GulaschprogrammiernachtHacken mit Gulasch und Trollen

Es ist wieder Zeit für Cyber-Krams, Mate und Bling-Bling. Der Chaos Computer Club Karlsruhe hat mit dem Motto „Factory Reset“ zum 20. Mal zur Gulaschprogrammiernacht eingeladen. Netzpolitik.org war dort und berichtet von dem Hackertreffen.

Das Plakat mit Motto "Factory Reset" der GPN20.
Dieses Jahr feiert die Gulaschprogrammiernacht ihr 20-jähriges Jubiläum. (Symbolbild) – Alle Rechte vorbehalten Entropia e.V. CCC Karlsruhe, Bearbeitung: netzpolitik.org

Vergangenes Wochenende fand die Gulaschprogrammiernacht, kurz GPN, zum 20. Mal statt. Die viertägige Hackkonferenz des Chaos Computer Clubs Karlsruhe konnte nach zwei Jahren pandemiebedingter Pause wieder in Präsenz stattfinden. Rund 2.000 Teilnehmende haben vom 19. bis 22. Mai das Gelände rund um das Zentrum für Kunst und Medien (ZKM) in Karlsruhe besucht.

Für viele Besucher:innen ist die GPN eine wichtige jährliche Veranstaltung, um sich untereinander zu vernetzen, im Hackcenter gemeinsam an Projekten zu tüfteln und in der Sonne das berüchtigte Gulasch zu genießen. Wir haben uns angeschaut, was passiert, wenn Wiedersehensfreude, Hacker:innen, Kunst und Trolle aufeinandertreffen.

Bereits 2002 hat der lokale Chaos Computer Club (CCC) „Entropia“ die erste Gulaschprogrammiernacht organisiert. Damals waren es nur rund 20 Teilnehmende, doch die Anzahl der Besucher:innen steigt jährlich. Inzwischen zählt die GPN zu den größten europäischen Hackevents. Die Veranstaltung richtet sich dabei nicht nur an „Nerds“, sondern ist offen für alle Interessierten.

Im Programm der GPN finden sich Hardware und Software, Datenschutz und Infrastruktur sowie gesellschaftliche und politische Themen ihren Platz. Dieses Jahr gab es etwa einen Workshop zu Rückengesundheit für Nerds, einen Vortrag von Code for Germany zu digitalem Ehrenamt und eine Einführung in die elektrische Sicherheit für Hacker:innen. Das Video-Team der GPN hat einen Großteil der Vorträge aufgenommen und sie auf media.ccc.de bereitgestellt. Auf der Seite könnt ihr in 60 Stunden Video-Material stöbern und interessante Beiträge nachschauen.

Kunstvolles Hacken

Die GPN findet in der Hochschule für Gestaltung (HfG) und den Vortragssälen des weltweit renommierten Zentrums für Kunst und Medien statt. Das Museum soll die klassischen Künste in das digitale Zeitalter fortschreiben. Die Museumsausstellungen arbeiten deswegen häufig ebenfalls mit moderner Technik – und führen damit den ein oder anderen interessierten Museumsbesucher in die Räumlichkeiten der Gulaschprogrammiernacht.

Die GPN ist somit nicht nur räumlich in das ZKM integriert, es findet auch ein Austausch zwischen der Kunst- und Hackerszene statt. Entropia e. V. begrüßt diese Vernetzung und sagt gegenüber netzpolitik.org, dass sich Künstler:innen und Hacker:innen über die GPN gegenseitig inspirieren würden. Martin Vietz, langjähriger Organisator der GPN, sagt zu diesem Austausch: „Wir führen damit die Hackerkultur fort, also die Idee, dass man auch mit Computern Schönes bauen kann.“

Tatsächlich finden sich auf der GPN viele kunstvolle Technikprojekte, etwa kleine fahrende Roboter mit Wackelaugen und selbstgebastelte blinkende Kostüme. Die meisten solcher Projekte entstehen im großen Hackcenter, das in den Lichthöfen der Hochschule für Gestaltung aufgebaut ist. Tagsüber durchflutet das Sonnenlicht den Raum, an denen Menschen an ihren Geräten sitzen. Bei gutem Wetter steigt die Raumtemperatur ganz schön in die Höhe. Am späten Abend leuchten nur noch Bildschirme, kleine Lampen und blinkende Gadgets von den Tischen und tauchen den Raum in eine gemütliche Hacker-Atmosphäre.

„Es passieren wieder spontane Gespräche“

Die Wiese vor dem zusammenhängenden Gebäude der HfG und des ZKMs ist neben dem Hackcenter ein mindestens genauso wichtiger Ort für das Zusammenkommen der Besucher:innen. Tatsächlich stehen für viele Teilnehmende weniger die Vorträge, sondern vielmehr das soziale Miteinander und Netzwerken im Vordergrund. „Der Fokus liegt darauf, im Hackcenter Projekte zu machen oder auf der Wiese mit anderen ins Gespräch zu kommen“, sagt auch Martin Vietz. „Das war auch schon vor der Pandemie so.“

Genau diesen lebendigen Austausch haben viele Teilnehmende und auch die Veranstalter:innen selbst vermisst. In den vergangen zwei Jahren gab es zwar digitale Chaos-Konferenzen, die Spontanität ging dabei aber verloren. Eine Person aus der Projektleitung sagt gegenüber netzpolitik.org: „Bei digitalen Angeboten ist man sehr auf das Programm konzentriert und klappert dieses ab. Man stolpert nicht spontan über Leute.“ Dass nun wieder eine große Hackveranstaltung in Präsenz stattfindet, sei für ihn sehr surreal.

Das Motto „Factory Reset“ spielt ebenfalls auf den Neuanfang der Veranstaltung nach der Pandemie an. Sogar die Tische des Hackcenters waren so aufgebaut, dass sie den Schriftzug „Reset GPN20“ bilden. Trotz all der Freude darüber, endlich wieder im physischen Raum zusammenzukommen, ist Entropia e. V. bewusst, dass die Pandemie noch nicht vorbei ist. Es gibt eine kostenlose Covid-Teststation im Gebäude und in Innenräumen gilt die Maskenpflicht.

Hier wird getrollt

Wo Technik ist, sind Trolle nicht weit. Auch auf der Gulaschprogrammiernacht dürfen diese nicht fehlen. Allerdings ist der Begriff „Troll“ hier überwiegend positiv besetzt: Trolle sind freiwillige Helfer:innen, vergleichbar mit den „Engeln“ auf anderen Chaos-Veranstaltungen. „Die GPN ist ein Mitmach-Event“, so Vietz. Das heißt, Teilnehmende übernehmen Aufgaben vor Ort, etwa indem sie bei der Bar aushelfen, beim Auf- und Abbau unterstützen oder Gemüse schnippeln. Eine Person, die die Bar-Arbeit koordiniert, sagt: „Ohne Trolle würde es nicht gehen.“ Die Troll-Arbeit kann auch Neueinsteiger:innen helfen, sich in die Szene zu integrieren und erste Kontakte zu knüpfen.

Auch das Gulasch, das dieses Jahr ausschließlich vegan war, wurde aus Trollhänden gezaubert. Die Küche hat außerdem Unmengen an Waffeln produziert: Durchschnittlich sollen 1,2 Waffeln pro Minute gebacken worden sein. Das offenbaren die Veranstalter:innen am Ende des Events, als sie eine Übersicht der Infrastruktur präsentieren.

Der Gemeinschaftsgedanke der Gulaschprogrammiernacht zeigt sich auch im CARE-Konzept, das ein „angenehmes Miteinander“ ermöglichen soll. So steht auf der Website der GPN. Der Begriff CARE steht dabei für „Chaos Awareness Response Entropians“, also sinngemäß für Ansprechpartner:innen, die sich um Personen kümmern, die sich unwohl fühlen. Martin Vietz, der ebenfalls für die CARE-Struktur zuständig ist, sagt: „Gerade nach der Pandemie kann es auch sein, dass sich Menschen schneller überfordert fühlen. Sie bekommen so die Gelegenheit, sich in einem ruhigen Raum zurückzuziehen“. Das CARE-Team möchte mit diesem Konzept auch sensibel gegenüber Menschen mit Autismus sein und es ermöglichen, dass möglichst alle an der GPN teilnehmen können. 

1000 kg Equipment und 55 Access-Points

Ein Outdoor-Access-Point auf der GPN20. - CC-BY-NC-ND 4.0 netzpolitik.org

Kein Internet, keine Gulaschprogrammiernacht. Das Network Operation Center (NOC) kümmert sich darum, dass die Teilnehmenden WLAN-Zugang haben. Das NOC hat allein für die Netzwerk-Infrastruktur rund 1000 kg Equipment ausgeliehen und 55 WLAN-Access-Points installiert. So können die Besucher:innen (fast) überall auf dem umliegenden Gelände im WLAN eingeloggt bleiben – sogar bis zur nächsten Dönerbude. Schließlich hat Entropia e. V. auch im Außenbereich Access-Points auf Masten montiert.

Dieses Jahr haben die Veranstalter:innen zum ersten Mal einen Access-Point für Wi-Fi 6 Gigahertz eingerichtet. Die Bundesnetzagentur hat Mitte Juli vergangen Jahres das 6-Gigahertz-Frequenzband für den Innenbereich freigegeben. Es kann etwa für selbstgebastelte Gadgets benutzt werden, hat allerdings nur eine sehr geringe Reichweite. Auf die Frage an Entropia, mit welcher Absicht sie den Access-Point für 6 Gigahertz installiert hatten, antworten sie: „Weil es geht.“ Diese Antwort hört man auf der GPN öfters.

Trotz des schnellen und gut ausgebauten Netzes darf auf der GPN ein autonomes Telefonnetz nicht fehlen. Das Telefonnetz funktioniert ohne Handynummern und nutzt dafür eine eigene Antennen-Infrastruktur. Die Teilnehmende können sich über ein internes Telefonbuch untereinander oder auch die einzelnen Organisationseinheiten erreichen.

Nachdem 60 kg Sojaschnetzel-Trockenmasse zu Gulasch verarbeitet wurden, ging die 20. Gulaschprogrammiernacht am Sonntag erfolgreich zu Ende. Wir bedanken uns für die netten Gespräche und die Eindrücke.

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