BundestagsdebatteAmpel will sich bei digitaler Identität auf Ausweis-eID konzentrieren

Auf Antrag der Union hat der Bundestag über digitale Identitäten debattiert. Die Union will mit dem Antrag Druck auf die Bundesregierung machen, kassierte aber Schelte für die Digitalpolitik ihrer eigenen Regierung.

Nahaufnahme eines Personalausweises
Die Nutzung der Personalausweis-Plastikkarte soll nach Aussagen der Ampel-Fraktionen im Fokus bei der eID stehen. (Symbolbild) – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / Zoonar

Auf Antrag der CDU/CSU-Fraktion (PDF) hat der Deutsche Bundestag am letzten Freitag über das Thema digitale Identitäten debattiert. Die Union fordert, dass die Ampel das Thema vorantreibt. In der Debatte sprachen alle außer der Union aber vor allem über die Versäumnisse der unionsgeführten Vorgängerregierungen.

Der Ausbau der digitalen Identitäten ging trotz der Einführung des elektronischen Personalausweises 2010 und einer funktionierenden technologischen Basis nur schleppend voran, es gibt wenige Anwendungsfälle und keine nennenswerte Zahl von Nutzer:innen. In der Kritik steht auch, dass sich sowohl die Vorgängerregierung wie auch die Ampel jetzt nicht auf ein Projekt konzentrieren, sondern mit Versuchen von Smart eID und digitalen Wallet-Lösungen keine klare Strategie fahren. Smart eID soll auf dem Smartphone laufen und den physischen Ausweis weitgehend entbehrlich machen. Smartphone Wallets können als eine Art digitale Geldbörse noch weitere Dokumente und Nachweise digital speichern.

„Lilith Wittman zerlegt das dann in zwei Tagen“

Markus Reichel von der CDU/CSU-Fraktion warf der Ampel-Regierung „Stillstand“ und ein „Verantwortungs-Wirrwarr“ vor, im Gegensatz dazu sei in den 16 Jahren, in denen die Union die Bundesregierung geführt habe, „Schwung in der Sache“ gewesen. Von diesem „Start-Up-Geist“ könne sich die Ampel etwas abschneiden, so Reichel weiter in seiner Rede. Die Ampel müsse nun vorankommen und Anwendungen für digitale Identitäten und eine Nachfrage schaffen. Dabei sei das Thema digitale Identitäten mehr als der elektronische Personalausweis.

Robin Mesarosch von der SPD verwies darauf, dass die Zuständigkeit 16 Jahre bei Kanzleramt und Bundesinnenministerium unter der Union gewesen sei und gab die Schuld für den derzeitigen Zustand zurück an die Union. Die Ampel wolle nun den „Teufelskreis“ durchbrechen und sich nun auf die Personalausweis-eID fokussieren. Dafür baue die Regierung einen Vertrieb auf, starte eine Öffentlichkeitskampagne und mache die Zertifikate bei der Bundesdruckerei billiger und leichter zugänglich.

Mesarosch kritisierte, man brauche keine Hochglanzprojekte, die Lilith Wittman dann wieder in zwei Tagen zerlege, sagte er mit Verweis auf die Sicherheitsforscherin, die einem Prestigeprojekt der Union „ID Wallet“ durch den Nachweis von Sicherheitslücken ein jähes Ende bereitet hatte.

Auch Misbah Khan von den Grünen warnte vor weiteren Millionengräbern und verwies auf das ID Wallet. Dieses Projekt sei „mit Ansage krachend gescheitert“. Die Ampel würde es nun anders machen und sich auf den „guten alten, neuen Personalausweis“ konzentrieren. Dafür gebe es eine Kampagne und zusätzliche Funktionen in der Ausweisapp2. Außerdem wolle man auf die digitale Zivilgesellschaft hören.

Das Erbe der Union

Anke Domscheit-Berg von der Linken kritisierte den Antrag der Union mit Verweis auf einen Tweet als „Kraut und Rüben“. Auch Die Digitalpolitikerin verwies auf die lange Verantwortungszeit der Union beim Thema und wunderte sich über die Erwähnung des „Mega Fails“ ID Wallet im Antrag, der ein „Fremdschämpapier“ sei. Bei den Schaufensterprojekten mit einem Budget von 50 Millionen Euro sei jeder einzelne Euro ein verbrannter Euro.

Maximilian Funke-Kaiser von der FDP hielt den Antrag der Union für ein Eingeständnis des Versagens. Fokus sei nun die Ausweis-eID mit dem Personalausweis und später mache man die Nutzung noch einfacher mit der Smart eID. Jens Zimmermann von der SPD sagte, dass der Antrag der Union gute Beispiele für sinnlose Projekte enthalte und verwies dabei auf Blockchain und ID Wallet. Der Versuch des elektronischen Führerscheins sei nicht ausgereift und nicht sicher gewesen. Die Ampel verfolge nun die Strategie, dass sie auf die eID mit dem neuen Personalausweis setze. Er selbst wolle auch die Smart eID, aber es müsse auch klappen. Deswegen habe die Ausweis-eID, bei der man den Ausweis aufs Handy halte, erste Priorität.

Die Debatte endete mit Reinhard Brandl von der CSU, der „Druck, Druck, Druck“ und „Machen, machen, machen“ forderte.

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13 Ergänzungen

  1. Lass mich doch mal eben überlegen …
    Wer hat noch gleich das Signaturgesetz gemacht ?
    Wer hat noch gleich DE-Mail aus der Taufe gehoben ?

    War das Rot-Grün ?

    Jedenfalls war das der klägliche Versuch jemandem die Taschen vollen Geld zu stopfen.
    Ist ja Gott sei Dank nach hinten losgegangen.

    Es wird allerhöchste Zeit OpenPGP zu etablieren.
    Schlüssel signieren mit dem Personalausweis klappt ja schon !!

    Und wo die Post ja jetzt den Briefverkehr aufgeben will …

  2. „Smart eID soll auf dem Smartphone laufen und den physischen Ausweis weitgehend entbehrlich machen. “

    Wie gesagt, ginge da schon was, aber nicht als Default, sondern als Option (Tickets). Prognose … mehr Autsch?

    Im Grunde ist aber schon ein Showstopper, dass der Ausweis keine sichere Hardware zur Interaktion hat. Da muss im Grunde eine Art von ultradünnem E-Paper oder OLED o.ä. dazu, welches anzeigt, was ausgelesen oder übertragen werden soll, und bereits ein Ablehnen (Annehmen? Einschränkung) per Tasten/Touch möglich macht. Vorzugsweise drahtlos gespiesen vom Smartphone, mit Kabeloption, als Checkkartenhülle für den E-Perso. Sieht jemand einen anderen Weg, außer es ganz sein zu lassen, oder wirklich sichere Smartphones nach neuen Microkernel- und Hardware- wie Softwareisolationsprinzipien zu bauen, also als integrales Konzept dann?

    Das wird sonst fürchterlich…

  3. Also wenn man da dranbleibt kotzt man irgendwann nurnoch im Dreieck, bleibt dran :)

    https://www.costanachrichten.com/service/residenten-ratgeber/digitaler-euro-id-wallet-zentralbank-cbdc-eu-spanien-bargeld-bezahlen-kritik-92046135.html

    Die Identity wallet müsste doch illegal sein oder? Die gehört abgelehnt! Weiterhin der Passus mit …um Akzeptanz zu erhöhen…werden verpflichtet…
    Das. ist. Faschismus pur.
    Metadaten sammeln und klarnamenspflicht durch die hintertür, ende jeglicher Anonymität.
    Krank :(

  4. Bekommen jetzt arme Menschen eigentlich ein Smartphone umsonst?!

    Wie soll das funktionieren ohne entsprechendes Einkommen?!

    Oder will der Staat dann die Armen einfach von der Gesellschaft weiter ausschließen und wie im Mittelalter mit ihnen umgehen.

    Der Mensch ist das schlimmste Tier auf Erden!! Und Deutschland voll verlogen dazu! Siehe Realität mit Hartz IV!

  5. Das Vorhaben ist überflüssig, weil man den Personalausweis so gut wie nie braucht. Selbst wenn man unterstellt, dass einer sich ständig im Netz ausweisen soll, um amtliche oder kommerzielle Aktionen durchführen zu können, beweist das, dass sich zumindest letztere vom herkömmlichen Offline-Handel durch die Identitätsprüfung unterscheiden.

    Daher die Frage: Warum online nicht anonym, offline schon (wie lange noch)?

    Oder möchte man, was zu unterstellen ist, genau wissen, wer was wann wo warum wie oft für wieviel einkauft?? Wem nützt das? Dem Bürger sicher nichts!

    1. Mindestens eine gute Funktion gibt es in der Altersverifikation (ohne Video; mit wenig Daten). Würde vielleicht sogar die Medienaufsichtsbehörde zufriedenstellen. So könnte die Verbreitung der eID gefördert werden: mache die Altersverifikation per eID für Pornoseiten verpflichtend!

    2. Nunja, genau das will man ja aendern. Da kommt dann auch der sogenannte „Jugendschutz“ und andere „Gruende“.

      Offline gibt es ohne Bargeld nicht mehr.

  6. Die Nudgingmöglichkeiten werden noch toll erweitertert, wenn man dann in Echtzeit Buchungen zweckbegründet ablehnen kann, z.B. bei Sozialhilfeempfängern, oder als Spartarif bei Krankenkassen.

  7. > „Smart eID soll auf dem Smartphone laufen und den physischen Ausweis weitgehend entbehrlich machen.“

    Nein danke, ich will den physischen Ausweis behalten. Am liebsten wäre es mir ohne Biometrie, ohne Blockchain und ähnlichen Quatsch.

    > „Smartphone Wallets können als eine Art digitale Geldbörse noch weitere Dokumente und Nachweise digital speichern.“

    Nein danke, die entsprechenden Unternehmen „verdienen“ schon jetzt zuviel. Dabei beziehe ich die Hersteller von Smartphones ausdrücklich mit ein. Und Smartphonebesitz als Voraussetzung ist finanzielle Diskriminierung.

    > „Von diesem „Start-Up-Geist“ könne sich die Ampel etwas abschneiden, so Reichel weiter in seiner Rede. Die Ampel müsse nun vorankommen und Anwendungen für digitale Identitäten und eine Nachfrage schaffen. Dabei sei das Thema digitale Identitäten mehr als der elektronische Personalausweis.“

    Deutschland braucht *weniger* Steuerverschwendung und nicht noch mehr.

    > „Die Debatte endete mit Reinhard Brandl von der CSU, der „Druck, Druck, Druck“ und „Machen, machen, machen“ forderte.“

    Nahezu überall sonst im Leben wird „Erst denken, dann handeln.“ als wichtig betrachtet, außer bei der Digitalisierung. *Da* will man immer erst die Zahnpasta aus der Tube drücken und anschließend zurückstopfen.

    1. >>> *Da* will man immer erst die Zahnpasta aus der Tube drücken und anschließend zurückstopfen.

      Nachdem man den Wochenendeinkauf, sein eigenes Hinterteil und den Fisch für das Mittagessen drübergewischt, sowie aufgrund real existierender Notwendigkeiten sein Kind drauf gewickelt hat.

  8. „Smartphone Wallets können als eine Art digitale Geldbörse noch weitere Dokumente und Nachweise digital speichern.“

    Das ist so furchtbar…
    Also den Fremdhardwarekartenleser mit Updates aus dem Pfefferland, immer zeitnah per Pferdekutsche eingereicht, versteht sich, direkt ans Internet angeschlossen, mit kommerziellem Betriebssystem ohne reale Sicherheitsmerkmale bzgl. solcher Vorgänge.

    Das ist kein Ersetzen von Bargeld. Das muss den Leuten klar sein. Das wird eine umfassende Transformation mit extremem Verlustrisiko auf verschiedenen Ebenen, inklusive der Finanziellen. Bei dem Smartphoneansatz möchte man fast schon auf Crypto ausweichen…

    1. QR-irgendwas als Gerät für eine Smartcard, so vermute ich, ist ziemlich sicher (in sich) machbar. Eigentlich sollte der Staat die bauen (sicherstellen +- helfen), in OSHW+FS. Man kann dann Fingerabdruckerweiterungen etc. anflanschen, aber das muss eben eine dafür gemachte sichere Architektur sein, die ständig aktualisiert wird.

      Für Geheimdienste: falsche Personen sind super, aber Impersonifikation ist kein Deal.

  9. Spanien und die EU: Wallet-Nutzung für Prüfung von ID verpflichtend

    Um die Akzeptanz der European Digital Identity Wallet zu fördern, hat die EU verschiedene Sektoren benannt, die zur Wallet-Nutzung verpflichtet werden. Dazu gehören der Banken- und Finanzsektor, das Gesundheits- und Bildungswesen, Transport- und Versorgungsunternehmen, zum Beispiel für Wasser. Auch große „Big Tech“-Plattformen wie Amazon, Google und Facebook müssen die Wallet einführen. Mit letzterem will die EU der Identifizierung über einen „sozialen Login“, wie z. B. eine Facebook-ID, einen Riegel vorschieben.

    meine Akzeptanz lieggt jetzt schon bei 0 und tendiert in den – Bereich =)
    Was ist denn geplant wenn man nicht mitmacht, Stichwort Smartphone, ja ich nutze eins
    ein LG40 seit, knapp 8 Jahren. Zum Telefonieren und SMS schreiben. Kein Whatsapp etc. pp
    BRAUCHE Ich nicht.
    Werde ich dann gezwungen mitzumachen bei dem neuen heißen Shice ? Ausgegrenzt ?
    Erzwingungshaft ?
    Es wird spannend, auch wenn es eigentlich traurig ist, wie die Gessellschaft sich einlullen läßt.

    lg

    Aber was bekommt man als Kind so schön eingebläut, Unwissenheit, schützt vor Strafe nicht.
    Na dann viel Spaß in der Digitalen Überwachungswelt al China.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.