Kabinett beschließt Eckpunktepapier für Netz-Zensur

Das Bundeskabinett hat heute ein „Eckpunktepapier“ für die Netz-Zensur Bestrebungen beschlossen. Dies ist kein Gesetz und Eckpunktepapier klingt wie ein Letter of Interest (LOI). Mich würde ja das Papier im Ganzen interessieren. Gibt es das irgendwo online oder kann uns das jemand schicken? Danke für die Zusendung: Hier ist das Papier (In einer Version vom 23.3.)

Das sind die Eckpunkte:

Wesentliche Inhalte des geplanten Gesetzes sind:

• Ziel ist es, auf rechtsstaatlicher Grundlage alle deutschen Zugangsanbieter zur Erschwerung des Zugangs zu Inhalten im Internet zu verpflichten, die kinderpornographisches Material im Sinne des § 184 b StGB darstellen oder darauf verweisen.
• Im Rahmen der angestrebten gesetzlichen Regelung sind auch Fragen bezüglich des Schutzes der Grundrechte, insbesondere des Fernmeldegeheimnisses, der Berufsfreiheit und des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung zu klären.
• Die Liste der zu sperrenden Adressen wird durch eine staatliche Stelle bereitgestellt und verantwortet. Dabei wird sichergestellt, dass keine legalen Angebote auf die Liste gelangen und ein effektiver Rechtsschutz möglich ist.
• In Übereinstimmung mit den europäischen Vorgaben werden die Zugangsanbieter nicht verpflichtet, selbst nach illegalen kinderpornographischen Inhalten zu forschen.
• Soweit die Zugangsanbieter sich bei der Durchführung der Maßnahmen an die rechtlichen Vorgaben halten, wird sichergestellt, dass Haftungsansprüche wirtschaftlich nicht von ihnen zu tragen sind.
• Aus präventiven Gründen wird den Nutzern gegenüber klargestellt, warum der Zugang zur Internetseite verwehrt wird. Gleichzeitig wird ein Informations- und Beschwerdeweg bei der staatlichen Stelle eröffnet, die für die Listenerstellung verantwortlich ist. Dies wird durch geeignete Maßnahmen wie etwa eine Verpflichtung der Zugangsanbieter, auf eine ggf. von ihnen betriebene Stopp-Seite umzuleiten, umgesetzt werden.
• Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens werden die Eignung und Effizienz der unterschiedlichen technischen Sperrmaßnahmen zu erörtern sein.

Hier gibts auch Fragen und Antworten des Familienministeriums zum Thema.

Das Virtuelle Datenschutzzentrum berichtet darüber: Kabinett beschließt Eckpunktepapier für Netz-Zensur.

Das Papier ist sehr dünn und legt nur Eckpunkte für eine geplante gesetzliche Regelung fest und ist noch kein Gesetzentwurf. „Die Bundesregierung betont mit diesen Eckpunkten ihre Entschlossenheit, zügig ein Gesetzgebungsverfahren zu initiieren“, heißt es dort. In den parallel laufenden Verhandlungen mit den Providern hatten diese angemahnt, dass eine gesetzliche Regelung notwendig sei. Familienministerin Ursula von der Leyen wollte die Sperren zunächst über eine Vereinbarung des Bundes mit den Providern einführen, eine Lösung, die von vielen Experten als rechtlich äußerst zweifelhaft angesehen wird. Nach dem Eckpunktepapier soll die Sperrung so laufen: Eine staatliche Stelle, im Gespräch ist das BKA, betreibt eine Liste mit gesperrten Seiten, die dann wiederum den Providern übermittelt wird, die dann Aufrufe entsprechender Seiten sperren; die Nutzer werden auf eine „Stopp-Seite“ weitergeleitet, die Gründe für die Sperrung nennen soll. Die Provider sollen gegen Klagen ihrer Kunden, wenn aus Versehen legale Seiten gesperrt werden, immun sein.

Es gibt eine Pressemeldung des FITUG e.V. zu Internet-Sperren:

Letztendlich geht es nicht um Kinderpornographie. Es geht um die Etablierung eines umfangreichen Filter-Systems für beliebige Inhalte. Weitergehende Sperren wurden schon ins Gespräch gebracht, beispielsweise für (vermeintliche und tatsächliche) Urheberrechtsverletzungen, ausländische Anbieter von Online-Glücksspiel, islamistische Propaganda, jugendgefährdende Inhalte sowie Verletzungen von Marken- und Persönlichkeitsrechten. Die Vergangenheit zeigt, dass das Missbrauchspotential nicht nur groß ist sondern auch genutzt wird. Kinderpornographie wird als Vorwand benutzt, um Filtersysteme politisch durchzusetzen. In Deutschland hat aus gutem Grund die Rezipientenfreiheit Verfassungsrang (Artikel 5 Absatz 1 Grundgesetz). Dies bedeutet, dass sich jeder aus allen öffentlichen Quellen ungehindert unterrichten darf. Wir dürfen Grundrechte nicht aufgeben für ein bisschen Wahlkampfgetöse und unwirksame Sperren gegen Webseiten, die den Straftatbestand der Kinderpornografie in den meisten Fällen nicht erfüllen – wie die Erfahrung mit den Sperrlisten betroffener Länder zeigt.

Heise berichtet, dass nun wohl mehr Provider umgefallen sind und bei der Netz-Zensur mitspielen wollen. Namentlich sind dies:

So seien die Deutsche Telekom, Vodafone/Arcor, Hansenet/Alice, O2 und Kabel Deutschland nun bereit, die Selbstverpflichtung abzugeben. Die aus den Verhandlungen ausgestiegenen Zugangsanbieter Freenet, Versatel und United Internet (1&1) würden im zweiten Schritt mit dem angestrebten Gesetz gezwungen, „Seiten, die Vergewaltigungen zeigen, zu sperren“.

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34 Ergänzungen

  1. „…Schutz der Opfer…“

    Was für ein verlogenes Heuchlerpack.

    Der absolute Wahnsinn, was aktuell in unserem Land abgeht.
    Wenn mir jemand vor einigen Jahren geagt hätte, das es in naher Zukunft soweit kommen wird, ich hätte ihn für verrückt erklärt.

    Ein Hoch auf die Leyen-Darstellerin!

  2. Sie geben es ja selbst zu, das sie den Zugang nur erschweren können und das das ganze nur eine Signalwirkung hat… So ein blödsinn, die sollen lieber richtige Politik machen, als nur Signale zu setzen…..

    „Eine Ausweitung auf andere Bereiche ist nicht beabsichtigt“ …. war in Australien auch nicht beabsichtigt oder was???

    Bis neulich
    Frankie

  3. Und was kann der mündige Bürger jetzt tun, um zu verhindern, dass es Gesetz wird? Kommt mir jetzt nicht mit „meinen Bundestagsabgeordneten“. Ich habe die 2 (und ihre Parteien), die meinen Wahlkreis dort repräsentieren nicht gewählt und der 1 (CSU) wird den Teufel tun und gegen das Gesetz stimmen.

  4. Mehr als ein 5-minütiges Brainstorming hats für dieses Papier aber nicht gebraucht.
    Da muss ich mir bei meinem Wochenendeinkaufszettel mehr Gedanken machen.

  5. August-Wilhelm Scheer: „Wir müssen genau analysieren, inwieweit die Sperren den Markt austrocknen und die Opfer schützen. Bei Bedarf ist nachzusteuern, um das Problem an der Wurzel zu packen.“

    Opfer schützen? Mit Sperrlisten?
    Das Problem an der Wurzel packen?
    Ja Herrgott, dann sollen die verantwortlichen Stellen endlich rigoros gegen die Betreiber der Seiten/Server und der Produzenten des KiPo-Materials vorgehen und sich nicht mit derart überflüssigen und scheinheiligen Aktionen aufhalten.

    Mir platzt gleich der Hemdkragen…

  6. Frau von der Leyen hat ja schon mehrfach betont, dass die frei Massenkommunikation nicht über dem Schutz der Kinder stehen darf. Eben in WDR5 hat sie lauthals die Namen der ISP genannt, die bereitwillig mitmachen, und diejenigen derer, die ohne rechtliche Grundlage nicht bereit seien, die Einträge einer Filterliste zu sperren (o.k., sie hat gesagt, „die nicht bereit seien, eine Sperrung von Kinderpornografie vorzunehmen“ – hört sich dann mehr so an, als ob diese bösen ISPs das Zeug selbst auf ihren Portalen anböten). Und nachher gibts für die Dame ein Leckerli von Schäuble.
    Ich bin gespannt, wann die ersten regierungskritischen Websites auf der Filterlite erscheinen. Keine zwei Jahre, wetten?

  7. Auch deshalb hält Familienministerin von der Leyen weiter an ihrem Vorhaben fest, vorab bereits Selbstverpflichtungserklärungen mit einzelnen Providern abzuschließen. Deren Bereitschaft dürfte mit der Willenserklärung des Kabinetts deutlich gestiegen sein, die Deutsche Telekom begrüßte sie jedenfalls bereits ausdrücklich, mit Firmen wie Vodafone und Kabel Deutschland waren die Verhandlungen des Familienministeriums schon vorher weit gediehen. Auch der Branchenverband Bitkom empfahl seinen Mitgliedern aufgrund des Berliner Gesetzesversprechens, schon vorab freiwillige Vereinbarungen zu schließen.

  8. Das Fragen&Antwortenpapier ist ja wohl ein Witz. Es gab seit 2004 keine nennenswerten Probleme mehr und es landen auch keine falschen Seiten drauf…

    heuchlerischer gehts gar nicht mehr. Diese Frau sollte sich lieber um ihre eigenen Kinder kümmern

  9. Was soll man denn noch machen?
    Die Politiker hören doch eh nicht mehr zu…. Jedenfalls habe ich das Gefühl.

  10. Wo liegt eigentlich das Problem einen Hoster bzgl. der bereitgestellten Inhalte anzusprechen und diese entfernen zu lassen? Warum muß es gleich die ganz große Kanone der „Zensur durch Netzsperrung“ sein. Strebt Frau von der Laien vielleicht die Einrichtung eines Bundesministeriums für Zensur an???

  11. Weiß jemand wie das mit EWETel aussieht? die tauchen gar nicht auf, vllt gibt es dann ja einen Anbieter der übersehen wurde, aber ich glaub nicht wirklich dran.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.