Rechtsprofessor kritisiert EU-Urheberrechtspolitik

Professor Bernt Hugenholtz vom Institute for Information Law an der Universität Amsterdam hat einen offenen Brief an unseren EU-Präsidenten Barroso geschrieben, indem er sich über die aktuellen EU-Pläne rund um Urheberrechte & Co. verwundert zeigt. Zur Vorgeschichte muss man wissen, dasss Hugenholtz und andere in den letzten beiden Jahren zwei grosse Studien zur Urheberrechts-Politik im Auftrag der Policy-Unit der EU-Kommission erstellt hat.

Diese sind:

* The Recasting of Copyright & Related Rights for the Knowledge Economy
* Study on the Implementation and Effect in Member States‘ Laws of Directive 2001/29/EC on the Harmonisation of Certain Aspects of Copyright and Related Rights in the Information Society

Die EU-Kommission hat im Juli ein vorausschauendes „Intellectual Property Package“ veröffentlicht. Konkret geht es um die geplante Verlängerung von Urheberrechts-Schutzfristen auf 95 Jahre und das Grünbuch “Urheberrechte in der wissensbestimmten Wirtschaft”. Und die Forschungsergebnisse aus den von der EU-finanzierten Studien seien dabei überhaupt nicht eingeflossen. In dem offenen Brief bringt Hugenholtz zum Ausdruck, dass man selbstverständlich annehme, dass nicht alle Handlungsempfehlungen übernommen werden würden. Aber man sei doch sehr verwundert, dass die Studien anscheinend keinerlei Rolle spielen würden:

What we would expect however is that our work, which was expressly commissioned by the policy unit in charge of these proposals, be given the appropriate consideration by the Commission and be duly referenced in its policy documents, in particular wherever the Commission’s policy choices depart from our studies‘ main recommendations.

Hugenholtz nimmt Bezug auf den Anspruch einer „Better Regulation“-Policy durch die EU-Kommission, was Teil der Lissabon-Agenda ist und wo die Rede davon ist, dass man den EU-Gesetzgebungsprozess transparenter machen wolle. Aber verwunderlich sei es dann, wenn eigene finanzierte Forschungsergebnisse komplett ignoriert werden würden. Diesen Anspruch von Transparenz würde das aktuell diskutierte IP-Package (Nicht zu verwechseln mit dem Telekom-Paket!) nicht erfüllen:

As you are certainly aware, one of the aims of the `Better Regulation‘ policy that is part of the Lisbon agenda is to increase the transparency of the EU legislative process. By wilfully ignoring scientific analysis and evidence that was made available to the Commission upon its own initiative, the Commission’s recent Intellectual Property package does not live up to this ambition. Indeed, the Commission’s obscuration of the IViR studies and its failure to confront the critical arguments made therein seem to reveal an intention to mislead the Council and the Parliament, as well as the citizens of the European Union.

Vielmehr würde die EU-Kommission wieder den Eindruck erwecken, dass die eigene Politikgestaltung kein Produkt eines rationalen Entscheidungsprozesses sei, sondern von bestimmten Lobby-Interessen geschrieben werde:

In doing so the Commission reinforces the suspicion, already widely held by the public at large, that its policies are less the product of a rational decision-making process than of lobbying by stakeholders. This is troublesome not only in the light of the current crisis of faith as regards the European lawmaking institutions, but also – and particularly so – in view of European citizens‘ increasingly critical attitudes towards intellectual property law.

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