#np13 – Big-Data-Kampagnen im Wahlkampf

Adrienne Fichter und Martin Fuchs haben auf unserer Konferenz einen Überblick über die Online-Werbung von Parteien in sozialen Medien gegeben. Es gebe zu wenig Transparenz, aber Zivilgesellschaft und Öffentlichkeit arbeiten an dem Thema. Forschung sei nötig, um die Mechanismen solcher Werbung zu analysieren.

Der Titel des Vortrags war: „Big-Data-Digitalkampagnen im Wahlkampf – Bombe oder Mythos?“ CC-BY-SA 4.0 Jason Krüger

Am 1. September 2017 fand unsere vierte „Das ist Netzpolitik“-Konferenz im Kosmos in Berlin statt. Alle Vorträge finden sich als Audio und Video hier (Media CCC) und hier (Youtube).

Die Journalistin und Autorin Adrienne Fichter und der Blogger und Politikberater Martin Fuchs haben in ihrem Vortrag das Thema Dark Ads im Wahlkampf vorgestellt, über das wir auch die Hintergründe zusammengetragen haben. Dark Ads sind Werbeanzeigen in sozialen Medien, die nur bestimmten Gruppen von Nutzern angezeigt werden – je nachdem, wie eine Plattform die Interessen derjenigen einschätzt. In den vergangenen Wahlen in den USA und Großbritannien wurden sie viel eingesetzt.

Auch in Deutschland setzen Parteien sie ein, so zum Beispiel die CSU. Facebook-Nutzern, die „RT Deutsch“ und „CSU“ gelikt haben, wurde ein Zitat von Horst Seehofer in kyrillischer Schrift angezeigt.

Keine Transparenz

Das Problem ist, so Adrienne und Martin, dass Dark Ads sich nicht stark von anderen Facebook-Postings unterscheiden. Man sieht mitunter in schwer leserlicher grauer Schrift, dass ein Beitrag „gesponsort“ ist. Auf den Urheber zu klicken, führt einen dann aber nicht notwendigerweise auch zur Partei. Damit können Nutzer nicht eindeutig sagen, ob politische Werbung von einer Partei geschaltet wird oder von Privatpersonen.

Die Dark Ads werden unter anderem auf der Grundlage von Likes geschaltet. Aus diesen können Plattformen mit relativ hohen Wahrscheinlichkeitswerten Persönlichkeitsmerkmale von Nutzern vorhersagen. Das ist aber, so Adrienne, zumindest in Deutschland ein rechtliches Problem:

Es gibt sensible Daten, die gar nicht verarbeitet werden dürfen, wie beispielsweise Gesundheitsdaten oder die sexuelle Orientierung.

Dark Ads könnten Filterblasen verstärken, aber auch durchbrechen

Solche Werbung kann dazu führen, dass verschiedene Wähler nur noch die Themen und Forderungen angezeigt bekommen können, die sie mutmaßlich interessieren. Dadurch kann Öffentlichkeit verloren gehen, da Themen nicht mehr gemeinsam besprochen werden. Dies könnte den Filterblaseneffekt weiter vorantreiben. Die Linkspartei habe in Sachsen, so Martin, allerdings gezeigt, dass gezielte Dark Ads auch Filterblasen durchbrechen können.

Außerdem handelt es sich um Werbeanzeigen, die nahezu in Echtzeit angepasst werden können, also sehr flüchtig sind. Da bleibt den Medien und der Öffentlichkeit manchmal keine Zeit, Aussagen und Behauptungen zu überprüfen.

Zivilgesellschaft bringt Licht ins Dunkel

Es gibt aber Initiativen, die etwas Licht ins Dunkel bringen wollen: Adrienne und Martin haben vor drei Monaten auf Twitter den Hashtag #politikads ins Leben gerufen und damit darum gebeten, ihnen Beispiele für Dark Ads zu schicken. Mittlerweile arbeitet Buzzfeed mit der Nichtregierungsorganisation WhoTargets.me bei der automatisierten Analyse von Dark Ads zusammen. Dafür müssen Nutzer sich ein Browser-Plug-In herunterladen.

Die beiden weisen darauf hin, dass das Thema schlecht erforscht sei und man zu diesem Zeitpunkt lediglich Thesen aufstellen könne. Das liege daran, dass Facebook nicht mit Forschern zusammenarbeiten will und sich dabei auf die Wahrung seiner Geschäftsgeheimnisse beruft. Martin sagt:

Ich glaube nicht, dass die Demokratie jetzt in Gefahr ist in diesem Wahlkampf, das sagen die Medien ja gerne.

Martin und Adrienne ist es am wichtigsten, jetzt eine gesellschaftliche Diskussion über Dark Ads zu starten. Denn so würden Nutzer auch anfangen zu verstehen, wie genau ihr Verhalten auf großen Plattformen schon seit Jahren analysiert, monetarisiert und genutzt wird.

Der Vortrag ist auch als Audio verfügbar:


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Eine Ergänzung

  1. Ähm, äh, äää
    So viele brillante Information, bitte beim nächsten Mal die Fülllaute lassen, das würde mir sehr bei der Texterfassung helfen.

    Vielen Dank

    Steffen

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.