Rechnen mit ODF?!?

Seit einiger Zeit kursiert das Argument: Open Document Format ist nicht brauchbar, da es die Interoperabilität beim Rechnen vermissen lasse.

Gilt wirklich die Formel ODF + Rechnen = Unbrauchbar? Und was bedeutet überhaupt Rechnen im Zusammenhang von Dokumentenformaten? Bevor die Verwirrung größere Kreise zieht, ordnen wir erst einmal die Fakten.

Zuerst einmal kann ODF natürlich nicht rechnen. Was auch kein Problem darstellt, da ODF ein Dokumentenformat ist. Das Rechnen bezieht sich auf die Behandlung von Formeln, wie sie beispielsweise in Tabellen vorkommen. ODF kann für jede Tabellenzelle eine Formel speichern. Diese Formel wird dann beispielsweise von der Tabellenkalkulation automatisch berechnet. Soweit so gut, aber spannend ist das noch nicht.

Das Problem liegt in der Art, wie die Formeln in ODF gespeichert werden. ODF macht keine Aussagen in welchem Format diese Formeln gespeichert werden müssen. Und somit drohen uns nun babylonische Zustände beim Austauschen von ODF-Dokumenten?

In der Tat führt dies zu Problemen, wie folgender Artikel belegt.

Wurde bei ODF etwas Wichtiges vergessen zu standardisieren?

Ich bin der Meinung dies, ist nicht der Fall, denn:

  1. Formeln sind Benutzereingaben. Da Formeln durch den Benutzer eingegeben werden sind sie in der Anwenderdokumentation meist gut dokumentiert. Benutzereingaben sind Inhalte und Inhalte sollten nicht durch das Format reglementiert werden. Ich will die Freiheit haben beliebige Formeln einzugeben, wenn ich das will. Die Anwendung kann gar nicht wissen, was ich mit der Eingabe bezwecken will.
  2. Formeln hängen mit Macros zusammen. In vielen Anwendungen können durch Macros Formeln erstellt werden, um den Funktionsumfang der Anwendung zu erweitern. Macros sind ebenfalls nicht in ODF enthalten. Übrigens sind Macros auch nicht in Office Open XML von Microsoft standardisiert. Man wird in der Regel also nur Teilmengen der möglichen Formeln standardisieren können. Dies bedeutet aber auch, dass es immer Formeln geben wird, die nicht austauschbar sind.
  3. Lesen ist immer möglich. Wenn eine Formel nicht verstanden wird, werden Felder nicht aktualisiert. Der Zustand beim Speichern des Dokuments bleibt jedoch erhalten und somit ist das Lesen der Dokumente auf jeden Fall gesichert.
  4. Komplexität erschwert die Implementierung eines Standards. Dies gilt auch für ODF. ODF wird auf knapp 700 Seiten beschrieben, Office Open XML von Micosoft hat über 4000 Seiten Spezifikation. Was nutzt ein Standard, wenn er so komplex ist, dass er von niemanden komplett umgesetzt werden kann? Besser ist ein kleiner übersichtlicher Standard, der dann auf andere bestehende Standards referenziert. Dies begünstigt auch die Wiederverwendung von Softwarekomponenten, da in der Regel bestehende Software verendet werden kann.
  5. Auch Schriften sind Benutzereingaben. Was haben Schriften mit Formeln zu tun? Dieses Beispiel soll zeigen, dass es eine Vielzahl von vergleichbaren Fällen beim Austausch von Dokumenten gibt. Formeln ist ein Beispiel, Schriften ein anderes, denn bekomme ich ein Dokument, in dem Schriften referenziert werden, die ich nicht besitze, dann habe ich Probleme mit der Darstellung (in der Regel sind Probleme mit fehlenden Schriften jedoch einfacher zu lösen, als Probleme mit inkompatiblen Formeln) . Dank an Michael Kleinhenz, der mich auf diesen Punkt hingewiesen hat.

ODF kann also nicht rechnen — stimmt, stellt aber aus meiner Sicht kein großes Problem dar. Im Umfeld von ODF hat man dieses Problem allerdings erkannt und mit OpenFormula einen Standard für Formeln begonnen. Somit hat man nur Vorteile. ODF bleibt von unnötigem Ballast befreit und Anwendungsprogramme können mit OpenFormula einen separaten Standard umsetzten, um interoperabel zum Rest zu sein.

Deine Spende für digitale Freiheitsrechte

Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

2 Ergänzungen

  1. Bei Spiegel.de gabs gestern einen tendenzioesen (pro-MS, pro-Win) Artikel zu „Office Open XML“ und Open Document Format, wo auch Formeln erwaehnt werden. Und das waghalsige „Feature“, dass Word mit neuem Format 200+ Rahmenarten unterstuetzt. 8) Das braucht doch kein Mensch. Und als haette das etwas mit dem Format an sich zu tun statt mit dem Anwendungsprogramm, das irrsinnige 4000 Seiten Spezifikation implementiert haben muss.

    Auch die Bildunterschrift wirft BS und Office durcheinander, so wie auch irgendwie nur Microsoft zitiert wird. In diesem Klima, wo alles gleichgestampft wird, muesste man Die Argumente noch oefter wiederholen. Und etwa die Unabhaengigkeit von Plattform und Anwendung noch mehr herausstellen.

  2. Hallo,

    gestern war Firmenseitig! ich auf einer MS-Werbeveranstaltung zu Office 2007. Aussage zu Open XML:
    – MS verpflichtet sich KEINE Lizenzgebühren zu nehmen nie und nimmer – alles ist offen. – aber ja nicht die Verschlüsselungsoptionen….!!!;-)
    – Nur über O-XML können MS-Macros abwärtskompatibel übernommen werden, da O-XML ein ZIP-Container mit Ordner-Struktur ist. Ein Ordner halt für Macros.
    – Für ODF gebe es diese Möglichkeit nicht, da Macros in ODF überhaupt nicht vorgesehen seien!!?

    Bitte Was ist daran jetzt RICHTIG!??

    Mit Dank und Gruß

    fi

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.