Datenschutznovelle: SPD fällt mal wieder um

Offenbar gab es diese Woche noch einen weiteren "Kompromiss" zwischen Union und SPD, der natürlich mal wieder zu unseren Lasten geht. Die Novelle des Bundesdatenschutzgesetzes, die vor allem den Handel mit Adressen einschränken sollte, ist aufgrund von großem Lobbydruck so weich gespült worden, dass man kaum eine Veränderung zum Status quo erkennt.

Die taz berichtet in ihrem CTRL-Blog, dass die SPD mal wieder rumjammert, aber am Ende natürlich zustimmt:

Die SPD zeigt sich enttäuscht über den Kompromiss der großen Koalition beim Bundesdatenschutzgesetz. “Meine Begeisterung hält sich in Grenzen”, sagte der SPD-Innenpolitiker Sebastian Edathy am Dienstag der taz. Die Neuregelungen zur Datensicherheit seien zwar ein Fortschritt, aber die neuen Verbraucherschutzregelungen würden hinter die Erwartungen zurückfallen, die Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) selbst geweckt hätte, sagte der Vorsitzende des Innenausschusses.

Koalitionspolitiker verständigten sich am Montag bei einem Treffen bei Schäuble auf einen Kompromiss. Die Novelle soll Firmen die Weitergabe von Adressdaten von Kunden erschweren, die Koalition hat sie aber nach Protesten von Firmen und Verbänden deutlich abgeschwächt. So dürfen Unternehmen laut Edathy etwa Adressdaten in Zukunft wie bisher weiterverkaufen, auch wenn der Kunde einer Weitergabe nicht ausdrücklich zugestimmt hat. “Firmen, die gekaufte Adressdaten verwenden, müssen aber die Verbraucher darüber informieren, woher diese Daten stammen”, sagte Edathy. Den Verbrauchern wird der Vorgang so transparenter gemacht, sie können sich dann eine Nutzung verbitten.

Verbraucher- ud Datenschützer hatten in den vergangen Wochen wiederholt davor gewarnt , so ein "Placebo-Gesetz" zu verabschieden. Zunächst sah es auch so aus , als würde die SPD eine Wischiwaschi-Einigung blockieren, aber was solche Aussagen wert sind, haben wir ja bei der Zensurdebatte nicht zum ersten Mal erlebt.

Wir müssen in nächster Zukunft mal gemeinsam überlegen, ob und wie die Netzgemeinde auch mehrere Kampagnen gleichzeitig fahren kann, damit solche Sachen nicht untergehen, wenn z.B. wochenlang alles auf Zensursula guckt.

Update, 17.6.2009: Eventuell gibt es hier doch noch mehr Widerstand, als die SPD-Fraktionsspitze gewillt war zu leisten. Heise berichtet :

Die Novellierung des Datenschutzrechts wird heute nicht wie geplant im Innenausschuss des Bundestags behandelt. Dessen Vorsitzender Sebastian Edathy von der SPD sagte der Neuen Osnabrücker Zeitung , Verbraucherpolitiker seiner Partei hätten in der Fraktion beantragt, das geplante Gesetz abzulehnen. Laut einem Bericht des Handelsblatts sagte der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Ulrich Kelber: "Das ist kein Datenschutz für die Bürger mehr", die Verhandler der SPD seien der Union zu weit entgegengekommen. Die SPD-Fraktionsführung habe angesichts des Widerstands das Thema zurückgezogen, deshalb werde es heute nicht im Ausschuss beraten und könne auch nicht am Freitag im Bundestag beschlossen werden.

Es werden noch Wetten angenommen, wie sich die SPD am Ende entscheiden wird.

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28 Ergänzungen

  1. Ja das mit den Einzelthemen ist ein echtes Problem. Schon bei dem Telekom-Paket abstimmung im Europaparlament wurde so aktiv für amendment 138 stimmung gemacht das das Paragraph zur Netzneutralität unter dem Teppich gekehrt wurde und in vergessenheit geraten ist :(

    Klingt vieleicht paranoid, aber wir sollten uns darauf vorbereiten in Zukunft auf mehreren Fronten bedroht zu werden. Insbesondere falls wir noch außerhalb des deutschen Tellerrandes blicken wollen. Immerhin hat die Politik der anderen Länder durchaus Einfluss auf Europa, und das wiederrum auf deutschland…

    Vieleicht eine Hot-Topic Seite die irgendwie die 3-4 gerade brenzlige Themen anzeigt (hoffentlich sinds nicht viel mehr die akut sind)

    1. @Skl8em (2): So eine Hot-Topic-Seit ist nicht das Problem, das können wir auch im Rahmen des Redesigns von Netzpolitik.org einbauen.

      Meine Frage wäre eher, wie man die Community dann auch dazu bringt, mehrere Themen gleichzeitig via Twitter, Blogs, Eigeninititiativen, neuen und alten AKs etc. zu „bespielen“. Und zwar mit aller Energie, die wir gerade gegen Zensursula aufgebracht haben. Und das auch noch langfristig.

  2. SPD: no comment…

    Was mehrere Kampagnen anbelangt: Ich finde man bräuchte eine Anlaufstelle für Netzaffine.
    Damit meine ich nicht einen Blog, sondern eine Art AK freies Netz.

    Denn ich denke es wird immer wichtiger das nicht nur reagiert wird. Wir sollten auch versuchen aktiv die Vorzüge eines freien Internets zu bewerben. (Frei wie in Meinungsfreiheit und nicht wie in Freibier ;P)

    Denn es gibt da draußen Milliarden von Menschen, denen ein freies Netz enorm helfen kann. Sie wissen nur nichts davon. (Startups, Akademiker, Ökoaktivisten, Verbraucherschützer, werdende Mütter, Bibliothekare, afrikanische Bauern …)

  3. Wir sollten uns überlegen, ob wir nicht eine Partei übernehmen – wie wärs mit den Grünen – oder das SPD, die wird nach der Bundestagswahl billig sein.

  4. Und auch gut, dass unsere Aktionen soviel bringen ;-)

    Ok, ich will mal nicht so pessimistisch sein, zumindest ist bei der Datenschutznovelle schonmal gut, dass wir da nicht auch noch „mitgeholfen“ haben, so einen tollen Kompromiss zu finden.

  5. Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten!
    Wer hat uns verraten? Wer hat uns verkauft?
    Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten!
    Die haben uns verraten und die haben uns auch verkauft.

    Ein passender Refrain zur aktuellen Situation, auch wenn das Lied von Marc-Uwe Kling schon etwas älter ist :)

  6. Warum nur war mir das klar, als ich vor Längerem einen ZDF-Bericht über ein parlamentarisches Frühstück mit Herrn Bosbach und einigen Medien-Vertretern gesehen habe?

    Die Ereignisse dieser Woche verursachen einmal mehr akuten Brechreiz :-(

  7. @markus

    „Wir müssen in nächster Zukunft mal gemeinsam überlegen, ob und wie die Netzgemeinde auch mehrere Kampagnen gleichzeitig fahren kann, damit solche Sachen nicht untergehen, wenn z.B. wochenlang alles auf Zensursula guckt.“

    dazu müsste sich die Netzgemeinde erstmal richtig organisieren.
    dafür reichts nicht nen AK Zensur oder AK Vorrat zu gründen. vielmehr müsste man ne art dachverband gründen, der die einzelnen Teilbereiche koordiniert und den Überblick behält.
    könnte man auch nen Verein draus machen, oderso

    1. @Fur_an (10): Der Text kam von mir, nicht von Markus.

      Zu deinem Vorschlag: Die interessante Frage ist halt unter anderem, wie man das richtige Maß an Flexibilität / Crowd-Sourcing auf der einen Seite und klarerer Organisation auf der anderen Seite findet. Vereine wie FoeBuD, CCC, FIfF und andere gibt es genug. Das wird aber in Zeiten von Twitter und Co nicht reichen, die zu stärken oder gar noch einen neuen Verein zu gründen. Ob es z.B. eine Art „Dach-AK“ für AK Vorrat, AK Zensur und mögliche noch weitere AKs braucht, weiss ich auch nicht, bin aber eher skeptisch ob der Möglichkeiten, das bei den Aktivisten auch durchzusetzen. Ich denke, wir müssen uns auf die neuen, stärker fluiden Formen von Kampagnen halt auch strukturell einstellen. Aber eine gute Lösung dafür habe ich auch noch nicht. Ich finde es aber ungemein spannend, was hier gerade passiert.

  8. Also was wir auf jeden Fall bräuchten, um mehrere Kampangnen gleichzeit zu „fahren“ ist eine Art Koordinierungsstelle, damit die Aktionen in einigermaßen geregelte Bahnen laufen und nicht unkoordiniert wirken. Ob man dazu jetzt einen Verein, Arbeitskreis oder what ever braucht, oder ob es für den Anfang nicht auch so etwas wie campaign.netzpolitik.org tun würde, da bin ich auch noch zu keinem Ergebnis gekommen.

  9. sorry @ markus, habs überlesen

    @ Ralf Bendrath
    ja das stimmt, Vereine gibts in der Tat genug.
    aber ohne Koordination könnten denk ich viele Aktionen ins leere laufen.

    jetzt wirds zwar völlig OT aber was solls:
    aber imo sollte man die ganzen Diskussionen über Interentgesetzgebung mehr in das Bewusstsein der Leute bringen, die sich eben nicht im Netz zu Hause fühlen, es nur gering oder gar nicht nutzen. Viele (auch Internetnutzer) beziehen ihre Nachrichten nunmal immer noch aus TV und printmedien und kritische webblogs lesen die meisten nicht.

    Selbst bei vielen jungen Leuten kommts einfach nicht an. Hab in letzter Zeit in meinem Bekanntenkreis (fast alles Studenten) die Zensursula Thematik öfter mal angesprochen.
    Die meisten wussten damit gar nichts anzufangen oder haben schlicht desinteresse gezeigt. (eine Ausnahme war ne dreistündige diskussion mit nem Kommilitonen, die wirklich spaß gemacht hat)

    was ich damit sagen will:
    sone Sachen müssten viel mehr in die breite Bevölkerung getragen werden. blog einträge sind zwar schön und gut für die kritischen Köpfe, aber das sind leider viel zu wenige.
    Auch die Aktion „ruf im Bundestag an“ find ich richtig klasse. aber leider fehlt da auch der Druck aus der breiten Bevölkerung.
    genauso wie die ePetition:
    134014 Mitzeichner, die erfolgreichste Petition ever. wirklich ein großer Erfolg.
    Aber was ist mit den andern 82mio Bürgern in Deutschland?
    verglichen mit denen sind 134000, die gegen das Gesetz sind, ein verschwindend geringer Anteil an der Gesamtbevölkerung.
    und solange mans nicht schafft, mehr Bürger für die Sorgen der Netzgemeinde zu sensibiliesieren, wird auch die Politik keinen Handlungsbedarf sehen und munter „ihr ding“ durchziehen

    (ist doch etwas mehr geworden, als ich eigentlich wollte oO )

  10. @13: Sowas wie campaign.netzpolitik.org ist tatsächlich in der Planung. Klappt vielleicht im Sommer.

  11. Wir, die netzaffine Gesellschaft die sich in den letzten Wochen und Monaten bewegt hat, wir sind schnell. Und wir sind flexibel und kreativ. Und wir passen immer seltener in bekannte Strukturen und unter bekannte Dächer.

    Warum also sollten wir uns selbst in solche Strukturen pressen aus denen wir versuchen auszubrechen?
    Dachverband, Verein, AK …
    Das sind sicherlich alles sehr gute Wege, keine Frage, aber ich würde doch nicht den gleichen Weg einschlagen wollen den man schon etliche Male gegangen ist und der immer zu einer Pyramidenspitze führte die dann über eine breite Basis bestimmt. Dazu würde es unweigerlich führen (wenn man althergebrachte Wege geht).

    Eine Koordinierungsstelle ist(!) eine Pyramidenspitze. Aber ich hoffe wir finden einen Weg der von unten von dem Fundament nach oben geht und nicht umgekehrt.

    Wenn ich die Idee richtig verstanden habe sind „wir“ es die etwas bewegen wollen aber eine „Zentrale“ suchen an die wir unsere Idee richten können um Gleichgesinnte zu finden. (Oder um festzustellen das unsere Idee nicht gut ist ;-) )
    Ich finde aber, mehr als diese Anlaufstelle sollte es nicht unbedingt werden. Quasi eine Vermittlungsstelle, Tippgeber, Nachschlage-Wiki…

    Wie diese zentrale Vermittlungsstelle genau aussehen solle, weis ich auch noch nicht. Gebt mir ein paar Minutenmehr zum Nachdenken. Aber getreu dem Motto: „Nicht lang schnacken, einfach mal anfangen“ melde ich mich hier schon mal freiwillig falls jemand meine Idee für gut und fördernswert befindet.

    Sven

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