IT-Unternehmen auf dem Weg, Stadtteile zu bauen: Alphabet-Tochter will es besser machen als IBM

Ein Unternehmen des Alphabet-Konzerns, zu dem auch Google gehört, darf bei der Entwicklung eines neuen Stadtteils in Toronto sehr eng mit der Verwaltung zusammenarbeiten. Es ist das erste Großprojekt von Sidewalk Labs, die sehr darauf achten, in keine PR-Schwierigkeiten zu geraten.

Eric Schmidt von Google zeigt den Mitbewerbern um das Großprojekt die rote Karte (Symbolbild). CC-BY 2.0 JD Lasica

In Toronto soll ein neuer Stadtteil gebaut werden. Auf 325 Hektar, größer als der Berliner Tierpark, soll in den nächsten Jahren „die beste Stadtplanung“ mit den „neuesten digitalen Technologien“ (pdf) kombiniert werden. Los geht es mit der zwölf Hektar großen Quayside direkt am Wasser. Dort sollen autonome Fahrzeuge, günstige Blockhäuser sowie Planungs- und Beteiligungsprozesse erprobt werden, die auch für den Rest des alten Hafengebiets infrage kommen könnten. Das sei, so Google-Manager Eric Schmidt, die Chance „etwas Wirkungsvolles zu tun, von dem wir hoffen, dass es neue Ideen schafft, die weltweit in anderen Städten angewandt werden können“.

PR-Katastrophen verhindern

Sidewalk Labs hatte die Ausschreibung gewonnen und gesagt, es wisse, dass „gute Stadtteile nicht von oben herab geplant werden“. Wohl nicht zuletzt, um PR-Katastrophen zu verhindern. Wie viele andere hatte Sidewalk Labs das von IBM in Rio de Janeiro gebaute Kontrollzentrum kritisiert und unter anderem festgestellt, dass nicht transparent genug gearbeitet würde und die langfristige Entwicklung der Stadt nicht im Vordergrund gestanden hätte. Das Alphabet-Tochterunternehmen wurde 2015 gegründet und hat seitdem beispielsweise daran mitgearbeitet, in New York City Telefonzellen in W-Lan-Hotspots umzubauen. Das Quayside-Projekt in Toronto ist das erste Großprojekt von Sidewalk Labs.

Grenze zwischen IT- und Planungsdienstleister verschwimmt

Die Waterfront-Toronto-Partnerschaft zwischen verschiedenen kanadischen Verwaltungsebenen will ein Fünftel der neuen Wohnungen als Sozialwohnungsbau auch Menschen mit geringen Einkommen zur Verfügung stellen. An der Strategie dafür soll Sidewalk Labs auch mitarbeiten. Überhaupt ist die Ausschreibung (pdf) interessant, da sie einerseits konkrete Forderungen nach sozialem Wohnungsbau und Datenschutz enthält, dem privatwirtschaftlichen Partner aber andererseits in vielen wichtigen Fragen eine große Rolle zuspricht. Er soll Studien erstellen, Geschäftsmodelle und Bebauungspläne mitentwickeln und auch die bisherige Arbeit der Partnerschaft überprüfen dürfen. Damit dürfte Sidewalk Labs beispielsweise mitentscheiden, wer welche Flächen wie nutzen darf.

Außerdem soll ein einjähriger Beteiligungsprozess gestartet werden, in dessen Verlauf Sidewalk Labs 50 Millionen Dollar investieren will. Das ist ein anderer Ton als der, den IBM anschlug, als das Unternehmen in Rio de Janeiro aktiv wurde. Sidewalk Labs könnte aber großen Einfluss auf den Beteiligungsprozess erhalten und ihn auf seine Interessen ausrichten: Der kanadische Sitz von Google soll auch nach Toronto verlegt werden.

Alphabet versucht mit Sidewalk Labs, sich von der Rolle als reiner IT-Dienstleister abzugrenzen, und beansprucht auch, stadtplanerisches Wissen liefern zu können. In der Ausschreibung stellte die Partnerschaft die Bedingung, dass im Zusammenhang mit dem Projekt auf allen lokalen und nationalen Ebenen keine Lobbyarbeit erlaubt sei. Vielleicht braucht es die auch nicht, wenn bereits so eng zusammengearbeitet wird.

Versprechen sind noch keine Transparenz

Der optimistische Ton, was die Entwicklung von „Smart-City-Lösungen“ in Großprojekten angeht, scheint etwas abzuklingen, und auf dem Papier wird auf sorgfältigere Prozesse gesetzt. Dennoch sind es bisher nur Bekenntnisse. Ob und wie diese Versprechen, zum Beispiel das einer wirklich inklusiven Bürgerbeteiligung, tatsächlich eingelöst werden können, steht auf einem anderen Blatt. Ebenso, inwiefern Sidewalk Labs bereit sein wird, Einblicke in eingesetzte Technologien zu gewähren. Google transformiert bereits seit Jahren aktiv Städte: durch die Bau- und Wohnpolitik ihrer Campusse und Angestellten, nicht zuletzt in Berlin.

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