschreitenden und freien Eigenart des Internets kollidiert – beim Thema Netzneutralität aber sogar präventiv, ohne Not, nach dem Staat rufen und Regulierung fordern. Das finde ich etwas widersprüchlich. Man sollte hier vielleicht mal die Kirche im Dorf lassen und abwarten wie es sich entwickelt. Der Staat sollte erst dann bemüht werden, wenn der Markt durch Kartelle oder sonstige Wettbewerbsverzerrungen darunter zu leiden droht. Hinzu kommt noch die äußerst radikale Anti-Diskriminierungspolitik der EU, die einem faktischen Zwei-Klassen-Internet wohl sofort den gar ausmachen würde…..

    1. Ich denke, das Thema „Netzneutralität“ hat bereits praktische Bedeutung und wird zukünftig noch mehr bekommen. Wenn man nämlich den Begriff weit auslegt, also als „jede Priorisierung oder Diskriminierung von Daten bei der Weiterleitung“, dann findet man recht viele Eingriffe. Z.B. die Sperrverfügung von Arcor gegen Youporn oder der Quality of Service-Dienst „T-Home“ der Deutschen Telekom. Ich weiß nicht, ob die Telekom derzeit technisch VoIP-Dienste über ihr UMTS-Netz blockiert – auch das wäre ein Eingriff in die NN.

      Ich denke, dass gerade in den NGNs die Motivation für Netzbetreiber steigt, die NN aufzugeben. Lesenswert dazu:
      http://www.de-bug.de/mag/index.php?ID=5713

      1. Eine solche Betrachtungsweise wird aber den unterschiedlichen Rechtskreisen nicht gerecht. Sicherlich kann man die Netzneutralität auch auf gerichtliche Sperrverfügungen und ähnliches ausweiten. Das trägt zur Problemlösung aber keineswegs bei. Selbst wenn man die Netzneutralität irgendwie gesetzlich verankern würde, so würde sie solche Gerichtsurteile wie Arcor-Youporn auch nicht verhindern, da diese auf ganz anderer juristischer Grundlage ergingen. (wettbewerbsrechtlich/UWG bzw. „Zensur“)
        Die technische Blockade von VoIP im UMTS-Netz hat wohl kaum etwas mit NN zu tun. Das Mobil“FUNK“-Netz der Telekom dürfte man kaum zum Internet dazu zählen. Es wird ja schließlich ausschließlich von T-Mobile genutzt. Und bei einer Priorisierung von T-Home sehe ich ehrlich gesagt auch kein Problem. Dort wird ja technisch nur die Mindestbandbreite garantiert, ohne die die Telekom ihr HD-TV gar nicht anbieten könnte. (Wer will schon für einen TV-Zugang zahlen, der ab und zu ruckelt oder sich ganz aufhängt)
        In nahezu allen Netzwerken wird VoIP mittlerweile priorisiert, da es sonst gegenüber dem POTS nicht konkurrenzfähig wäre – und niemand ruft deswegen nach einer „Netz(werk)neutralität“ in Firmennetzwerken u.ä….
        Mittlerweile hab ich ein bisschen das Gefühl, dass „Netzneutralität“ zu einer eigenen Ideologie geworden ist, die realistischen und praktischen Argumenten nicht mehr zugänglich ist.
        Die Netzneutralität sollte m.E. nach auf ein Verbot der direkten Diskriminierung beschränkt werden. Man sollte sich davor hüten Priorisierung + QoS zu verteufeln, wenn dadurch lediglich Bandbreiten garantiert werden sollen, die für bestimmte Anwendungen einfach notwendig sind (IPTV, VoIP). Was natürlich nicht toleriert werden sollte, ist künstliche Ausbremsung (Diskriminierung).
        Das ist bei den Filesharing-Drosseln in der Tat ein Problem. Diesem Problem wird man aber auch nicht mit mehr NN beikommen. Die Provider berufen sich im Zweifel dann darauf, dass sie illegalen Traffic beschränken. Die Lösung dieses Problems liegt vielmehr in der Entkriminalisierung von Filesharing. Wenn dieser Bereich nicht mehr ähnlich scharf wie der Terrorismus bekämpft wird, werden die AP mit diesem Traffic auch wieder anders umgehen.
        Und gegen überbordende staatliche Überwachung ist die NN das denkbar schwächste Schwert. Hier können nur die einzelnen Grundrechte Abhilfe schaffen.

        1. „Die Provider berufen sich im Zweifel dann darauf, dass sie illegalen Traffic beschränken. Die Lösung dieses Problems liegt vielmehr in der Entkriminalisierung von Filesharing.“

          Filesharing per se ist nicht illegal, deshalb muss hier nichts entkriminalisiert werden. Es ist lediglich eine billige Ausrede auf die die Provider aufsatteln.

          Ausserdem: Wenn einem Provider durch seine Kunden(!) zu viel Traffic entsteht, dann soll er ihn diesen in Rechnung stellen. Das ist transparent und fairer, als allen Kunden mehr oder weniger heimlich den Hahn fuer bestimmte Daten zuzudrehen. Die Grenze zur Diskriminierung unerwuenschter Dienste (z.B. VoIP fremder Anbieter im Telekomnetz) ist in diesem Fall naemlich sehr schnell ueberquert.

          1. „Filesharing per se ist nicht illegal, deshalb muss hier nichts entkriminalisiert werden. Es ist lediglich eine billige Ausrede auf die die Provider aufsatteln.“

            Abgesehen von der Tatsache, dass ein beträchtlicher Anteil des Bittorrent-Traffics Tauschbörsen geschuldet ist, herrscht in den Köpfen sämtlicher Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft längst die Vorstellung, dass Bittorrent terroristisches Teufelszeug ist, und man entsprechend damit umgehen kann – es beschränken.
            NN wird daran nichts ändern.

            In den Übrigen Fällen bringt NN praktisch rein gar nichts. Die Priorisierung einzelner Dienste geschieht derzeit gerade nicht zu Lasten anderer Übertragungen. Und die Bandbreiten werden ausgebaut, wenn die Nutzungen steigen.
            Wo kein Problem ist, gibt es keinen Bedarf für gesetzliche Regulierung. Außer man sieht NN als Ideologie der Gleichmacherei im Internet, die man aus Prinzip machen muss, weil es nicht ins politische Weltbild passt, dass einige Datenpakete besser gestellt werden als andere.

            Darüber hinaus konnte mir auch noch niemand beantworten, warum der Staat bei der NN streng und regulierend ins Internet eingreifen soll, während er beispielsweise bei Gesetzesverstößen (verbotene Inhalte[Zensur], 3-Strikes-out, Urheberrechtsverfolgungen, Hacker-Kriminalisierung und Überwachung) gefälligst nicht in die Strukturen des Internet eingreifen soll.
            Wer will, dass der Staat sich aus dem Internet möglichst raushalten soll (bei Überwachung und anderen „Regulierungsversuchen“), der kann nicht gleichzeitig nach dem Staat rufen, um ein Internet zu etablieren, dass den persönlichen Vorstellungen entspricht.

            Edit: Kommentar hierhin verschoben, war offenbar ein Fehler? Simon

          2. „Die Priorisierung einzelner Dienste geschieht derzeit gerade nicht zu Lasten anderer Übertragungen. Und die Bandbreiten werden ausgebaut, wenn die Nutzungen steigen.“

            Diese Aussage mag _noch_ fuer Europa zutreffen. Wenn man aber Entwicklungen in anderen Laendern beobachtet (siehe meinen Bericht oben), dann gehen Provider wohl viel eher den Weg unliebsame Dienste einzuschraenken als Kapazitaeten auszubauen (dies ist betriebswirtschaftlich gesehen kurzfristig auch die rationalste Entscheidung). Folglich braucht es Anreize die Diskriminierungs-Variante zu unterbinden. Dies waere moeglich durch
            a) Druck der Verbraucher (wie du selbst geschrieben hast)
            oder
            b) eine gesetzliche Regelung.

            Aus meiner Sicht wird es zum Punkt a) bestenfalls dann kommen, wenn das Kind schon einige Zeit im Brunnen ist. Weg b) geht hier den vorausschauenden Weg, der es erst gar nicht soweit kommen laesst. Bei Punkt a) ist ausserdem der Ausgang unklar, im Sinne dass es die Neutralitaet nicht zwingend wiederherstellt. Punkt b) garantiert die Neutralitaet.

            „Darüber hinaus konnte mir auch noch niemand beantworten, warum der Staat bei der NN streng und regulierend ins Internet eingreifen soll, während er beispielsweise bei Gesetzesverstößen […] gefälligst nicht in die Strukturen des Internet eingreifen soll.“

            Du verwechselst dies. Der Ansatz der Netzneutralitaet besteht gerade darin, dass _niemand_ in die uebertragenen Inhalte eingreift. Das stimmt 100% mit dem Ansatz ueberein, Menschen nicht diskriminierend aus dem Internet auszuschliessen, nur weil ein Urheberrechtsverwalter oder irgendjemand anders meint, dass eine Person moeglicherweise ein paar Musikdateien heruntergeladen hat.

        2. Das ist letztlich der Punkt: Bevor man sich darüber streitet, ob NN gut oder schlecht ist, muss man erst mal definieren, was NN eigentlich ist. Gehört QoS dazu? Gehören gerichtlich/staatlich verordnete Sperrungsverfügungen dazu? Gehören Frequenzräume etc. dazu, auf denen gar keine IP-Signale transportiert werden (z.B. die Telefonleitung, die sowohl herkömmliche Telefonie als auch IP-Daten überträgt)?

          Ich halte es für am passendsten, NN so zu definieren, dass „Net“ sämtliche Verbindungsdaten meint, die per Internet Protocol transportiert werden. (Das würde z.B. VoIP, das über drahtloses UMTS-Internet übertragen wird, mit einschließen.) Was „Neutrality“ angeht, so würde ich ich hier jede Art von Eingriff als erfasst ansehen, der bei der Weiterleitung der Daten ansetzt. Das würde auch Vollsperrungen von Webseiten, QoS oder Priorisierung von Daten umfassen.

          Ausgehend von dieser Definition kann man erst anfangen zu diskutieren, welche Eingriffe zulässig sein sollen und welche nicht. Ich persönlich denke, dass außer staatlich verordneten Eingriffen keine Verletzung der NN zulässig sein sollte. QoS sollte m.E. nur zulässig sein, wo es um Services außerhalb des WWW geht. Dass nämlich wieder jeder Netzbetreiber seinen eigenen kleinen „walled garden“ aufbaut, wie das z.B. AOL seinerzeit getan hat, muss meiner Meinung nach nicht sein.

          1. Der „walled Garden“ ist ein schönes Beispiel dafür, das sich so ein Geschäftsmodell, langfristig eben nicht durchsetzt. Nutzer haben sich für Alternativen zu AOL entschieden. Solange es Alternativen zu bestimmten restriktiveren Netzbetreibern gibt, verstehe ich nicht wieso man es diesen trotzdem verbieten möchte, solche (minderwertigen) Angebote anzubieten. Wenn man den Markt lässt, dann reguliert er sich selbst. Erst bei Marktversagen sind staatliche Eingriffe legitim. Von einem solchen Marktversagen gibt es aber überhaupt keine Spur; abgesehen von den Apologeten, die – übrigens genauso wie die Netzbetreiber-Lobbyisten – seit Jahren ein zwei-Klassen-Internet heraufbeschwören……

          2. „Erst bei Marktversagen sind staatliche Eingriffe legitim“

            Ohne gesetzliche Rahmenbedingungen gibt es keinen Markt. Und ein „freier“ (un- bzw. schlecht regulierter) Markt tendiert immer zum Monopol.

            So berechtigt die Kritik am Begriff „Netzneutralität“ auch ist, so ist es falsch zu glauben, dass staatliches Eingreifen erst dann stattfindet, wenn NN durchgesetzt werden soll. Die ganze bisherige Geschichte des Internets (und der Vorläufer) wird bestimmt von staatlichen Subventionen, Vorgaben, Gesetzen usw.

            Außerdem beeinflusst die Medienindustrie seit beinahe 20 Jahre ganz massiv die entsprechenden Gesetze (nicht nur im Bereich Copyright/Urheberrecht) in ihrem Sinne.

  3. „Dabei ist es eigentlich eine Frage, die nur per Gesetz geregelt werden kann, also von der Politik. „

    Warum kann das nur die Politik per Gesetz regeln? Könnte doch auch ein prima Verkaufsargument sein für Netzzugangsprodukte.

    1. Ja klar. Aber eine verbindliche Festschreibung der NN geht eben nur per Gesetz. Die meisten der Leute, die NN fordern, gehen ja auch davon aus, dass der Wettbewerb hier nicht ausreicht und der Staat deswegen zusätzlich eingreifen muss.

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