Live: EU-Konferenz zum digitalen Verbraucherschutz

Ich bin gerade im Presse- und Informationsamt der Bundesregierung angekommen. Hier findet seit gestern Abend die Konferenz “Herausforderungen und Chancen in einer digitalisierten Welt: Beiträge der Verbraucherpolitik” statt, die vom Verbraucherschutzministerium im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft durchgeführt wird. Gestern Abend gab es aber nichts interessantes zu bloggen. Die Eröffnungsreden hab ich glücklicherweise knapp verpasst, so dass ich nur noch die Eröffnung des Büffet inklusiver einiger schlechter Witze von Jo Groebel, der eine der Reden hielt, mitbekommen habe. Das Essen war lecker und als Sekt gabs Rotkäppchen. Erfreulich, dass unsere Steuergelder für preiswerten Supermarkt-Sekt investiert werden. Ansonsten hab ich noch nette Verbraucherschützer aus Holland und vom TACD kennen gelernt. Insofern war der Abend nicht verschwendet. Alle Teilnehmer haben übrigens eine Tasche bekommen. Das ist nichts ungewöhnliches, aber die Tasche ist ungewöhnlich hässlich. Also richtig hässlich und unpraktisch. Ein Fall für den Müll, kann mir nicht vorstellen, dass die zu was anderem als Flaschen zum Container bringen von den Anwesenden genutzt wird. Ich bin mir auch sicher, dass die alles andere als ökologisch korrekt ist. Ich stell später mal ein Bild online. Das scheint die offizielle „deutsche“ EU-Tasche für alle Events zu sein. Sorry, aber das musste mal gesagt werden. :-)

Gleich gehts als mit etwas Verspätung los und ich hab mir einen der besten Plätze gesichert. Nicht unbedingt in der ersten Reihe, sondern eigentlich ganz hinten links, dafür an einer der wenigen Steckdosen im ganzen Raum. Musste erstmal das schöne Stühle-Arrangement zerstören, um mit dem Sitzplatz an die Steckdose zu kommen. Wie so oft, hat niemand daran gedacht, dass man vielleicht auch mal Notebooks zu so einer Konferenz mitbringen möchte. Es gibt sonst auch nur noch drei andere. Worum gehts nochmal? Aber dafür schlafen mehr Menschen als zu tippen. Konferenznapping am Morgen. Damit man weiss, wer gerade spricht, gibts hier praktischerweise überall riesige Fernseher mit dem Namen und Titel der Person drauf. Von mir aus könnte man auch noch ntv oder sowas da laufen lassen, damit man wenigstens Nachrichtenüberschriften lesen kann. Oder Youtube-Videos.

Der Seehofer redet

Und schon gehts los. Der Seehofer steht auf der Bühne und die Stühle sind fast alle besetzt. Ist aber keine riesige Konferenz, ich schätze mal ca. 150-200 Teilnehmer. Seehofer findet, dass es ein guter Tag ist, wenn Weltverbrauchertag mit dieser Konferenz zusammen fällt. Da haben sie ja echt Glück gehabt. Lange hätten Verbraucherrechte eine untergeordnete Rolle gespielt. In der aufkommenden Wissensgesellschaft würden Kunden stärker in die Wetschöpfungskette integriert. Die Macht des Verbrauchers wachse mit seinen Möglichkeiten. Gleichberechtigte Konsumentensouveränität sei anzustreben, Augenhöhe der Verbraucher mit den Produzenten. Am Leitbild des mündigen Verbrauchers festhalten.

Aber er liest gerade seine Rede mehr oder weniger komplett vom Rechner ab. Eigentlich muss ich gar nicht mehr mittippen und hätte später kommen können, die Rede wird sicherlich später auf bundesregierung.de online gestellt. Jetzt spring er gerade. Eben waren wir bei der Neurowissenschaft und dann beim Ökoanbau, es ging zu Gutenberg und jetzt revolutioniert Multimedia gerade sein Leben. Dazu erleuchtendes: „Handy und Konsolen funktionieren nur mit Mikrochips“. Wow. Auch gut: „e-demokratie ist über einige Ansätze des elektronischen Wählens noch nicht drüber hinaus gekommen“. Vielleicht sollte man seinen Redeschreibern mal erklären, das e-Demokratie mehr mit e-Partizipation/Bürgerbeteiligungsprozessen als mit e-Voting zu tun hat. Und dass aus Verbrauchersicht das elektronische Wählen vielleicht keine gute Idee wegen mangelnder Kontrolle und mangelnder Transparenz ist. Er redet immer nur frei, wenn er irgendwelche anderen Themen, die nichts mit dem Konferenzthema, anschneidet.

Höhepunkt bisher: „Man konnte bis vor kurzem in Tauschbörsen kostenlos Musik herunterladen. Seit dem dramatischen Kaufeinbrüchen der Musikindustrie setzt diese immer mehr durch, dass jetzt für Musik bezahlt werden muss.“ Und dann kommt ein Loblied auf das Urheberrecht und den Schutz und die Durchsetzung des Geistigen Eigentums: „Den Schutz des Urhebrerecht muss mit Wirkung durchgesetzt werden.“ Das wars dann wohl mit Verbraucherrechten im Urheberrecht, der hat nichts verstanden. Das musste ja jetzt kommen – Second Life, wo man mit Eintrittsgeld Zugang bekommt. Aha, also ich komme da immer kostenlos rein. Das volle Second Life – Programm, klingt wie eine Dauerwerbesendung mit lauter inhaltlichen Fehlern, aber wenigstens wenige verbraucherrechtliche Fragestellungen. Spannende Frage, die dabei unbedingt schnellstens geklärt gehört: Was ist mit dem deutschen Kreditrahmengesetz (?) – gilt das auch bei Second Life? Überhaupt sind alle total geil auf Second Life. Jeder erwähnt es mehrfach. Nicht, dass die demnächst mit Hauruck-Gesetzen dazu um die Ecke biegen. Ist ja nett, sich mit den Fragestellungen, die zukünftig wichtiger werden, zu beschäftigen. Aber erstmal sollte man noch einige ältere Hausaufgaben erledigen.

Jetzt gibts noch ein paar Punkte als „Seehofer-Forderungskatalog“. Was aber quasi der Standard ist, den jeder Politiker seit Jahren gerne bei dem Thema fordert und unterschreibt:

Update: Die gibts mittlerweile in einer Pressemitteilung und ich hab meine Mitschrift durch den ausführlicheren Text ersetzt.

1. Zugangsfreiheit: Der Zugang zum Internet muss für jedermann möglich sein und digitale Gräben überbrückt werden.
2. Datenhoheit: Die informationelle Selbstbestimmung des Verbrauchers und die Vertraulichkeit seiner Daten müssen auch im Internet und anderen Formen der digitalen Welt gewährleistet sein.
3. Spam-Schutz: Die Entwicklung von effizienteren Spam-Filtern muss stärker vorangetrieben werden.
4. Transparenz: Nutzungsgebühren und –bedingungen für Dienste im Netz müssen für jedermann erkennbar und nachvollziehbar sein.
5. Aufklärung: Über die Risiken von sensiblen Online-Diensten oder neuen Web-Formen wie „Second Life“ muss der Verbraucher frühzeitig aufgeklärt werden.
6. Rechtssicherheit: Zum Schutz des Vertrauens von Anbietern und Verbrauchern müssen verbindliche Rechtsregeln für den kommerziellen Austausch in der digitalen Welt geschaffen werden.
7. Benutzerfreundlichkeit: Der Zugang und die Nutzung von Internet-Diensten müssen benutzerfreundlich, barrierefrei ausgestaltet sein und flächendeckend gewährleistet werden.
8. Bildung: Zum Umgang mit der digitalen Welt muss umfassende Verbraucherkompetenz gefördert werden.
9. Jugendmedienschutz: Ein an den Besonderheiten der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien ausgerichteter effektiver Jugendschutz muss systematisch aufgebaut und weiterentwickelt werden.
10. Bürokratieabbau: Verfahren zur Überprüfung von Kommunikationsdiensten müssen entschlackt und Zugänge zu öffentlichen Internetangeboten bürgerfreundlich gestaltet werden.

Fazit: Mein erstes Mal Seehofer live und ich hätte es mir echt sparen können. Da hätte man auch einen Roboter hinstellen können, der die Rede abliest. Oder einen Praktikanten, der hochdeutsch spricht und etwas mehr Schwung hat.

Die EU-Verbraucherschutzkommissarin

Jetzt spricht Dr. Meglena Kuneva, die neue EU-Verbraucherschutzkommissarin aus Bulgarien. Was für ein Akzent, aber mein Englisch klingt für Bulgaren vermutlich ähnlich schrecklich. Überlege gerade, mir ein Übersetzungsteil zu holen, um was zu verstehen. Da kommt nur jedes dritte Wort an und sie wird immer schneller. Vielleicht denkt sie gerade, dass Seehofer ja schon alles Gemeinplätze eben angesprochen hat und sie schnell zu neuen Punkten kommen muss. Dann gibts halt noch etwas Hintergrundinformationen. Gestern Abend erzählte einer der Organisatoren, dass sie ihm ja am Telefon erzählt habe, dass sie eigentlich keine Ahnung vom Thema hat. Sie wäre eigentlich Umweltexpertin, aber der Platz wäre schon vergeben gewesen.Also macht sie jetzt Verbraucherschutz und hofft, dass wegen der Klimadebatte der Umweltteil im Verbraucherschutz immer wichtiger wird. Keine Ahnung, was da dran ist, ist aber in der Politik vollkommen normal. So wie beim Gesundheitsexperten Seehofer, der halt jetzt mehr oder wneiger Verbraucherschutzminister ist, weil das Gesundheitsministerium halt schon besetzt war. Ich bin aber gerade zu faul, mir so ein Übersetzungsteil zu holen und die Rede wird sicherlich auch wieder irgendwo online geben- sie liest auch komplett ab. Aber ohne Ausflüge in komplett fremde Themen wie Seehofer eben. Zeit, um Rechtschreibfehler raus zu fischen. Jetzt ist sie pünktlich durch, es gibt Applaus. Und ich gehe gleichmal zur Pressekonferenz. Bis gleich.

Die Pressekonferenz

Bei der Pressekonferenz gibts auch Netz. Wie praktisch. Der Raum ist bald voll und die letzte Reihe steht voller Kameras der üblichen Fernsehsender. Es gibt also 15 Sekunden in der Tagesschau zu dem Thema. Die beiden Matadore, also die EU-Kommissarin und Seehofer nehmen jetzt Platz und alle Kameras stürzen sich erstmal auf sie. Ich fotografiere lieber das draufstürzen, was lustiger ist. Stefan Krempl von Heise schnappt sich gerade einen der letzten freien Plätze, da wirds also auch eine Zusammenfassung geben.

Seehofer startet und es gibt so eine Art Zusammenfassung der letzten Stunde. Die fünf Säulen Strategie der EU-Kommission zum Thema, welche gestern in Brüssel vorgestellt wurde, werden erwähnt. Das Ganze Thema Verbraucherrechte im Internet sei ja ein ungeheuer komplexes und dynamisches Thema. Man habe als Minister alle Hände voll zu tun, sich ständig damit zu beschäftigen. Lob aufs Telemediengesetz wegen Spamregeln, das hatten wir vor wenigen Tagen ja schon. Er will allen Menschen Zugang ermöglichen – da haben wir tiefe Gräben – er habe gerade vernommen dass dies ein europäisches Problem sei (!), aber vor allem eins in Deutchland. Nächstes Jahr bekommt er vielleicht mit, dass das ein globales Problem ist?

Er will Breitbandverkabelung als Instrument der Standortförderung zu betrachten. Infrastrukturmassnahmen könnten öffentlicher Förderung zukommen, hat man sich in seinem Ministerium mal überlegt. Das erste interessante. Jetzt redet er, was er immer als privater Nutzer erlebt – Sicherheit von personenbezogenen Daten seien zu gewährleisten, Menschen seien aufzuklären, damit sie mit Gefahren eigenständig umgeben können. Ein Mausklick löste in seiner Familie sowas wie einen Kaufvertrag aus. Er hatte Probleme, da wieder raus zu kommen. War wohl Tochter oder Sohn. Er möchte noch Edda Müller danken, der Chefin der „Bundeszentrale für Verbraucherschutz“ (o-ton – heisst eigentlich Bundesverband Verbraucherzentrale und sollte man eigentlich als zuständiger Minister wissen). Das Netz ist ausgefallen.Toll. Liegt vermutlich an der Wand an Kameras, die hinter mir sind. Die Kameraleute haben eben laut rumgepöbelt, als sich einer erdreistete, vorne noch einen freien Platz auszufüllen. Das führte zu 10 Sekunden Pause in der Rede von Seehofer. Bekommt man ja sonst vorm Fernseher nicht mit.

Erste Nachfrage zur Charta, ob die deutsch oder europäisch sei. Seehofer: „Die Charta ist deutsch“ (Spiegel-Online schreibt, die wäre europäisch, aber bei denen ist das ein Fehler). Später gibts nochmal eine weitere Nachfrage dazu: Ist die rechtsverpflichtend oder sind das nur Grundprinzipien? Seehofer: Eine Charta ist kein Gesetz. „Es sind Kernprinzipien, wo Formulierungen vom VZBV abgesegnet wurden“. Damit hat es eine „Wucht“ und „Wirkung“. Wow, ich bin beeindruckt. Ein Gesetz wäre mir aber lieber, was meine Rechte schützt. Kann ich das noch haben? Eine Charta sei kein Rechtsanspruch, sondern eine moralische Verpflichtung, die ausgestaltet werden muss.

Weitere Frage: Wer war an der Entwicklung der EU-Verbraucherschutz-Strategie beteiigt? Die Verbraucherschutzzentralen z.B.? Antwort der EU: „we could imagine“.. Das Ganze gehe ja noch bis 2010…. oh, nach 5 minuten labbern versteht sie, dass sie die Frage nicht verstanden hat und über was ganz anderes gelabbert hat. Toll findet sie, dass nach Vorstellung der Strategie der EU-Verbraucherschutz Dachverband BEUC seine Unterstützung zugesagt hat. Nach Vorstellung der Strategie. Die wurden also nicht beteiligt. Kennt man ja.

Meine Frage zu Verbraucherrechten im Urheberrecht

Ich hab mich ja schon vor 20 minuten auf die Redeliste setzen lassen, um mal Richtung Urheberrecht zu fragen. Mal schauen, ob ich noch dran komme. Meine Frage konnte ich mir lange überlegen. Ich probiere es mal damit:

„Als Verbraucher wurden mir in der Urheberrechtsdebatte in den letzten Jahren viele Rechte genommen. Jetzt werde ich auf EU-Ebene durch die ipred2 (Richtlinie zur Durchsetzung Geistigen Eigentums – reloaded) auch noch kriminalisiert . Wie wollen Sie zukünftig meine Verbraucherrechte schützen und durchsetzen?“

Ich kann sie stellen. Dann Stille. Kein Scherz! Seehofer verweist auf EU und kneift, das sei ja ein ein EU-Thema. Wieder Stille. Ich werde gebeten, meine Frage zu wiederholen, sie hat sie nicht verstanden, trotz Übersetzung. Dem komme ich gerne nach und wiederhole alles nochmal ausführlicher mit einzelnem Verweis auf die einzelnen Richtlinien EUCD, IPRED1 und IPRED2.

Wieder Stille. Sie fängt an mit „One of the missing path“ ihrer Strategie… Man müsste mal eine grössere Debatte starten und ich könnte mich bis Mitte Mai irgendwo an einer Konsulation beteiligen. Wo ist unklar. Dann noch der Verweis, dass meine Rechte nichts zählen, denn „IP Rights are very very important.“ Hey, auf ihrer Karte steht Verbraucherschutz-Kommissarin, nicht Musikindustrie-Lobby. Das wars! Nichts mehr! Seehofer kneift. Die hat weniger als als eine Minute gebraucht. Da hat mein Fragenstellen fast länger gedauert. Deren Job ist, meine Rechte zu schützen und das tun die in diesem Fall nicht. Kann man die wegen Arbeitsverweigerung belangen?

Und denke mir: Ich sollte öfters zu solchen Pressekonferenzen gehen und einfach mal Fragen stellen. Dann wieder Seehofer bei der nächsten Frage: „Man braucht ein Entschädigungsrecht für Verbraucher – wegen Second Life.“ Kein Scherz. Das Verbraucherministerium baut da sicherlich bald eine Repräsentanz, „zum besseren Dialog mit dem Bürger“. Ich geh mal rüber zur Konferenz.

Zurück zur Konferenz

Die Rede von dem Eco-Vorstand, Prof. Michael Rotert, hab ich kaum mitbekommen. Der vertritt die Wirtschaft und beschwerte sich, das Software unfertig ausgeliefert wird und forderte Software, wo man keinen Patch mehr für braucht.

Jim Murray von BEUC redet gerade und sagt kluge Worte zu Lizenzen und Entrechtung von Verbrauchern bei DRM & Co. Er fühlt sich auf EU-Ebene bei Online-Rechten als wenn er gegen eine Wand redet . Es gäbe eine starke Industrie-Lobby, die alles an Verbraucherrechten verhindert. Nachdem man ständig gefragt hat, war es irgendwann nicht mehr lustig und dann hat man halt mal nach einer Charta gefragt. Besser als nichts. Hat aber auf EU-Ebene niemanden interessiert.Also ist man von Ratspräsidentschaft zu Ratspräsidentschaft gezogen, um mal nach einer Charta zu fragen, um wenigstens mal Grundprinzipien zu haben. Seehofer habe als erstes mal geantwortet und gesagt, dass man das mal tun könne. Nach dem wäre die Chart wenigstens mal ein erster kleiner Schritt, den man ausbauen müsse. Der erste Schritt wäre immer der schwerste. Das Ergebnis kann man ja jetzt nachlesen. Hab ich schon gesagt, dass ich in dieser Frage befangen bin? Ich finde die Arbeit von BEUC nämlich prima,vor allem bei Verbraucherrechten im Urheberercht, aber auch bei anderen Themen.

Diskusison zwischen beiden. Eco-Mensch findet Selbstverpflichtungen toll und Gesetze nicht. BEUC-Mensch verweist darauf, dass Selbstverpflichtungen nichts bringen. Bizarrerweise würde ja die Wirtschaft beim Geistigen Eigentum ständig nach Gesetzen fordern und bekommen und nicht nach Slebstverpflichtungen. Eco-Mensch findet Gesetze für die Musikindustrie auch blöd, weil die Provider da zu etwas verpflichtet werden sollen. Er fordert runde Tische. Mal was ganz Neues.

Gleich gibts Essen. Ich fahr schonmal den Rechner runter, um Strom zu sparen. Mein Platz an der Steckdose ist leider mittlerweile besetzt.

Zu früh runter gefahren. Die letzte Frage kam nämlich vom BSA-Lobbyisten. Der fand es gar nicht in Ordnung, dass der Eco-Vertreter kritisiert habe, dass Software fehlerhaft sei. Bei seinem Redebeitrag gab es einige Lacher im Publikum, das war auch echt lächerlich. Aber der bekommt sicherlich genug Schmerzensgeld von seinem Verband, um solchen Müll auf Konferenzen zu erzählen. Dann beschwerte er sich noch beim BEUC-Menschen, dass DRM doch toll sei und er dafür aus über 300 Angeboten in Europa Musik legal kaufen könnte. Der Eco-Vertreter konkretisierte daraufhin nochmal seine Kritik und sprach explizit von dem einen Unternehmen, was durch seine monopolisttische Stellung eine Monokultur geschaffen habe. Und von Seiten des BEUC gabs nochmal schöne Kritik an DRM und dass die meisten Online-Stores schrott sind und eben keine Wahlfreiheit der Verbraucher zulassen.

Das Essen war gerade nett, Hühnchenbrust mit Mandarinensoße oder so. Ich sichere mir gerade schonmal einen guten Sitzplatz. Und kann noch etwas Mails beantworten.

Scoring – datenbasierte Bonitätseinschätzung zum Vorteil von Verbrauchern und Wirtschaft?

Jetzt gehts weiter. Als erstes spricht unser Datenschutzbeauftragte Peter Schaar und er freut sich, dass das Verbraucherschutzministerium sich auch mal um Datenschutz kümmert. Datenschutz wäre auch Verbraucherschutz, weil es ums Vertrauen in die digitale Welt gibt. Scoring wäre zu vergleichen mit Methoden, die fürher Wahrsagerinnen ausgeführt hätten um die Zuknuft zu erkennen. Die Prognosen wären nicht durchschaubar für den einzelnen. Das könne nur die Wahrsagerin. Die Wahrsagerin der modernen Welt hiese heute Scoring.

Unternehmen versuchen Risiken zu minimieren und würden dabei auf Kristallkugeln zurückgreifen, was ja auch ein rentables Wirtschaftsgut wäre. Das Problem wäre, dass die Fiktion besteht, ein individuelles Risiko aufgrund von Statistik erkennen zu können. Das wäre richtig und falsch zugleich. Das Problem aber wäre, dass der Einzelne wenig dazu beitragen kann, was denn da in der Kristallkugel erscheint. Weil man einer statistischen Gruppe zugeordnet werden würde. Arme Menschen könnten ebenso ihre Kredite immer bezahlen, wie reiche Leute bei Krediten betrügen könnten. Aber das würde Scoring nicht erkennen. Eine der Grundfrage wäre: „Was wissen die Anderen von mir und uns was machen sie mit diesen Informationen, die sie haben?“ Dann kam etwas Lob für die Schufa, weil kleine Fortschritte bei Transparenz des Scorings. Aber das reiche bei weitem noch nicht aus. „Das Wahrsagegeheimnis, also über die Daten, die mir zugeordnet werden, muss für mich transparent sein“. Es müsse immer transparent sein, was gescored wird und wie ich gescored werde.

Jetzt kommt Rainer Neumann von der Schufa. Für die Gäste aus dem Ausland gibt es erstmal eine Werberunde über die Schufa. Dann gehts los. Wenn er vor Banken redet, brauche er nur zu sagen, dass Scoring niedrigere Zinsen und niedrigere Kosten für den Verbraucher bringen und alle würden es verstehen und gehen. Aber irgendwie würden das die Verbraucher nicht so einfach verstehen. Dann bemüht er erstmal komplizierte Bildnisse über KO-Kriterien, wie Banken normalerweise arbeiten, die ich jetzt nicht einfach wiedergeben kann. Aber es gäbe ja auch noch Computer als Alternative, die viel mit viel Mathematik und Statisten eher Kredite vergeben als normalerweise die Banken. Das wären ja bessere Entscheidungen. Je mehr Parameter in der Mathematik verwendet werden, umso mehr Kredite würden vergeben. Mehr Leute bekämen mehr Kredit für dasselbe Risiko. Das wars auch schon. Jetzt gibts wenige Minuten Diskussion.

Schaar: Die Frage nach Minimierung von Risiken wäre nicht alleine entscheidend. Entscheidend wäre auch die Diskriminierung aufgrund von falschen Parametern. Und die fehlende Transparenz wäre ein weiterer Hauptpunkt. Verbraucher würden schon vor Kreditvergabe abgewiesen und niemand würde ihnen erklären, warum.

Ein Hinweis aus dem Publikum. Wenn jemand um einen Kredit anfragt und abgewiesen wird, kann er zu einer anderen Bank gehen und es versuchen. Aber mit jeder weiteren Kreditanfrage würde das Scoring verschlechtert und das würde dazu führen, dass man überhaupt keinen Kredit mehr irgendwo bekommt. Antwort der Schufa: Man habe den Banken ein neues Merkmal angeboten und das würde zukünftig nicht mehr passieren. Reaktion von Schaar: Schauen Sie in Zeitung Finanztest vom Februar diesen Jahres. Überwiegende Zahl der Fälle hat immer noch das Problem. In der Praxis wäre das noch nicht angekommen. Die Änderungen müsse jetzt durchgesetzt werden. Schufa: Dann spielen wir jetzt PingPong. Das dauere halt. Ein heutiger Test von Finanztest würde was anderes ausliefern. Nirgends auf der Welt gebe es ein transparenteres Scoring-Verfahren als bei uns. Ende.

Die RFID-Technologie – eine Innovation zum Nutzen des Verbrauchers und der Wirtschaft?

Jörg Pretzel von der RFID-Lobby spricht explizit auch als Konsument. Sagt er gerade und das hört man heute von allen Industrie-Lobbyisten bei ihren Redebeiträgen. Wo lägen die Vorteile aus Sicht der Wirtschaft und der Konsumenten, will er jetzt erklären. Öffentliche Diskussion habe ergeben, man dürfe nicht nur über Nutzen reden. Kurze Werbepause für das Informationsforum RFID. Intensive Diskussion mit Verbraucherschützern gestartet. Er wäre selbst seit zwei Jahren an diesem Dialog zu beteiligen. Kurze Werbepause, was RFID ist. Vorteile für Wirtschaft: Kosteneinsparungen in der Logistik. Umsatzsteigerungen durch höhere Verfügbarkeit von Waren und höherer Kundenservice dadurch. Rückverfolgbarkeit von Produkten um schwarze Schafe zu entdecken wäre prima- Gammelfleisch. Eine Menge Vorteile für Verbraucher: Höhere Qualitätssicherung, weniger Produktpiraterie, die Einkaufswelt ändere sich für Verbraucher im positiven Sinne. Tolle neu Produktwelten, z.b. intelligente Umkleidekabinen. „Wir sind völlig committed zum Thema Datenschutz“. Noch wären keine personenbezogene Daten auf den Chips. (Dafür gibts auch Kundenkarten). Man bemühe sich um Aufklärung. Emotionen und Effekthaschereien wären hier falsch am Platz. Für ein paar angekündigte kurze Worte redet er jetzt ganz schön lange. Zusammenfasung von ihm: RFID wird Verbrauchern künftig das Leben erleichtern, hilft bei Prozessoptimierung und Kosteneinsparungen und kann Leben retten. Toll.

Jetzt spricht Anna Fielder vom National Consumer Council (UK). Die ist nett, habe sie eben in der Pause kennengelernt. Vorteile gebe es ein paar bei RFID. Lebensmittelsicherheit, Markierung von Kühen und Medikamentensicherheit. Aber es gebe auch viele Probleme. Sie zeigt die Oystercard, ist wohl die Londoner ÖPNV-Karte. Hätte viele Vorteile für sie. Probleme gebe aber auch einige. Patente wären sehr interesant bei der REcherche der Risiken, um zu schauen, was die Industrie alles so zukünftig machen will. Da gehe es viel um Überwachung der Verbraucher. Philipps habe ein Patent, um Sensoren in Teppiche einzuweben. Verbraucher würden gar nicht mehr mitbekommen, wenn sie über Teppiche laufen, dass sie getrackt werden. Man könne auch schon bei den neuen US-Kreditkarten personenbezogene Daten wie Name, Nummer, etc. automatisch auslesen. Verbraucher müssen Entscheidungen aufgrund von Transparenz fällen können (Informierte Wahlfreiheit -Mündiger Verbraucher). Das wäre oft beim Einsatz von RFID überhaupt nicht gewährleistet. Sie kommt zurück zu ihrer Oyster-Karte, die auch genutzt werden konnte, ihren Weg zu tracken. Nach Protesten von Verbraucherschützern gebe es jetzt pseudonymisierte Karten, wo zwar noch die Nummer getrackt wird, man sie aber nun anonym kaufen können und diese aber nicht mehr personenbezogene Daten erhalte. Man brauche ein gutes rechtliches Framework, um Verbraucherrechte bei der RFID-Technologie zu gewährleisten. Als Beispiel bringt sie noch die Druckerpatronen von HP und Dell, wo RFID verhindert, dass man billigere Druckerpatronen von anderen Wettbewerbern kaufen könnte. Das würde sich auf weitere Bereiche ausdehnen und aus Verbrauchersicht wäre das inakzeptabel, weil der Wettbewerb behindert wird.

In der Diskussion erklärt der RFID-Lobbyist, dass man höchstens Selbstverpflichtungen wolle. (Überraschung) Die schwarzen Schafe könne man eh nicht verhindern. Frage aus dem Publikum: Es gäbe weitere Szenarien. Kriminelle, die RFID-Chips implementiert bekommen nach der Haft, Kinder, die Chips bekommen, um zu kontrollieren, ob sie zur Schule kommen, Arbeitsnehmer, die auf Pausen kontrolliert bekommen. Wo setze man die Grenzen? Kurze Antwortrunde. RFID-Lobby: Wir müssen uns da in eine Diskussion begeben… Verbraucherschützerin: Absolut dagegen, dass einem Menschen RFID-Chips eingepflanzt werden.

Langweilige Session war das gerade. Trotz Kaffee bin ich müde geworden.

So, das wars für heute live aus dem Presse- und Informationsamt der Bundesregierung. Gleich gibts noch einen Vortrag zu Sicherheit im Internet und dann eine Podiumsdiskussion mit Politikern und Microsoft. Aber das spare ich mir jetzt. Ich will wieder ins Büro.

Weitere Meldungen zu dieser Konferenz:

Donnerstag, 15.März 2007: Charta Verbrauchersouveränität in der digitalen Welt 2007
Sonntag, 11. März 2007: Konferenz des Verbraucherschutzministeriums zur digitalen Gesellschaft

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13 Ergänzungen

  1. WOW! Spannend…und vielen Dank für die Mühe…als wäre man selbst dabei!

    …und ja: ich möchte auch gerne für die 5 Stunden, die ich in SL meinte verbringen zu müssen, entschädigt werden : )!

  2. Ich glaube, ich bin ganz froh dass mir heute so viel dazwischen gekommen ist dass ich nicht wie geplant zur Konferenz gehen konnte … Danke für die Mühe, Markus, sehr ehrenwert!

  3. Grossartiger Bericht… aber im Ernst:

    „Man konnte bis vor kurzem in Tauschbörsen kostenlos Musik herunterladen. Seit dem dramatischen Kaufeinbrüchen der Musikindustrie setzt diese immer mehr durch, dass jetzt für Musik bezahlt werden muss.“

    Hat Seehofer das wirklich so gesagt?

    Ich breche schlicht und ergreifend zusammen.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.