Razzia bei Radio DreyecklandStaatsanwaltschaft wollte sogar IP-Adressen

Bei der Hausdurchsuchung beim Sender Radio Dreyeckland wegen Setzens eines Links hat die Polizei Kommunikation mit Journalist:innen und Quellen beschlagnahmt und kopiert. Die Staatsanwaltschaft wollte sogar alle IP-Adressen der Menschen haben, welche die Webseite des Senders besucht hatten. Der Sender kritisiert einen tiefen Eingriff ins Redaktionsgeheimnis.

Hausfront mit viel Pflanzenbewuchs
Der Sender sitzt auf dem idyllischen Grethergelände in Freiburg. CC-BY-SA 3.0 Joergens.mi / Wikipedia

Im Fall der Durchsuchung des freien Senders Radio Dreyeckland (RDL) sind neue Details bekannt geworden. Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe hat dabei nach Angaben des Radios teilweise unverschlüsselte Speichermedien von Mitarbeiter:innen des lizenzierten Radiosenders beschlagnahmt und diese kopiert. Der Sender sieht darin einen tiefen Eingriff in das Redaktionsgeheimnis, es sei auch Kommunikation mit Journalist:innen und Quellen betroffen. Radio Dreyeckland fordert die sofortige Einstellung des Ermittlungsverfahrens und die Löschung der erhobenen Daten. Der Sender kündigte an, die Pressefreiheit notfalls auch juristisch bis zum Bundesverfassungsgericht zu verteidigen.

Darüber hinaus hätte die Staatsanwaltschaft versucht, beim Webhoster des Senders alle IP-Adressen herauszubekommen, welche einen Artikel besucht hatten, in dem der Sender auf das Archiv von linksunten.indymedia.org verlinkt hatte. „Nach dem ersten Blick in die Akten wird klar, dass die Staatsanwaltschaft bei unserem Hoster sogar alle IP-Adressen erfragt hat, die in letzter Zeit auf rdl.de zugegriffen haben“, so der RDL-Techniker Franz Heinzmann in einer Pressemitteilung. Das hätte nicht nur die rund 150 Sendungsmachenden betroffen, sondern alle Hörer:innen und Nutzer:innen von Radio Dreyeckland, die über die Webseite auf Programminhalte zugreifen, so Heinzmann weiter.

„Gerade noch so verhindert“

„Hätte unser Hoster der geforderten Herausgabe nach Benutzeranmeldungen und Identifikation entsprochen, hätte er der Staatsanwaltschaft einen Zugang zu unseren Server geben müssen, so dass sämtliche Radiokommunikation der letzten 25 Jahre bei der Polizei gewesen wären“, erklärt Heinzmann. „Nur durch die Intervention unserer Anwältin konnte das geradeso noch verhindert werden, so dass der Staatsanwalt versprach, die Anfrage an den Hoster zurückzuziehen.“ Schriftlich hat Radio Dreyeckland diese Bestätigung nach eigenen Angaben allerdings noch nicht.

Vorwürfe macht der Sender auch der zuständigen Landesmedienanstalt, welche den Vorgang gegen den Sender nicht moniert habe. Gleichzeitig habe die Staatsanwaltschaft aber auch nicht die Aufsichtsbehörde über die Ermittlungen informiert.

Die Polizei Freiburg hatte am 17. Januar im Auftrag der Staatsanwaltschaft Karlsruhe Räume des Freiburger Radiosenders und zwei Privatwohnungen durchsucht. Laut Polizei habe es einen Verdacht auf einen Verstoß gegen ein Vereinigungsverbot (§ 85 StGB) gegeben. Anlass war, dass der Sender in einem Artikel einen Link auf das Archiv von linksunten.indymedia.org gesetzt hat.

Das Bundesinnenministerium unter Thomas de Maizière (CDU) hatte die linke Medienplattform im Wahlkampf 2017 verboten. Der Schritt war damals als ein Missbrauch des Vereinsrechts kritisiert worden. Die inkriminierte Plattform existiert heute nur als Archiv weiter, wird aber nicht mehr aktualisiert.

Scharfe Kritik von Bürgerrechts- und Journalistenverbänden

Schon direkt nach der Durchsuchung bei Radio Dreyeckland hatten Bürgerrechts- und Journalistenverbände die Maßnahme kritisiert. Joschka Selinger von der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) sagte gegenüber netzpolitik.org, dass die Durchsuchung der Redaktionsräume einen tiefgreifenden Eingriff in die grundrechtlich geschützte Presse- und Rundfunkfreiheit darstelle:

Die Staatsanwaltschaft verkennt die Bedeutung der Pressefreiheit, wenn sie den Anfangsverdacht auf das Setzen eines Links in einem redaktionellen Beitrag stützt, der erkennbar der Berichterstattung über ein zeitgeschichtliches Ereignis dient. Das Setzen von Links in redaktioneller Berichterstattung ist sozial erwünscht und durch die Pressefreiheit privilegiert. Eine Strafbarkeit ist nur in eng begrenzten Ausnahmefällen denkbar, andernfalls drohen der Presse unkalkulierbare Strafbarkeitsrisiken.

Auch Reporter ohne Grenzen (RSF) verurteilte die Maßnahme: „Wir kritisieren die Durchsuchung der Redaktionsräume des Senders Radio Dreyeckland durch die Polizei“, sagte RSF-Geschäftsführer Christian Mihr gegenüber netzpolitik.org. „Durchsuchungen von Redaktionsräumen gefährden immer auch den Quellenschutz. Sie schrecken davon ab, sich mit vertraulichen Informationen an Journalistinnen und Journalisten zu wenden.“

14 Ergänzungen

  1. .. bleibt festzustellen, dass diese Verhältnisse in einem grün-schwarz regiertem Bundesland herrschen. Wer sich wie ein Autokrat verhält, der darf auch so genannt werden.

  2. Welche Konsequenzen für die Staatsanwaltschaft hätte das denn, wenn RDL erfolgreich gegen die HD und die Anfrage vorginge? Nur ein „das war illegal“ und fertig, so wie es z.B. bei der illegalen Waldräumung in NRW passierte, oder echte Konsequenzen / Strafen?

    1. Keine.

      Für strafrechtliche Konsequenzen müsste einer Person eine strafbare Handlung nachgewiesen werden. Die übliche „andere Rechtsauffassung“ ist problemlos.

      Für dienstrechtliche Konsequenzen: siehe oben.

      Für karriererelevante Konsequenzen müsste Justizbehörde oder Dienstherr Anstoß nehmen. Das ist üblicherweise bei derartigen Aktionen eher das Gegenteil. Einen Konzernchef zu durchsuchen ist hochriskant, einen linken Sender immer gern gesehen.

      1. Rein formal: wenn die StA in dem Antrag nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig die Unwahrheit geschrieben hat, hat sie nichts zu befürchten, schliesslich hat den Beschluss ein Richter geprüft und genehmigt.

        Dem Richter Rechtsbeugung oder Verfolgung Unschuldiger nachzuweisen hat sehr hohe Hürden. Karriereknick in der gelinde konservativen BaWü-Richterschafft?

  3. Also zu dem Hoster sind mir jetzt zwei Sachen unklar:
    • selbst wenn der Hoster der Herrausgabeforderung entsprochen hätte, hätte er ja wohl hoffentlich die gewollten Daten höchstens selber ausleiten und weitergeben können, weil er Passwörter ja wohl hoffentlich nicht im Klartext speichern wird?
    • mit „Radiokommunikation der letzten 25 Jahre“ ist das Mailarchiv der Redaktion gemeint, oder was?

    1. Das ist in der Tat etwas unverständlich. Ich nehme an, dass der Server beim Hoster steht und der auch eine Logdatei hat, wo die Seitenaufrufe mit IP-Adresse gespeichert werden. Allerdings wird so eine Logdatei schnell groß, selbst nach komprimieren ist irgendwann mal der ganze Festplattenplatz weg.

      So werden sicherlich die IP-Adressen der letzten 25 Jahre nicht zu kriegen sein. Was beim Arrangement des Textes mein erster Gedanke war. Aber ist es schon eine Frechheit jedem, zu unterstellen er wäre ein Verbrecher, nur weil er die Seite besucht hat. Aber ich gehe mal davon aus, dass die Verbrecher von der Staatsanwaltschaft alles vom Server kopieren würden, was sie in ihre Drecksfinger kriegen, jedenfalls wenn sie das Ding nicht gleich mitnehmen.

      Bei einem Linux-Server brauchst du ja nur das Root-Passwort um an alles rannzukommen. Und selbst wenn du das nicht hast, brauchst du den Server ja nur physisch in deinen Händen zu haben. Dann kannst du zum Beispiel mit einen Bootstick rann. Es sei denn die Festplatte ist verschlüsselt.

      Sag mal Makus sind der Server, andere Computer und Datenträger von Netzpolitik auch verschlüsselt? Immerhin hat der Staatsverbrecher Maaßen auch mal einen Landesverratverdacht gegen euch herbeifantasiert oder so ähnlich.

  4. Es heißt immer, die wären nicht verrückt, … doch sind sie es. Toll, verrückt. Und es wird nicht besser.

    Verrückt und tödlich, intelligent, vernetzt… schließt sich ja alles nicht aus.

  5. Man wird bei solchen Aktionen den Verdacht nicht los, dass es der Polizei da vor allem um Beifang geht.

    Siehe auch die Geschichte um Andi „Du bist so 1 Pimmel“ Grote. Dazu gibt es ein paar kuriose Fakten. Zunächst: Andi Grote hat nicht einfach so die Beleidigung angezeigt. Es war ein Polizist, der sich extra die Mühe gemacht hat, eine Anzeige bei Andi Grote anzuregen, denn Beleidigung ist ein Antragsdelikt.

    Nach der Anzeige ist der Tatverdächtige dann sogar freiwillig zur Vorladung bei der Polizei erschienen. Doch offenbar genügte das nicht, denn wie wir alle wissen, wollte die Polizei dennoch unbedingt in einer morgendlichen Razzia das Handy beschlagnahmen – und landete versehentlich bei der falschen Adresse, nämlich der der Ex-Freundin.
    Warum der ganze Aufwand, wenn der Tatverdächtige doch kooperativ war und die Tat eher so minderschwer? Warum geht überhaupt ein Polizist extra zum Innensenator, um dort eine Anzeige wegen einer ziemlich belanglosen Beleidigung auf Twitter anzuregen?

    Stellt sich raus, dass der Mann Wirt der Hamburger Kneipe „Zoo Bar“ ist, die sich auf Twitter als selbst als antifaschistisch bezeichnet – und plötzlich merkt man, wie die Puzzleteile zusammenfallen und man wird das Gefühl nicht mehr los, dass die Polizei hoffte, auf dem Handy möglicherweise Kontakte und Chats in die linke Szene zu finden….

    1. >>> „Du bist so 1 Pimmel“ Grote

      Ich glaube man sagt inzwischen „1-Pimmel-Grote“. Das wird quasi schon als Einheit verwendet.

      Walkietalkiemasta-Klaus

  6. Es ist an sich schade, dass die die Daten nicht bekommen, und bei allen Inhabern eine Hausdurchsuchung gemacht haben. So köchelt das auf kleiner Flamme unter der Öffentlichkeit.
    Wenn bei möglichst vielen das ganze hochkocht, ist das eine Voraussetzung, dass die Rechtslage mal überdacht und ggf. verbessert wird. Aber dann ist natürlich auch noch die Sache das #neuland in D immer noch hochkriminell ist …

  7. Was ich nicht so ganz kapiere: Das vorgeworfene Vergehen war das Setzen eines Links. Was in Bezug darauf verspricht sich generell eine Staatsanwaltschaft von einer Redaktionsdurchsuchung? Was soll die beweisen? Der Link war im CMS gesetzt, welche weiteren Erkenntnisse dazu ergeben denn Durchsuchungen?

    1. Die StA verspricht sich Informationen, um die herrschende(sic!) Ordnung zu verteidigen. Und eine gewisse Abschreckung. Und vielleicht einen Reputationsgewinn in konservativen Justizkreisen für das „Knacken“ einer Redaktion.

      Wenn man ein klares Feindbild hat, ist das ziemlich einfach.

    2. Wie will man die Staatsanwaltschaft verklagen? Ein Offizialdelikt ziehen die sofort an sich.
      Eine rekursive Vertuschungsmöglichkeit, die generell von den Staatsanwälten genutzt wird.

  8. Na klar gehen da die Cops ab – das sind Linke!

    Von den Staatsfeinden, die nen Putsch versuchten, davon hört man GAR NICHTS mehr.

    Klar, das muss auch vertuscht werden, sind ja alle rechtsradikal und Staatsfeinde.

    Deutschland ist völlig kaputt und korrupt bis in die Spitzen.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.