Freie Software für Windows?

Soll die Open-Source-Community Zeit aufwenden, um ihre Programme auf Windows lauffähig zu bekommen?

Diese Frage teilt die Entwickler-Gemeinde in glühende Verfechter und in kompromisslose Gegner. Ich persönlich gehöre zu den glühenden Verfechtern, denn ich bin überzeugt, Freie Software auf Windows ist ein Gewinn für die jeweilige Software im speziellen und die Philosophie Freier Software im Allgemeinen. Dies führe ich auf folgende Punkte zurück:

  1. Die Software bekommt eine größere potenzielle Benutzerbasis. Wenn die Software gut ist, wird sich das zwangsläufig in einer größeren Nutzerbasis auswirken.
  2. Freie Software zeigt damit seine größere Flexibilität. Bei propritärer Software kann nur der Hersteller die Portierung auf ein neues Betriebssystem vornehmen. Bei Freie Software kann es prinzipiell jeder Nutzer, der die Fähigkeiten dazu besitzt. Somit sind Portierungen möglich, auch wenn der Hersteller dies nicht unterstützt.
  3. Freie Software für Windows erleichtert die Migration auf ein Freies Betriebssystem. Jede Freie Software, die ein Nutzer unter Windows verwendet nimmt ihm ein Stück Angst vor einem Wechsel.

Der letzte Punkt ist in meinen Augen strategisch gesehen das stärkste Argument für Freie Software unter Windows. Jeder Nutzer, der mit Thunderbird seine E-Mail liest, mit Firefox im Internet surft, mit VLC seine Videos ansieht, mit OpenOffice seine Texte schreibt, wird bei einem Betriebssystemwechsel weniger Umstellungsprobleme haben. Ein Betriebsystem wird damit endlich wieder auf die Funktion degradiert, die ihm angedacht ist: ein Programmstarter und Ressourcenverwalter!

Freie Software für Windows stellt somit einen großen Schritt zur Wahlfreiheit und zur Verringerung der Herstellerabhängigkeit dar. Außerdem werden damit effektiv Monopole in der IT verhindert, was der Innovation und dem Markt zu Gute kommt. Also eine reine Gewinn-Situation!

Somit ist die Diskussion zu diesem Thema hier eröffnet :) Wer Argumente dafür oder dagegen hat, der teile sie mir bitte in den Kommentaren mit.

12 Ergänzungen

  1. Ich kann da nur zustimmen. Ich selbst benutze meistens Windows, weil ich Linux,BSD etc. aus verschiedenen Gründen nicht besonders mag. Trotzdem setze ich gerne freie Software ein, z.B. den VLC Player und MPlayer, Apache, PHP, Wireshark, 7zip, gelegentlich auch den Firefox (normalerweise Opera) usw.
    Es ist sehr schade, dass es viel freie Software nur für die Unix-Varianten gibt und nicht für Windows. Außerdem erleichtert es natürlich Umsteigern den Übergang, wenn sie die Software z.T. schon kennen. Und der Firefox für Windows hat selbst den IE-Nutzern viel gebracht, denn jetzt baut Microsoft in den IE7 doch einige neue Features wie Tabbed Browsing usw. ein, weil die Nutzer sonst zum Firefox wechseln.

  2. dadurch, dass Linux starke Frameworks hat, die auch – mehr oder weniger gut – auf windows portiert sind ist es normalerweise kein Problem ein Programm auf beiden Plattformen laufen zu lassen.

    Wenn aber die Software von sehr spezifischen Features des OS gebrauch macht sehe ich es nicht ein, dass ganze noch unter erheblichem Zeitaufwand auf windows zu portieren. Oft haben die Entwickler auch gar kein Windows zur Hand, um es augiebig zu testen.

    Dazu kommt, dass wenn alle Software auf Windows portiert ist fehlt imho noch mehr der Anreiz umzusteigen. Weil als „Programmstarter und Ressourcenverwalter“ ist Windows auch nicht so schlecht, und wenn es dann auch noch alle Software dafür gibt ist es doch Quasi das perfekte System?! Nur um Werbung zu machen geht das zu weit. Da reicht auch eine Live-CD oder die mittlerweile frei erhältlichen Virtualisierungsprogramme.

  3. 1+2+3, stimme voll zu — und als jemand, der aus diesen oder jenen Gründen „gezwungen“[1] ist, unter Windows zu arbeiten, bin ich froh, trotzdem mit Firefox surfen zu können, ab und zu mal GIMP zu benutzen etc.

    [1] Teils weil mein Arbeitgeber ein Windows-Netzwerk betreibt, und mein Büroarbeitsplatzrechner deswegen unter Windows läuft, teils weil ich Software einsetze, die in der Qualität, in der ich sie nutzen möchte, nur unter Windows existiert (das betrifft sowohl Layoutprogramme als auch Spezialsoftware für die sozialwissenschaftliche Datenauswertung).

  4. Gute OpenSource-Software kann eh auf unterschiedlichen OS zum Laufen gebracht werden. Wenn es die Haupt-Entwickler nicht machen, kann jeder andere den Source anpassen. Viele GTK-Entwicklungen sind jetzt schon leicht auf Windows zu portieren, mit QT4 werden viele KDE-Programme folgen. Hinzu kommen noch immer besser definierte Schnittstellen wie bei FreeDesktop.org und solche Gedanken ob man sollte oder nicht, kann man vergessen. Weil: dann wird es einfach gemacht.

  5. Ein weiteres Argument für freie Software ist in meinen Augen, dass die großen Firmen stark in Zugzwang geraten, wenn kostenlose, weil freie, Software zur ernsthaften Konkurrenz wird. Manchen Firmen wie z.B. Adobe mangelt es an Konkurrenz und können daher für ihre Software völlig unangemessene Preise veranschlagen. Bei Microsoft hat man lange Zeit nur Augenwischerei betrieben und die Qualität der Software war zweitrangig so lange sie sich verkaufte. Jetzt wo der Internet Explorer, der Media Player usw. immer mehr ernstzunehmende Konkurrenz aus dem OpenSource-Bereich bekommen, meine ich bei Microsoft zu mindest teilweise Willen zur Besserung zu merken, z.B. in Form von Unterstützung des ODF-Formats.
    Der Software-Markt wird auf der kapitalistischen Seite von ein paar Konzernen fast monopolartig beherrscht, da ist eine gute Konkurrenz durch freie Software absolut nötig um mal wieder kundenfreundliche Bedingungen zu bewirken.

  6. Zu Punkt 1: Wer will, dass seine Software breite Verwendung findet, hat sie für alle verbreiteten Betriebssysteme anzubieten. Wer aus philosophischen oder politischen Gründen ein Betriebssystem boykottiert, wird mit dem Ergebnis der geringeren Verbreitung leben müssen und/oder können. Letztlich ist es eine Entscheidung des Programmierers und eine Diskussion Außenstehender ist müßig, da die Konsequenzen auf der Hand liegen.

    Die Entscheidung pro/contra Open Source orientiert sich am Leistungsumfang einerseits und am Preis-/Leistungsverhältns andererseits, wobei die Einarbeitungszeit einen nicht unerheblichen Anteil am »Preis« hat. Ich bin mündiger Kunde, kein Missionar — weswegen ich Punkt 3 nicht zustimme und mir die Lizenz oder Quelltextverfügbarkeit herzlich egal ist. Software ist ein Knecht, kein Götze.

  7. Punkt 3 ist IMO falsch formuliert. Es geht nicht um den Wechsel weg von XY hin zu ABC, sondern um die _freie_ Entscheidung für ein bestimmtes Betriebssystem. Wenn Software, wie typischerweise freie Software, auf einer breiten Anzahl von verschiedenartigen Systemen verfügbar und ohne Zusatzkosten für einen OS Wechsel belastet ist, kann sich der Benutzer erst wirklich frei für oder gegen ein OS entscheiden ohne sich gleichzeitig für oder gegen eine bestimmte Anwendung entscheiden zu müssen.

  8. Plattformübergreifende Verfügbarkeit freier Applikationen ermöglicht nicht nur die Migration von A nach B, sondern erleichtert in erster Linie den Parallelbetrieb. Obwohl ich seit Jahren intensiv mit Linux (derzeit Kubuntu) arbeite, gibt es Aufgaben, die sich aus meiner persönlichen Warte einfacher mit Windows lösen lassen. In meinem Fall sind das eine Reihe von Programmen, mit denen ich bereits seit vielen Jahren Musik mache und die mir daher ein hohes Maß an intuitivem Arbeiten ermöglichen. Trotzdem fehlen mir unter Windows an allen Ecken und Enden praktische Programme aus der Linuxwelt – und da ist auch Cygwin nur eine Hilfskrücke und keine umfassende Lösung. Ich halte Deinen Ansatz daher für gut und richtig, auch wenn es in meinen Augen weniger darum gehen sollte, Leute unbedingt auf freien Betriebssystemen umsteigen zu lassen.

  9. Ich bin generell für OS-Dinge, ganz einfach, weil mir diese Microsoft-Monopolstellung auf den Zeiger geht. Mit OS kommt die Innovation – ohne Firefox hätten wir heute immer noch kein Tabbed Browsing, weil MS es nicht nötig gehabt hätte, das zu entwickeln – benutzen doch schon alle unseren Browser, warum sollten wir den verbessern… und was wäre das für ein Verlust.

  10. Punkt 3 kann man auch andersrum sehen: Die Verfügbarkeit für Windows erleichtert den Nutzern, nicht zu wechseln.

    Marks Version mit der freien Entscheidung klingt wesentlich besser.

  11. Ich stimme explizit Punkt 3 zu. Die Wirkung die Firefox und Thunderbird auf die Wahrnehmung von Opensource in der breiten Masse hat, kann gar nicht überschätzt werden.
    Man denke nur, wo das alles hingeführt hätte, hätte es Firefox und Thunderbird nur auf Linux gegeben.

    Opportunitätskosten für einen Betriebssystemwechsel möglichst gering halten, is there it’s at. Wenn schon unbedingt philosophisch.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.