IFPI-Wunschliste an Merkel

Die Lobby-Show mit Udo Jürgens wird noch bunter. Während die deutsche IFPI eine eher belanglose Pressemitteilung veröffentlichte („Bundeskanzlerin trifft Vertreter der internationalen Musikindustrie“), gibts bei der internationalen IFPI inhaltliches zu lesen: „ International heads of recorded music industry raise crisis of recorded music market in Germany with Chancellor Angela Merkel“.

Merkel ist momentan in drei verschiedenen Rollen interessant für die Musikindustrie. Sie ist als Bundeskanzlerin mit dem 2. Korb der Urheberrechtsrefom und der ersten Durchsetzungsrichtlinie involviert, hat die EU-Ratspräsidentschaft inne und ist Gastgeberin des kommenden G8-Gipfels. Bei letzteren beiden Funktionen ist einer ihrer Schwerpunkte, einen weiteren noch stärkeren Schutz von Geistigen Eigentumsrechten zu erreichen.

Konkret fordert die IFPI folgendes:

* Introduce an obligation on ISPs to terminate service to subscribers abusing the service to make infringing content available
* Permit CD burning only from own legally purchased original and prohibiting copying by third parties
* Improve the German draft law implementing the EU Enforcement Directive to ensure proper tools to fight piracy
* Ensure that the EU plays an active role in the WTO case against China on Intellectual Property enforcement and market access
* Urge the Czech government to clean up the huge pirate markets on the Czech-German border
* Support an improvement in the length of the EU term of protection on sound recordings to match the level of protection provided in the U.S.

Hier mal eine Übersetzung:

* Beim ersten Punkt ist mir unklar, ob Internet-Service-Provider dazu verpflichtet werden sollen, Internetzugänge zu kappen, (wenn darüber urheberrechtlich geschütztes Material ohne Erlaubnis zugänglich gemacht werden) oder nur die bestimmte Services (beispielsweise Bittorrent). Auf jeden Fall klingt das nach Zensurinfrastrukturen zum Wohle der Musikindustrie.
* Kopieren soll nur von legal erworbenen Original-Medien erlaubt sein , alles andere soll verboten werden.
* Die Staffelung einer Erstabmahnung im Rahmen der Durchsetzungsrichtlinie auf pauschal 50 Euro wird kritisiert und man wünscht sich härtere Werkzeuge zur Bekämpfung und Bestrafung von Filesharing und Kopieren.
* Die Bundesregierung soll sich gefälligst darum kümmern, dass die tschechische Regierung „Piraterie“-Märkte an der deutsch-tschechischen Grenze aufräumt.
* Die EU soll in der WTO stärker Druck auf China machen, um den Schutz von Geistigen EIgentumsrechten und Marktzugänge durchzusetzen.
* Ausserdem sollen die Schutzlaufzeiten für Udo Jürgens & Co auf US-Niveau (Von 50 auf 95 Jahre) angepasst werden.

John Kennedy, Vorsitzender der IFPI, verkündet den Erfolg der Lobby-Aktion:

: “The international recording industry has now taken its concerns about the state of the German music market to the highest political level in Europe. We left the meeting appreciative of the fact that the Chancellor understood the nature of the problems we are facing and is willing to play a role in seeking a solution to them. If the German government acts now, we are confident that the German music industry could reverse the decline and be viable again in three to five years.”

Wenn alle Wünsche umgesetzt werden, wird der Politik eine rosige Zukunft der deutschen Musikbranche in kurzer Zeit versprochen (Irgendwo muss dann ein Goldesel Geld ausspucken, so dass sich die veränderten Medienbudgets der Verbraucher dafür vergrössern, um CDs zu kaufen). Kostet ja auch fast nichts, ausser vielen Kollateralschäden für eine digitale Gesellschaft durch die Aufgabe von Verbraucherrechten und eine Kriminalisierung der digitalen Generation. Ironisch könnte man auch sagen, dass Merkel ihre Bürgern die Möglichkeit verschliesst, ihren Video-Podcast zu bewundern, wenn man durch falche Gesetzgebung für den Download eines Songs vom Netz ausgeschlossen wird. Wo sind wir dahin gekommen, dass die Musikindustrie sich wünscht, dass man vom Netz zur Strafe ausgeschlossen wird, wenn man Musik zu nicht-kommerziellen Zwecken tauscht, wie früher auf dem Schulhof? Kein Zugang mehr für Tauschbörsennutzer?

Kann man vielleicht mal gebrauchen: Hier gibt es ein Gruppenfoto mit Angela Merkel und hier von Brigitte Zypries in Remix-kompatbler hoher Auflösung.

Update: Bei Golem findet sich jetzt ein Nachbau dieser Meldung, aber ohne Verweis hierauf: Musikindustrie und Udo Jürgens setzen Kanzlerin unter Druck.

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8 Ergänzungen

  1. Kleine Ergänzung zur Wunschliste der IFPI zum Thema Durchsetzungsrichtlinie (oder vielmehr Durchsetzungsgesetz, denn das ist jetzt beim Deutschen Bundestag anhängig, da konzentriert sich die Lobby drauf):

    Die Industrie will vor allem den Richtervorbehalt bei Auskunftsersuchen gemäß Durchsetzungsgesetz kippen. Heißt: Irgend so’n Anwalt schreibt an Deinen Provider und saggt: Der Bösewicht mit der IP-Nummer soundso hat meine Rechte verletzt, Namen und Adresse her!

    Wenn kein Richter das vorher prüft, prüft es de facto niemand. Dann kann, genügend Chuzpe und Begabung zum Lügen vorrausgesetzt, jeder das mit jeder beliebigen IP-Adresse machen, einfach mal so aus Neugier, mit bösen Absichten, oder warum auch immer.

  2. Für mich liest sich „terminate service“ hier so, dass der Internetzugang vom Provider gekündigt werden soll. Scheint jedenfalls ein typischer englischsprachiger Rechtsausdruck in Verträgen zu sein (sieht man, wenn man mal danach sucht).

  3. Heute steht zu dem Thema auch was bei SPIEGEL ONLINE. http://www.spiegel.de/netzwelt/tech/0,1518,482993,00.html

    Dort hat man – wie immer – besonders gründlich recherchiert und deshalb kann der Autor die unterschiedlichen Laufzeiten von Urheber- und Leistungsschutzrechten ganz toll erklären:

    „Das Leistungsschutzrecht erlischt 50 Jahre nach Erscheinen des Tonträgers, das Urheberrecht 70 Jahre nach Tod des Urhebers. Das bedeutet: Udo Jürgens Rechte an seinen Kompositionen und Texten laufen aus, so lange er lebt.“

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.