Gegeneinander statt miteinander

In der einen Ecke der Titelverteidiger aus Deutschland und in der anderen Ecke der Herausforderer aus den USA. Beide haben gut trainiert und bringen ein stattliches Kampfgewicht auf die Waage. Ladies and Gentlemen, let’s get ready to rumble.

So oder so ähnlich kommt es mir vor, wenn ich in den Nachrichten Meldungen über KDE und GNOME lese. Ich bekomme dabei den Eindruck, dass man dem Kampf mit dem wirklich starken Boxer (Marktanteil auf dem Desktop über 90%, wer kann das denn sein?) aus dem Weg geht und statt dessen, sich lieber gegenseitig die Köpfe einschlägt. Ist ja auch viel einfacher! Obwohl ich zugeben muss, dass die KDE-Entwickler hier sehr viel zurückhaltender agieren, sozusagen kooperativ. Vielleicht ist das unterschiedlichen Philosophien geschuldet, GNOME ist traditionell US-zentriert und tritt somit nach der vorherrschenden US-Marketingmeinung sehr aggressiv auf. KDE ist da eher ruhiger.

Nachdem in letzter Zeit vor allem GNOME Schlagzeilen durch Unterstützung von US-Softwarefirmen machte, bekam
in der letzten Woche dieser Kampf durch eine Stellungnahme von Linus Torvalds für KDE neue Munition:

I personally just encourage people to switch to KDE.

This „users are idiots, and are confused by functionality“ mentality of
Gnome is a disease. If you think your users are idiots, only idiots will
use it. I don’t use Gnome, because in striving to be simple, it has long
since reached the point where it simply doesn’t do what I need it to do.

Please, just tell people to use KDE.

Ich muss sagen: Er hat recht! Jedenfalls für den Nutzer Linus Torvalds und viele weitere Nutzer weltweit, mich eingeschlossen. Linus hat hier seine Meinung kundgetan und man muss ihm hier das selbe Recht auf Meinungsäußerung zugestehen, das führende GNOME-Entwicklern gerne auch für sich in Anspruch nehmen.

Ich erinnere mich noch gut an den Linux-Kongress 1998 in Köln. Miguel de Icaza hielt damals eine flammende Rede für GNOME, in dem er hart KDE angriff. Vor allem seine Argumente (real hacker don’t like c++, i don’t like c++. that’s the reason we choose plain c) waren spitz und pointiert, nur überzeugen konnten sie mich nicht. Besonders die angebliche Lizenzproblematik von KDE habe ich nie verstanden, vorallem nicht seit die qt-Library unter der GPL lizenziert wird. Verwundert lese ich in letzter Zeit vermehrt in Foren, dass dies genau ein Problem von KDE ist, denn Qt ist unter der GPL lizenziert und könne somit nicht als Grundlage von proprietárer Software benutzt werden, was den Gedanken Freier Software nicht so gut entsprechen würde wie die Lizenzen von GNOME.

Ich stelle hier mal die provokante Gegenthese auf: „Die Lizenz von KDE/Qt transportiert den Gedanken Freier Software besser als die Lizenzen von GNOME!“

Wie komme ich zu dieser These und vorallem wie beweise kann man sie belegen? Zuerst muss festgehalten werden, dass sowohl KDE als auch GNOME unter Freien Lizenzen stehen. Beide also Freie Software sind. Auf dieser Ebene gibt es also keine Unterschiede in Bezug auf Freie Software. Was ist nun mit proprietärer Software auf Basis von KDE und GNOME. Auch hier die ernüchternde Feststellung: Proprietäre Produkte auf Basis von KDE und GNOME sind möglich. Auch hier keinen Unterschied? Doch GNOME erlaubt parasitäre proprietäre Programme, KDE nicht. Ist das ein Problem? Meiner Meinung nach schon, aber in erster Linie für GNOME und in zweiter Linie für Freie Software!

Parasitäre proprietäre Programme sind Programme, die keine Freie Software sind, aber Freie Software-Projekte parasitär ausnutzen, also von den Programmierleistungen dieser Projekte partizipieren, ohne etwas zurückzugeben. KDE erlaubt ebenfalls die Erstellung von proprietären KDE-Programmen, allerdings mit einem gewaltigen Unterschied. Jedes proprietäre Programm braucht eine kommerzielle Lizenz der Qt-Library. Das ist fair und ganz im Sinne Freier Software. Wenn jemand eine proprietäre Software entwickelt, dann soll er bitte schön gar nicht, oder nur mit Geld von Freier Software partizipieren dürfen. Und das eingenomme Geld kann benutzt werden Freie Software weiterzuentwickeln. Sowas kann es nicht geben? KDE/Qt und MySQL zeigen, dass das zurzeit so klappt.

Somit komme ich wieder zu meiner These: „KDE ist besser für Freie Software als GNOME, da es parasitäre proprietäre Software wirkungsvoll verhindert.“

Obwohl ich in eigentlich überzeugt bin, dass es besser wäre miteinder für Freie Software zu kämpfen, als gegeneinander.

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12 Ergänzungen

  1. Ich kann dem nur zustimmen. Ich selber habe, als mein PC kaputt ging und ich auf einem alten Laptop notgedrungen Ubuntu installiert habe (da ich das eh mal testen wollte), mal Gnome getestet. Meine Erfahrungen habe ich in einem kleinen Erfahrungsbericht festgehalten, und dort auch versucht zu erklären, wieso ich weiterhin bei KDE bleibe und aus meinem Ubuntu ein Kubuntu gemacht habe. Auch die schwache Konfigurierbarkeit war ein Faktor. Unter KDE nutze ich zwar auch nur einen Bruchteil der vielen Feature, die man einstellen kann. Aber wenn ich sie mal brauchen würde, dann wären sie auch da und konfigurierbar.

    Ich kann die Begeisterung für Gnome als DE nicht nachvollziehen. Und das Linus immer für paar deftige Sprüche gut ist, daran sollte man sich schon lange gewöhnt haben ;-)

  2. Hm, Linus hält der Gnome-Gemeinde Ignoranz vor. Ich hatte mit den Jungs von KDE in einer frühen Version mal einen netten Disput – und dabei habe ich dann festgestellt, daß ich einfach nur ignoriert wurde. Ok, swapped to Gnome.

    Für mich ist KDE gestorben. Eine „Freiheit“, die ein Hintertürchen für eine „Unfreiheit“ offen läßt, kann ich nicht für toll bezeichnen. Es ist richtig, daß man sich ein wirklich offenes System erzwingt – genauso, wie der Kernel für proprietäre Hersteller böse Flags unterbringt, die die proprietäre Streu vom freien Weizen trennt. Wem das nicht gefällt, der kann ja gerne was anderes kaufen. Dann gibt es auch die ach so tollen 3D-Beschleuniger, die meine Textconsole cooler aussehen lassen.

    Und im Übrigen: VI ist besser als Emacs! Oder umgekehrt – ist mir egal.

  3. ..ich bin daheim GNOME-Nutzer, eher aus Nüchternheit – ist nicht so bunt wie KDE und schont die Augen. Auf meinem ollen Duron 900 ist es auch gefühltermaßen schneller. Im Büro hab ich eine dickere Maschine mit KDE 3.4.1 oder sowas, auch nett. Funktionieren beide gut; die Debatten sind mir ziemlich egal. Ich kann mit beiden effizient arbeiten.
    Oli hat recht, frei sind beide. KDE aber sieht einer breit bekannten unfreien Oberfläche ähnlicher, auch das mag zur relativen Beliebtheit beitragen. Auch finde ich an sich nicht schlechter als die Überheblichkeit, mit der alle Lager zuweilen auftreten können. Sollen sie nur machen, vergrätzt wird dadurch hoffentlich niemand.
    Und vielleicht ändert sich das, wenn KDE und GNOME ab jetzt zusammenarbeiten wollen. Portland wird es zumindest für die Anwendungsseite einfacher machen, auf beiden zu laufen. Damit ist teilweise dem genüge getan, „dass es besser wäre miteinder für Freie Software zu kämpfen, als gegeneinander“. *unterschreib*

  4. Hallo cy8aer,

    Du hast geschrieben:

    Eine “Freiheit”, die ein Hintertürchen für eine “Unfreiheit” offen läßt, kann ich nicht für toll bezeichnen.

    Das ist richtig, sehe ich genauso. Das ist der Grund, warum ich die GPL besser finde als die LGPL. Die GPL hat keine Hintertürchen, die LGPL erlaubt das Verwenden der Library in proprietärer Software.

    Die Lizenz von GNOME erlaubt Freie Software (die GNOME-Libraries) in unfreie Software zu benutzen und zwar kostenlos. Bei KDE (KDE steht wie GNOME unter der LGPL) muss wegen der unter der GPL/QPL stehenden Library Qt wenigstens Geld bezahlt werden, wenn ein unfreies Programm KDE benutzt. Das ist fair und bringt Trolltech Einnahmen, so dass sie an der Qt-Library weiterentwickeln können. Außerdem bezahlt Trolltech KDE-Entwickler. Das ist meines Erachtens ein Gewinn für Freie Software.

  5. Ich bin ebenfalls eher GNOME als KDE nutzer. GNOME wirkt irgendwie schlanker, es braucht zwar mehr RAM, isst im Zweifelsfall mehr CPU-Zyklen, aber es sieht schlanker aus. Mich stören die fehlenden Funktionen auch manchmal aber hat ja immer einen Terminal Emulator zur Hand…
    Was mal eine Idee wäre wäre die erweiterten Funktionen hinter nem Button zu verstecken. So fühlen sich die Unsicheren nicht überfordert und die Erfahrenen können das auch Ausnutzen.
    Dass dies nicht gemacht wird lässt sich nur durch Fundamentalismus begründen…

  6. Das ist ein interessanter Aspekt, so hab ich die Sache bislang noch nicht betrachtet. Tendenziell neige ich selbst auch eher zu GNOME, weil die GUI ein wenig aufgeräumter zu sein scheint und mir das Dingens an vielen Punkten einfach besser liegt als die KDE. Die Perspektive der Lizenzen ist definitiv ein Argument für KDE.

  7. Die Differenzierung nach LGPL und GPL war mir so im Detail unbekannt; jetzt kann ich zumindest ideell auch die Position von Oliver und cy8aer stützen. :)

    Zusammen mit Andreas‘ Kommentar zu xfce stellt sich die Frage, ob nicht mal jemand so einen mittelgroß angelegten Vergleich der ‚Lizenzen per Desktopumgebung‘ anstellen will – welche Libraries, welche Bedingungen, welche Lizenzen gelten für wen… oder gibts das schon irgendwo?

  8. geschichtlich betrachtet muss man bis 2001 GNOME den vorrang geben, da erst zu diesem zeitpunkt die qt-bibliotheken unter offenen lizenzen veröffentlich wurden. GNOME ist es, nach seiner gründung 1997 gelungen, so viel druck aufzubauen, dass nun auch KDE frei ist. ich stimmte dem artikel daher insoweit zu, dass es sinnvoller ist seine „aggressionen“ auf unfreie software zu lenken. die KDE-nutzer können ja einsehen, dass sie die freiheit ihrere software GNOME verdanken und ansonsten kann doch jeder nutzern, was sie/er möchte, oder? gibt für beide systeme auch objektive gründe die dafür sprechen, nicht nur emotionale.

  9. Im Grunde ist es völlig egal, welchen der beiden Desktops man vom Standpunkt des Endanwenders nutzt – sie sind frei. Ich fahre Gnome und mixe da alle Hammerapplikationen zusammen (Firefox – GTK, Amarok – KDE, K3b – KDE, kino – GTK, Thunderbird – GTK, VMware – bah unfrei – GTK, PSI – KDE). Das würde auch auf dem KDE alles laufen. Ich mag halt meine Kombination – andere, die das sehen, werden grün im Gesicht – egal, ich drehe auch manchmal Schrauben nicht mit dem Akkuschrauber in die Wand sondern verwende einen Schraubendreher.

    Mein Desktop sieht garantiert nicht so aus, wie der Default mal ausgesehen hat. Wenn ich nicht genug Speicher habe, nehme ich xfce4 (GTK), fvwm oder einfach nur ne Textconsole oder screen. Mir gefällt der Gnome besser als KDE, genau, wie Linux mir besser gefällt als Windows, Atari ST besser als Amiga, grüne Gummibärchen besser als rote. Das ist einfach dieser dumme holy war.

    Wir sollten eines bedenken: Spielereien, wie die LGPL oder auch das QT-Konstrukt sind mehr oder weniger fiese Kompromisse. Vielleicht haben gerade derartige Kompromisse freie Systeme dahin gebracht, wo sie heute sind – weil vielleicht auch professionelles Know-How eingeflossen ist (ich erinnere hier an sowas wie z. B. 770), vielleicht auch nicht. Derartige Kompromisse sollten nur nicht in die falsche (unfreie) Richtung kippen. Und ich glaube nicht, daß Holy Wars zu diesem Problem etwas Positives beitragen.

  10. Ja, wie wärs mit xfce !

    newthinking’s eigene median ubuntu (dirty rotten preseed hack with license issues -so-that-you-may never see it online) habe ich grundsätzlich ohne KDE und ohne GNOME wegen DESIGN issues (genau die sogenannten vorteilhaften) mit xfce gestaltet …

    fehlt wass? hmmm. habe 2 schöne schnelle FM, desktop (rox), automounts die einfach funktionieren (usb, camera, etc, etc), samba mounts, cups geht problemlos …

    Und XFCE is SCHNELL … yipeeeeeeee!

    blue in berlin

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.