"Nur noch 2 verfügbar!"EU-Kommission kritisiert manipulative Tricks von Onlineshops

Die Europäische Kommission hat den Einsatz von sogenannten „Dark Patterns“ im Online-Handel geprüft. Das Ergebnis: 40 Prozent der untersuchten Onlineshops setzen auf Design-Tricks, um Verbraucher:innen zu manipulieren. Der Deutsche Bundesverband Onlinehandel sieht die Branche zu Unrecht in der Kritik.

Dark Pattern (Symbolbild)
Viele Onlineshops benutzen sogenannte Dark Pattern. – Erstellt mit StableDiffusion.

Die EU-Kommission hat manipulative Tricks von Onlineshops unter die Lupe genommen. Der Analyse zufolge sollen 40 Prozent der untersuchten Websites sogenannte Dark Patterns verwenden, heißt es in einer Pressemitteilung der EU. Das sind versteckte, manipulative Gestaltungsmuster bei Websites und Apps, die Verbraucher:innen zu einer bestimmten Handlung führen sollen. Im Fall von Onlineshops sind diese Handlungen meist Käufe oder das Abschließen von Abos.

Immer wieder machen Berichte über Manipulation mit Dark Patterns Schlagzeilen. So deckten Journalist:innen des Business Insider auf, dass Amazon durch Design-Tricks bewusst versucht hat, die Kündigung des Bezahldienstes Amazon-Prime möglichst kompliziert zu machen. Offenbar mit Erfolg: Das „Projekt Iliad“ soll die Kündigungsrate um 14 Prozent gesenkt haben. Eine Recherche von netzpolitik.org zeigte jüngst, dass Design-Tricks bei Cookie-Bannern weit verbreitet sind.

Untersucht hat die EU nun 399 europäische Onlineshops. Da ein detaillierter Bericht bisher nicht einzusehen ist, bleibt unklar, wie viele davon in Deutschland sind. Unbekannt ist auch, nach welchen Kriterien die Seiten ausgewählt wurden. Was bekannt ist: Die Kommission hat sich bei ihrer Überprüfung auf drei unterschiedliche Tricks konzentriert. Auf 148 der untersuchten Websites, also knapp 40 Prozent, wurde mindestens eines der drei folgenden Dark Patterns verwendet:

  1. Falsche Countdowns, wie wir sie unten im Bild am Beispiel der Fast-Fashion-Marke Shein zeigen. Durch den Countdown wird Käufer:innen ein Gefühl von Dringlichkeit vermittelt, schnell zugreifen zu müssen. Aktualisiert man die Website, startet der Countdown bei Shein wieder bei der gleichen Zeit.
  2. Design, das Verbraucher:innen zum Kauf oder Abo drängt. Ein Beispiel hierfür sind Shops, die Kund:innen durch die farbliche Gestaltung der Seite oder komplizierte Prozesse zum Kauf teurerer Produkte animieren wollen.
  3. Verborgene Informationen. Ähnlich zum manipulativen Design werden hier Informationen zu günstigeren Optionen oder zu Abofallen versteckt.
Screenshot Shein
Ein falscher Countdown auf Shein kreiert die Illusion, schnell handeln zu müssen. - Screenshot: Shein

Laut EU-Justizkommissar Didier Reynders ist der Einsatz solcher Dark Patterns „eindeutig unrecht und verstößt gegen die Verbraucherschutzregeln“. Diese Regeln sind bislang vor allem Richtlinien, die jeder Mitgliedsstaat in eigenes nationales Recht übersetzt. Das bedeutet konkret, dass nun die deutschen Behörden die hierzulande untersuchten Unternehmen kontaktieren und Konsequenzen aus den Ergebnissen der Studie ziehen müssen.

Parallel dazu werde die Kommission das Schutzniveau der relevanten Richtlinien nun nochmals prüfen und im Zweifel verschärfen, kündigte Reynders an. Dazu zählen die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken, die Verbraucherrechte-Richtlinie und die Richtlinie über missbräuchliche Vertragsklauseln. Auch der kürzlich beschlossene Digital Services Act der EU soll helfen, Manipulation mit Dark Patterns zu unterbinden.

Kritik aus dem Onlinehandel

Die EU führt regelmäßig sogenannte „Sweeps“ durch, um zu prüfen, ob Websites mit den EU-Vorschriften zu Online-Diensten konform sind. Seit 2007 waren unter anderem Fluggesellschaften, Vergleichsportale und Telekommunikationsseiten gecheckt worden.

Der deutsche Bundesverband Onlinehandel (BVOH) äußerte sich in einer Pressemitteilung kritisch zur Überprüfung der EU. Das Statement des EU-Kommissars schade „einer ganzen Branche“. Die Untersuchung werfe ein „falsches Licht auf den deutschen Onlinehandel“, da Repräsentativität nicht gegeben sei. So gebe es in Europa über 600.000 Onlineshops, von denen in der Studie nur ein kleiner Bruchteil untersucht wurde.

Für BVOH-Präsident Oliver Prothmann sind die Ergebnisse daher „ohne wirkliche Aussagekraft“. Grundsätzlich sei der BVOH „natürlich“ gegen die Manipulation von Verbraucher:innen. Auf Nachfragen zur Kritik des Handelsverbandes gab es von der EU-Kommission bis zum Erscheinen dieses Artikels keine Antwort.

Dark Patterns werden nicht nur als Verkaufsstrategie zu Irreführung von Verbraucher:innen eingesetzt. So haben die europäischen Datenschutzbehörden auch manipulative Cookie-Banner auf dem Schirm, auch wenn ein energisches Vorgehen dagegen noch auf sich warten lässt.

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Eine Ergänzung

  1. Ähnliche Kategorie: Werbelinks bei Google mit „70% reduziert [was du suchst] nur für kurze Zeit“ – Landingpage Amazon (…), natürlich ohne relevante Angebote.

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