Kritisches Schreiben in ein kritisches Coding überführen – klingt leichter als getan. Caroline O’Donovan spekuliert in einem Artikel wie mit Reverse Engineering journalistische Kritik geübt werden kann. Der Begriff Reverse Engineering (RE) ist dem Maschinenbau entnommen und wird im Zusammenhang mit digitaler Technologie seit einiger Zeit stärker diskutiert. Zu deutsch, umgekehrt entwickeln, rekonstruieren – geht es vor allem darum das Innenleben von Geräten und Objekten kennenzulernen. Durch diese Öffnung können ihre Funktionsweisen und Prinzipien analysiert werden. Mit Reverse Engineering wird auch der Anspruch formuliert an diesem ‚inneren‘ Wissen teilzuhaben, die Wechselwirkung aller Teile untereinander bzw. den Quell-Code zu verstehen. Und möglicherweise als eine journalistische Praxis vermittelbar zu machen.
O’Donovan bemerkt, dass unsere Tendenz Technik zu vertrauen es schwieriger macht ihr gleichzeitig kritisch gegenüber zu bleiben. Bestärkt wird dieses Phänomen dadurch, dass technologische Objekte weniger auf sich, als etwas technisch gemachtes aufmerksam machen, sondern sich zunehmend durch ein Design des Verschwindens zu einer Beiläufigkeit entwickeln. Diese greift in allen Aspekten des Lebens und konstituiert unserer Wahrnehmung von Wirklichkeit .
Die Quell-Codes der Endprodukte mit denen wir momentan am häufigsten interagieren, werden nach wie vor als Betriebsgeheimnisse gehandelt und unterliegen in den Vereinigten Staaten zum Beispiel, der Ausnahme-Regelung 4 des Freedom Of Information Act (FOIA). An diesem Verschluss regelt sich die Verteilung von Wissen und Profit. ‚Öffnung‘ bedeutet aus dieser Perspektive mit den Software-Schreibern selbst in einen Dialog zu treten und politisch-rechtliche Schnittstellen in der Software-Entwicklung bewusst transparenter zu gestalten.
Dies lässt die momentane Lage jedoch nicht zu, entsprechende Unternehmen und Regierungen sind rechtlich nicht gezwungen Informationen über ihre Algorithmen herauszugeben. Damit wird Reverse Engineering zu einem weiteren Prinzip um zumindest auf diese Black-Box-Systeme reagieren zu können.
Inzwischen wird der Term auf unterschiedliche Vorgänge angewandt Es heißt,
„putting things into an algorithm, observing what comes out, and using that information to make some guesses about what happend in between – the zone of the black box […] Taking something apart is a good way of learning how it works.“
Im Kontext Journalismus konnte Propublica zum Beispiel mit dem Projekt Message Machine selbst Initiative ergreifen. Ohne mit den Machern der Obama-Kampagne selbst sprechen zu müssen wurde die Wahlkampf-Methode personalisierte Email – ‚reversed‘. Mit Hilfe der Leserschaft wurden alle eingesandten Emails einer maschinellen Sprachverarbeitung unterzogen und mit persönlichen Fragebögen abgeglichen. Dadurch erfuhren die LeserInnen aufgrund welcher Informationen ihre Profile von den Kampagnen gezielt erfasst werden konnten. In so einer Zusammenarbeit könnte digitale Souveränität weiter ausgebaut werden.
Trotzdem ist dieses Verfahren noch am Anfang und sollte mit Vorsicht angegangen werden. Weiter wird ausgeführt, dass es nicht ein mal IngenieurInnen, welche die Software schreiben immer gelingt deren Lernverhalten stets überschauen zu können. Als Mittel der Reportage verkompliziert es mit unter, denn die Komplexität in den Algorithmen handeln ist schwer vorhersehbar.
Ohne jemanden beleidigen zu wollen, aber ich musste erst den englischen Artikel lesen bevor mir eindeutig klar war worum genau es geht. Das hat mich schon etwas überrascht.