Wegen einer NachrichtenmeldungStaatsanwaltschaft klagt Freiburger Journalisten an

Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe hat Anklage gegen einen Redakteur von „Radio Dreyeckland“ erhoben. Er hat eine Meldung verfasst, in der das Archiv des verbotenen Portals Linksunten Indymedia verlinkt war. Der Journalist sieht in der Anklage einen „skandalösen Eingriff in die Pressefreiheit“.

Das Logo von Radio Dreyeckland. Die URL von Linksunten Indymedia. Ein Mauszeiger schwebt über der URL. Ein verschwommen sichtbarer Polizeibeamter von hinten.
Polizei-Beamter bei einer Demo gegen das Verbot von Linksunten Indymedia in Berlin, 2017

Mit einer URL kann man im Netz einfach und schnell auf eine Website zugreifen – aber man kann sich damit auch eine Anklage einfangen, wie der Fall von Radio Dreyeckland in Freiburg zeigt. Alles dreht sich um einen Link auf das Archiv des verbotenen Portals linksunten.indymedia.org. Die zuständige Staatsanwaltschaft Karlsruhe wirft dem freien Radiosender nicht bloß vor, dieses Archiv verlinkt zu haben, sondern mit der dazugehörigen Nachrichtenmeldung auch eine Straftat nach Paragraf 85 begangen zu haben.

Einfach ausgedrückt verbietet dieser Paragraf, verbotene Vereinigungen zu unterstützen. Genau das soll durch die betreffende Nachrichten-Meldung geschehen sein, wie die Staatsanwaltschaft argumentiert. Es drohen Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahre oder Geldstrafe.

Der Verfasser der Meldung, der Journalist Fabian Kienert, kritisiert die Anklage in einem Bericht auf Radio Dreyeckland als „skandalösen Eingriff in die Pressefreiheit“. Im Vorfeld der Anklage gab es zudem Razzien, unter anderem in der Redaktion von Radio Dreyeckland und in der Privatwohnung des Redakteurs. Obwohl die Meldung mit Kienerts Kürzel „FK“ gekennzeichnet war, sollten die Razzien mehr über die Hintergründe aufklären. Als „absurd“ und „völlig“ unverhältnismäßig bezeichnet das der Radiosender, der nun auch rechtlich gegen die Durchsuchungsbeschlüsse vorgeht.

Linksunten Indymedia war bis zum Verbot im Jahr 2017 ein wichtiges Informationsportal für Teile der linken Szene und eine Plattform für unter anderem Demonstrationsaufrufe und Bekennerschreiben. Das Innenministerium stufte die Seite damals allerdings nicht als Medium ein, sondern als Verein, um sie daraufhin mithilfe des Vereinsgesetzes zu verbieten. Schon damals verurteilte das etwa „Reporter ohne Grenzen“ als Angriff auf die Pressefreiheit. Vergangenes Jahr wurden Ermittlungsverfahren gegen Linksunten Indymedia eingestellt; das heißt, der Vorwurf der Bildung einer kriminellen Vereinigung ist viele Jahre später geplatzt.

„Überragende Bedeutung“ der Pressefreiheit

Bei der jüngst erhobenen Anklage gegen den Journalisten von Radio Dreyeckland geht es nicht nur um das Schicksal eines regionalen Radiosenders, sondern auch um den Stellenwert der Pressefreiheit in Deutschland. Jüngst ist Deutschland auf der Rangliste der Pressefreiheit im weltweiten Ranking weiter zurückgerutscht.

Die Bedeutsamkeit des Falls ist der zuständigen Staatsanwaltschaft offenbar bewusst. „Unstreitig kommt der Meinungs- und Pressefreiheit eine überragende Bedeutung zu“, schreibt etwa Staatsanwalt und Sprecher Matthias Hörster auf Anfrage. Dennoch sei eine Strafbarkeit gegeben, heißt es in der Antwort auf die Presseanfrage. Der Vorwurf ist die „gezielte Förderung“ der verbotenen Vereinstätigkeit. Wohlgemerkt: Von Linksunten Indymedia existiert seit Jahren nur ein Archiv.

Auch im Wortlaut der Nachrichtenmeldung kann Radio Dreyeckland keine Förderung erkennen, wie aus dem jüngsten Bericht des Senders hervorgeht. Die strittige Meldung sei „sachlich“ und „kurz“, heißt es dort. Radio Dreyeckland erinnert vor dem Hintergrund der aktuellen Anklage an die Vorgeschichte: Es war auch die Staatsanwaltschaft Karlsruhe, die Linksunten Indymedia selbst im Visier hatte – bis das Verfahren aber 2022 ohne Erfolg eingestellt wurde. Nun wolle die Staatsanwaltschaft „auch noch mit dem Mittel des Strafrechts bestimmen, wie über dieses Verfahren zu berichten ist“. Die Behörde sei „offensichtlich auf dem Kriegsfuß mit der Presse- und Medienfreiheit“, heißt es zudem in einem Audio-Beitrag des Senders.

Meldung im Nachrichtenstil

Wer möchte, kann sich selbst ein Bild von der Radio-Dreyeckland-Meldung machen, die der Staatsanwaltschaft ein Dorn im Auge ist. Der aus knapp 150 Wörtern bestehende Artikel ist nach wie vor online. Im Nachrichtenstil heißt es darin unter anderem:

Linke Medienarbeit ist nicht kriminell! Ermittlungsverfahren nach Indymedia Linksunten Verbot wegen „Bildung krimineller Vereinigung“ eingestellt […] „Wir sind alle linksunten“ – ob dem so ist, war auch ein Streitpunkt auf der Podiumsdiskussion über das Verbot der Internetplattform. […] Im Internet findet sich linksunten.indymedia.org als Archivseite.

Zunächst gab es nicht nur ein Verfahren gegen Kienert als Verfasser der Meldung, sondern auch gegen den „Verantwortlichen im Sinne des Presserechts“, Andreas Reimann. Eine solche Person müssen Publikationen in Deutschland benennen. Wenn es mal juristisch Ärger gibt, ist die Person üblicherweise die erste Anlaufstelle. Zumindest das Verfahren gegen Reimann wurde laut Radio Dreyeckland inzwischen eingestellt.

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8 Ergänzungen

  1. Gegen den Durchsuchungsbeschluss zu klagen bringt im besten Fall die Feststellung, dass das nicht hätte passieren dürfen und man nach einer gezwungenen Entschuldigung weitermacht wie bisher.
    Hier sollte der Staatsanwalt, der Richter, welcher die Durchsuchungsbeschlüsse unterzeichnet hat, und sämtliche Polizisten die an der Vollstreckung teilgenommen haben gemäß §339, §340 (Weil bei Hausdurchsuchungen mit gewaltsamer Durchsetzung gegen den Einwohner, welcher seine Wohnung rechtmäßig verteidigt, zu rechnen ist.), §344 und/oder §345 StGB angezeigt werden, damit die Täter auch mal mit persönlichen Konsequenzen rechnen müssen. (Nicht das irgendwas passieren wird, die Staatsanwaltschaft ermittelt schließlich nicht gegen sich selbst oder ihre Mittäter.)

  2. Öhm, also der Rundfunksender wurde „freigesprochen“, also klagt man den Artikelschreiber an?

    Ist das so verrückt? Es werden schon verrückte Gesetze gemacht, aber was wenn bestehende jetzt auch noch verrückt ausgelegt werden?

    1. Der Rundfunksender wurde nicht freigesprochen, da man in Deutschland nur Menschen strafrechtlich verfolgen kann. Das Verfahren gegen den „V.i.S.d.P.“ („Verantwortlicher im Sinne des Presserechts“) des Senders wurde eingestellt (nicht „freigesprochen“, es kam nämlich nicht zur Anklage).
      Ich würde annehmen, dass man zuerst auch ein Verfahren gegen den V.i.S.d.P eröffnet hat, für den Fall, dass man der Verfasser des Artikels nicht ermitteln kann. Als dieser dann feststand wurde das Verfahren gegen den V.i.S.d.P. eingestellt.

      1. „Natürlich…“
        Wobei man jetzt Anklage/Freispruch durch Krallen ersetzen könnte, und dennoch mit „verrückt“ sitzen bleibt.
        Die QA läuft in der Demokratie gerade mal nicht so…

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