PressefreiheitStaatsanwaltschaft geht weiter gegen Radio Dreyeckland vor

Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe hat Beschwerde gegen einen Beschluss des Landgerichts Karlsruhe eingelegt. Das Gericht hatte vor wenigen Tagen die Anklage gegen einen Journalisten des freien Senders „Radio Dreyeckland“ nicht zugelassen. Der Radiosender sieht in dem Vorgehen der Staatsanwaltschaft eine „Gefahr für die Grundrechte“.

Das Logo von Radio Dreyeckland, im Hintergrund das Blaulicht eines Polizeiautos
Darf die Polizei wegen eines vermeintlich illegalen Links Razzien durchführen? – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / U. J. Alexander, Montage: netzpolitik.org

Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe hat Beschwerde gegen einen Beschluss des Karlsruher Landgerichts vom 19. Mai eingelegt. Damit geht der Streit zwischen der Staatsanwaltschaft und dem Journalisten Fabian Kienert in die nächste Runde.

Am 5. Mai hatte die Staatsanwaltschaft Kienert angeklagt. Sie wirft dem Redakteur des Senders Radio Dreyeckland (RDL) die Unterstützung einer verbotenen Vereinigung vor (Paragraph 85 Abs. 1, Abs. 2 Var. 3 StGB).

Anlass für die Klage ist ein Artikel Kienerts vom Juli vergangenen Jahres. Darin hatte der Journalist einen Link auf das Archiv von linksunten.indymedia.org gesetzt. Am 17. Januar dieses Jahres ließ die Staatsanwaltschaft Karlsruhe mehrere Razzien im Umfeld des Radiosenders durchführen. Auch zwei Privatwohnungen wurden durchsucht. Dabei wurden Datenträger wie Laptops und Smartphones beschlagnahmt. Das vom Bundesinnenministerium zum Verein umgemünzte Portal war im Jahr 2017 verboten worden.

Landgericht verweist auf Pressefreiheit

Das Landgericht ließ die Anklage gegen Kienert nicht zu. Seine Entscheidung begründet das Gericht damit, dass die Setzung des Links im konkreten Fall keine Unterstützung der weiteren Betätigung einer verbotenen Vereinigung darstelle. Auch fehle es an Erkenntnissen dazu, dass „linksunten.indymedia“ überhaupt noch existiere.

Das Landgericht betonte obendrein, dass Verlinkungen im Journalismus üblich seien und laut Artikel 5 Grundgesetz zum geschützten Bereich der freien Berichterstattung gehörten. Das Gericht ordnete an, dass die Polizei Kopien der beschlagnahmten Datenträger löschen müsse.

„Eine Gefahr für die Grundrechte“

RDL-Geschäftsführer Kurt-Michael Menzel kritisiert das Vorgehen der Staatsanwaltschaft scharf: „Die Staatsanwaltschaft hat vom Landgericht eine glatte Note 6 erhalten. Trotzdem verschwendet sie weiter Steuergelder, um ihre anti-linke Agenda am Beispiel Radio Dreyeckland fortzusetzen. Die Staatsschutzabteilung der Karlsruher Staatsanwaltschaft will offenbar um jeden Preis die Presse- und Rundfunkfreiheit einschränken. Sie ist eine Gefahr für die Grundrechte.“

Ob das Landgericht Karlsruhe die Anklage zu Recht nicht zugelassen hat, muss nun das Oberlandesgericht Stuttgart prüfen. Eine Begründung der sofortigen Beschwerde liegt noch nicht vor. Gibt das Oberlandesgericht der Beschwerde statt, käme es voraussichtlich im Juli zur Hauptverhandlung am Landgericht Karlsruhe.

21 Ergänzungen

  1. Was motiviert die Staatsanwaltschaft? Ist es politische Weisung oder tendenziöser Gesinnungskrieg gleichgesinnter Beamter?

  2. Zitat nd-aktuell: „Zuständig dafür war der Staatsanwalt Manuel Graulich aus Karlsruhe, der die Einstellung wohl als Niederlage empfand. Nur so ist erklärbar, dass Graulich …“

    Ich gäbe mich nicht mit idiosynkratischen Vermutungen zufrieden. Man kann sich des Eindrucks politisch motivierter und konzertierter Handlungen aus Justizkreisen kaum erwehren. Das ist kein Solitenvortrag.

    Staatsanwälte sind bekanntlich weisungsgebunden, nicht unabhängig.

    1. „Politisch motivierte Justiz“ ist wohl auch bei der heutigen Razzia gegen die „Letzte Generation“ zu vermuten.

      Die Herzen der Jugend wird man mit solchen Methoden kaum für einen demokratischen Rechtsstaat gewinnen können. Eine Eskalation des Staates stellt die Zeichen auf Sturm.

      1. @Juristische Zeitenwende:
        >„Politisch motivierte Justiz“ ist wohl auch bei der heutigen Razzia gegen die „Letzte Generation“ zu vermuten.<
        Das Gerechtigkeitsempfinden der blockierten Autofahrer und ÖPNV-Nutzer ist genau anders herum. Um "Notwehr", Selbst- oder Lynchjustitz oder "friedliches Weiterfahren" zu verhindern, MUSS die Staatsanwaltschaft vor Gericht die Rechtslage der Klimakleber klären.
        Im Übrigen gibt es auch Jugendliche, die mit Bus oder Auto sich in der Stadt frei bewegen wollen. Nach Corona ist vor den Klimaklebern: die haben keinen Bock, durch Zwang zu hause bleiben zu müssen.

  3. Sofern es um die Klärung der Rechtsfrage geht, ist eine höherinstanzliche Entscheidung ja grundsätzlich zu begrüßen. Für den Beschuldigten stellt es natürlich eine Belastung dar. Eine Verschwendung von Steuergeldern würde ich darin allerdings nicht sehen, wenn dadurch mehr rechtliche Klarheit geschaffen wird.

    1. >> wenn dadurch mehr rechtliche Klarheit geschaffen wird.

      Im Prinzip ja, langfristig. Aber das Rechtswesen ist nicht dazu gedacht, gesellschaftliche Probleme zu lösen. Justiz sollte auch nicht dazu missbraucht werden, um politisch zu gestalten.

      1. „Justiz sollte auch nicht dazu missbraucht werden, um politisch zu gestalten.“

        Haha, nette Umschreibung für „Aufhebung der Gewaltenteilung ist Verfassungsbruch“.

        1. „Justiz sollte auch nicht dazu missbraucht werden, um politisch zu gestalten.“
          Nicht nur, aber besonders in den USA ist es üblich, Richter mit bestimmter politischer Meinung zu wählen und dadurch Machtpolitik auszuüben. Je mehr politische Fragen nicht durch Wahlen und durch die Parlamente geklärt werden (können), sondern jeder seine politische Privatmeinung geschickt mit Grund- und Menschenrechten unterfüttert, desto mehr wird durch Grundsatzurteil der hohen Instanzen geregelt, ja gar das Verfassungsgericht in die Rolle des Königs gedrängt. Merke: auch die jeweilige Gegenseite hat ihre Ideologie und gute Anwälte.

          1. Das Rechtssystem der USA ist halt leider kaputt. Da die Legislative nichts auf die Reihe bekommen will, beruht vieles auf case law durch SCOTUS. Und damit wurde und wird SCOTUS zur de facto Legislative. Konservative Dems und vor allem Reps finden das natuerlich gut, denn SCOTUS ist wesentlich einfacher als Minderheit zu beherrschen als das Parlament, trotz aller Wahltricks.

          2. Dafür sind die Staatsanwälte dort fast ziemlich unabhängig, oder nicht?

            Kaputt sind vermutlich alle Systeme, auch alle Demokratien. Zuvor bzw. dann Mächtige haben sich Sollbruchstellen und Privilegien schon früh gesichert, und dann haben wir das ganze auf „Partizipation“ basieren lassen, allerdings nicht einfach nur aller, sondern vor allem in der repräsentativen Form, in der eben nun mal notwendige Bedingung die Partizipation der Gewählten am System *zur Demokratie hin*, sowie das Übernehmen von Verantwortung durch eben jene Gewählte stellen, wenn es eine Demokratie sein soll. Wenn wir das nicht fundamental zurechtrücken, fallen wir irgendwie Richtung Monarchie/Oligarchie/Republik/Failed-State zurück („wir“ alle überall). „Wir“ sind bereits jetzt zu flexibel mit den Prinzipien, die eine Demokratie bedeuten sollte. Eine Korrektur durch die Repräsentierten wird bei Kontrolle der Medien, bzw. schon der Verbandelung von Parteien und Medien, sowie der zunehmenden Repressionsaffinität der Apparate, ein klitzekleines konzeptionelles Problem darstellen (für Demokratie).

            Die Idee, das sei alles nur irgendwie Ausdruck von ein bischen Krise, ist auch wunderbar, denn hier profitieren dann auf unsinnige Weise Entitäten, die wiederum das exakt selbe Setup geschenkt bekommen, wie die vom letzten Mal. Kardinalfehler wiederholt.

          3. „StA ist dort ein Wahlamt. Noch Fragen?“

            JA:
            – Relevanz wirklich komplett so gegeben?
            – Trifft die Einschätzung zu, wenn zumindest nach der Wahl Unabhängigkeit besteht?
            – Was haben die im Amt zu verlieren?
            – Muss ein StA Sanktion fürchten, z.B. sanktioniert zu werden, den Job und Rentenbezüge o.ä. zu verlieren, wenn er nicht unabhängig handelt? (Andersherum wie bei uns??).
            – Ist jedes mal Wahl, wenn Trump es sich so wünscht? Kann man die einfach so ersetzen, oder macht so ein Fauci auch mal das eine oder andere Jahrzehnt seinen Job?

          4. „StA ist dort ein Wahlamt. Noch Fragen?“

            So einfach ist das nicht, einiges gilt sogar für die Bundesebene (US), aber nehmen wir mal eine Nummer kleiner (State Attorney General):
            – Hier gibt es schon mal wilde Unterschiede wer wo was für wie lange wählt: https://en.wikipedia.org/wiki/State_attorney_general
            – Mehrheiten können wechseln.
            – Zeitraum im Job nicht immer deckungsgleich mit Legislaturperioden. 4/2 Jahre, z.T. Aufgabe der Position zu zufälligem Zeitpunkt, mehrere Terms möglich, je nach dem.
            – „sworn to uphold the United States‘ constitution“ Mit möglichen Konsequenzen.
            – Paxton anyone? (Kongress entscheidet über Amtsenthebungsverfahren, dennoch…)
            – Und zurück zum Anfang: Es gibt Voraussetzungen für den Job, je nach Ort: https://www.cga.ct.gov/2010/rpt/2010-R-0253.htm

            (Eine Ebene tiefer ist auch nicht alles beliebig.)

            Alles irgendwie Details und z.T. auch klitzekleine Unterschiede. Perfectly balanced? Naja…

    2. Dieses Posting fuer illegal halten, Ihre elektronischen Geraete im Rahmen einer Hausdurchsuchung zu beschlagnahmen und das dann durch alle Instanzen einen Ihrerseits erstmal zu finanzierenden Rechtsweg hindurch zu betreiben waere also in Ihrem Sinne?

  4. STUTTGART/FREIBURG dpa Gegen einen Redakteur von Radio Dreyeckland ist Anklage vor der Staatsschutzkammer des Landgerichts Karlsruhe zugelassen worden. Dem Journalisten wird vorgeworfen, durch die Verlinkung einer Internetseite weiteres Handeln einer verbotenen Vereinigung unterstützt zu haben. Angeklagt ist er wegen Verstoßes gegen ein Vereinigungsverbot, wie das Oberlandesgericht Stuttgart (OLG) am Montag mitteilte. Die Anklage der Staatsanwaltschaft war in erster Instanz vom Landgericht Karlsruhe nicht zugelassen worden. Gegen den Beschluss hatte die Anklagebehörde Beschwerde eingereicht.

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