38C3Unsere Tipps für den Chaos Communication Congress

Das Motto des 38. Chaos Communication Congress in Hamburg lautet „Illegal Instructions“. Die Themen der zahlreichen Vorträge auf den Bühnen bieten für alle etwas: von Alterskontrollen über Nintendo-Emulatoren bis hin zu Museumskritik für Hacker*innen. Das Beste: Zuschauen geht auch ohne Ticket von zu Hause aus!

Eine Winkekatze auf einem Rednerpult in einem großen Vortragssaal
Das Programm auf den Bühnen des 38C3 lässt sich oft auch im Stream verfolgen. CC-BY-NC 2.0 Karol Roller

Mehr als 12.000 Teilnehmer*innen waren letztes Jahr zum Chaos Communication Congress in Hamburg und auch dieses Jahr sind die Tickets zum 38C3 ausverkauft. Vom Vortragsprogramm auf den Hauptbühnen könnt ihr fast alles auch im Stream mitverfolgen, wenn ihr nicht vor Ort seid. Daher haben wir einige Programmempfehlungen für euch zusammengestellt, wenn ihr zwischen den Jahren etwas auf die Augen und Ohren braucht.

Auch Mitglieder unserer Redaktion sind vor Ort, das fassen wir hier zusammen. Und wer ein Ticket ergattert hat, dem sei ein Blick in das Gesamtprogramm empfohlen. Dort finden sich auch viele spannende Dinge, die nicht gestreamt werden.

Da aber selbst die drei Hauptbühnen so viel Material liefern, haben wir ein paar Empfehlungen pro Tag ausgewählt. Mit Gewähr auf Unvollständigkeit!

Tag 1: Freitag, der 27. Dezember

Um 12 Uhr geht es um „Altersprüfungen im Netz aus Datenschutzperspektive“. Die beiden Referierenden arbeiten bei der Bundesdatenschutzbeauftragten und wollen einen Überblick über „aktuelle (politische) Forderungen nach Altersprüfungen im Internet und den verschiedenen Methoden, die dabei zum Einsatz kommen“ geben.

Im Talk „Die Geschlechter denen, die sie hacken“ sprechen Jyn, Nephthys und Luce deLire um 12:55 Uhr über das Selbstbestimmungsgesetz, Pinke Listen und den Überwachungsstaat. Denn, so schreiben die drei: „Selbstbestimmung ein grundlegendes Prinzip des Hackens.“

Das Thema ist schon viele Jahre alt: Hacker-Paragrafen sind ein Risiko für ethische IT-Sicherheitsforscher:innen und ein Reformvorhaben der Ampel ist am Regierungsaus gescheitert. Unter der Leitfrage „Was lange währt, wird endlich gut? Die Modernisierung des Computerstrafrechts“ geben Florian Hantke und Dennis-Kenji Kipker um 13:50 Uhr eine Einführung in die Debatte.

Die Bundestagswahl findet früher statt als geplant, doch der CCC ist mit dem „Thüring-Test für Wahlsoftware“ vorbereitet. Linus Neumann und Thorsten Schröder haben ihren Dekompilierer angeschmissen und geschaut, ob ihre Empfehlungen von 2017 umgesetzt wurden, und präsentieren um 20:15 Uhr die Ergebnisse.

Einen vielfältigen Blick auf die europäischen Pläne für digitale Identitäten verspricht der Talk von IT-Sicherheitsexpertin Anja Lehmann und Policy-Fachmann Thomas Lohninger mit dem Titel: „EU’s Digital Identity Systems – Reality Check and Techniques for Better Privacy“. Er läuft ebenfalls zur besten Sendezeit um 20:15 Uhr.

Pornografie war immer schon Treiber von Digitalisierung. Im Talk „Über Porno, Abhängigkeit und Fortschritt“ spricht der Künstler Arne Vogelgesang um 00:15 Uhr über die neueste Ausgestaltung dieser Verbindung und verspricht: „eine Geschichte über menschliche und vor allem männliche Körper, die nicht anders können, als das Neue zu begehren.“

Tag 2: Samstag, der 28. Dezember

Wer Frontex verpetzen, Menschen aus Seenot retten oder Verschlusssachen veröffentlichen möchte, braucht gute Rechtsberatung. Zwei Anwältinnen, die diesen Job machen, spielen in ihrem Talk um 11 Uhr „Anweisungen für den anwaltlich begleiteten Rechtsbruch“ vor Publikum durch, wie kalkuliertes Strafbarmachen gemacht wird – inklusive was zu tun ist, „when shit hits the fan“. Garantiert honorarfrei. Achtung: Dieser Vortrag wird nicht gestreamt!

Fünf Prozent der Menschen in Deutschland zwischen 16 und 74 Jahren sind offline. Trotzdem gibt es immer mehr staatliche Dienstleistungen, die man nur noch digital nutzen kann. Anne Roth analysiert um 12 Uhr, wie der Digitalzwang zum Exklusionstreiber wird: „Digitalisierung mit der Brechstange“.

Wie hat sich Spionagesoftware für iPhones über die vergangenen Jahre entwickelt? Wie kommt sie drauf, wie findet man sie und was könnte Apple tun, damit es die Überwacher:innen schwerer haben? iOS-Sicherheitsforscher Matthias Frielingsdorf gibt um 13:30 Uhr einen Überblick in „From Pegasus to Predator – The evolution of Commercial Spyware on iOS“.

„Natürlich bestellst Du im Internet. Aber dieses Mal wird Deine Ware nicht geliefert. Stattdessen sind Dein Geld und Deine Kreditkartendaten nun in China.“ BogusBazaar nennt der Journalist Kai Biermann dieses Geflecht aus gefälschten Webshops, die strukturiert Leute abzocken. Die Ergebnisse der gemeinsamen Recherche mit kantorkel hört ihr um 20:30 Uhr in „Fake-Shops von der Stange“.

Die satirischen Esoterik-Talks von Katharina Nocun sind eine etablierte Stütze des Unterhaltungsprogramms auf dem Congress. Wer letztes Jahr ihre „Fortbildung Cyber-Astrologie“ gehört hat, wird auch diesen Talk im Spätabendprogramm um 23:55 Uhr nicht verpassen wollen: „KI-Karma next Level: Spiritueller IT-Vertrieb“

Tag 3: Sonntag, der 29. Dezember

Immer wieder geraten Klima-Aktivist*innen ins Visier der Justiz, gerade in Augsburg. Einer von ihnen ist Samuel Bosch, der zwei Wochen in einer Jugendarrestanstalt verbrachte – bis das Bundesverfassungsgericht sein Urteil kassierte: „Gefährliche Meinung – Wenn Wälder brennen und Klimaaktivist*innen im Knast sitzen“. Um 11 Uhr berichtet Samuel über den Fall.

Über Desinformation wird viel geredet, aber vielleicht noch zu wenig geforscht. Doch zwei Menschen vom Center for Advanced Internet Studies bringen ein wenig Licht ins Dunkle. In „Von Augustus bis Trump – Warum Desinformation ein Problem bleibt und was wir trotzdem dagegen tun können“ klären sie um 12 Uhr über Begrifflichkeiten auf und schlagen Lösungsansätze vor.

„Die digitale Barrierefreiheit ist kaputt“, konstatiert Casey Kreer in: „Der traurigste Vortrag über digitale Barrierefreiheit des Jahrhunderts“. Um 12:55 Uhr geht es damit los. Ob bei Warn-Apps oder digitalen Leistungen des Staats – eklatante Mängel, so Kreer, sind Dauerzustand.

Malte Engeler und Sandra Sieron denken schonmal voraus: In eine Welt, in der der Kapitalismus schon abgeschafft ist. Und fragen: Wozu brauchen wir dann eigenlich noch Mustererkennung, Deep Learning und Sprachmodelle? Antworten findet ihr um 17:35 Uhr in ihrem Talk „Hat ChatGPT in der besseren neuen Welt einen Platz?“

Wie laufen Wahlen eigentlich technisch ab und was kann dabei schiefgehen? Vieles, weiß Benjamin W. Broersma. Er bezeichnet sich selbst als Hacker und arbeitet beim niederländischen Kiesraad (Wahlrat), einem Gremium, dass Regierug und Parlament bei der Durchführung von Wahlen berät. In seinem Talk „How election software can fail“ berichtet er um 23 Uhr von den kleinen und großen Herausforderungen der Wahlsoftware in den Niederlanden.

Vor Lilith Wittmann zittern schlecht gesicherte Systeme. Diesmal widmet sich Wittmann dem Thema „Knäste hacken“. Ab 19:15 Uhr referiert sie über „Datenabflüsse und strukturelle Probleme, die verhindern, dass wir Menschen dort Zugang zu digitaler Teilhabe gewähren“.

Einen rasanten und unterhaltsamen Abriss über das Thema „Pyrotechnik – ist doch kein Verbrechen!?“ liefern um 23 Uhr Bijan und Felix. Mit Netzpolitik hat die Böllerei doch gar nichts zu tun, mag man meinen, doch weit gefehlt: Die beiden werden auch zeigen, was Pyro mit Politik und Grundrechten zu tun hat. Wer schon einmal einen Vortrag der beiden gehört hat, der weiß, dass es nerdig und lustig werden kann.

Tag 4: Montag, der 30. Dezember

Was treibt mächtige, männliche Milliardäre wie Elon Musk und Sam Altman an, die nicht nur im Silicon Valley, sondern auch im Weißen Haus ihren Einfluss geltend machen? Eine prägende Ideologie ist „Longtermismus – der ‚Geist‘ des digitalen Kapitalismus“, den Max Franz Johann Schnetker um 11 Uhr aus sozialwissenschaftlicher Perspektive untersucht.

Die Journalisten Max Bernhard und Alexej Hock berichten bei CORRECTIV über die hybride Kriegsführung Russlands im Netz. Um 13:50 Uhr sprechen sie über ihrer Recherchen zu Desinformationskampagnen wie „Doppelgänger“, die den Westen destabilieren und die Unterstützung für die Ukraine untergraben sollen. Und auch zur Frage, warum diese Kampagnen so schwer aufzuhalten sind: „How state-sponsored propaganda makes use of the cyber criminal toolbox“.

Manche sind ja heute schon fast mit ihren Geräten verschmolzen, aber das nächste Level dieser Symbiose sind „Brain-Computer Interfaces“, die Hirn und Maschine direkt miteinander verschalten. Elon Musks Neuralink lässt grüßen. Über die philophischen, rechtlichen und ethischen Fragen, die das aufwirft, spricht ab 15:45 Uhr der Rechtswissenschaftler Christoph Bublitz. Etwa: Wird die KI dann Teil der Person? „Philosophical, Ethical and Legal Aspects of Brain-Computer Interfaces“.

3 Ergänzungen

  1. „Das Beste: Zuschauen geht auch ohne Ticket von zu Hause aus!“ gegenüber „Achtung: Dieser Vortrag wird nicht gestreamt!“.

    Logik, so wichtig.

    (ich spende(te) trotzdem)

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