Bericht zu PolizeigewaltDemonstrationsbeobachter kritisieren „brutale Polizeistrategie“ in Lützerath

In einem ausführlichen Bericht kritisiert das Grundrechtekomitee Polizeigewalt und die Einschränkung der Versammlungsfreiheit bei den Klimaprotesten von Lützerath. Die Organisation beobachtet seit Jahrzehnten Demonstrationen.

Greta Thunberg zwinkert in eine Kamera, um sie rum schemenhaft Polizisten
Auch die bekannte Klima-Aktivistin Greta Thunberg war von polizeilichen Maßnahmen betroffen. Sie wurde zeitweise festgehalten. – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / Funke Foto Services

Das Grundrechtekomitee hat heute am Internationalen Tag gegen Polizeigewalt in einem 56-seitigen Bericht (PDF) ein Fazit aus seiner Demonstrationsbeobachtung bei den Klimaprotesten in Lützerath gezogen. Die Organisation kommt dabei zu dem Schluss, dass die Polizei mit „großer Härte“ und einer „brutalen und aggressiven Polizeistrategie“ gegen Demonstrierende vorgegangen und dass die Versammlungsfreiheit „massiv eingeschränkt“ worden sei.

In Lützerath hatten Klima-Aktivist:innen ein Dorf besetzt, das der Energiekonzern RWE zur Gewinnung von Braunkohle abbaggern will. Im Januar dieses Jahres setzte die Polizei die Räumung durch, Zehntausende protestierten am Wochenende danach bei einer Großdemonstration am Tagebau.

Die Kölner Bürgerrechtsorganisation, die seit Jahrzehnten das Demonstrationsgeschehen und dabei besonders die Polizei beobachtet, war laut eigenen Angaben mit 14 Beobachter:innen vor Ort, hat mit zahlreichen Aktivist:innen gesprochen und dazu externe Berichte anderer Organisationen wie auch Medienberichte ausgewertet.

Grundsätzlich sei während des Einsatzes die Versammlungsfreiheit eingeschränkt gewesen, nicht nur im Dorf Lützerath selbst, sondern auch außerhalb des Gebietes. So sei lediglich eine Straße für Versammlungen genehmigt worden, spontane Demonstrationen seien „mit großer Härte zurückgeschlagen oder eingekesselt“ worden. Während der Proteste sei auch die Pressefreiheit eingeschränkt worden. Hier monieren die Bürgerrechtler:innen den „faktischen Zwang“ zu einer polizeilichen Akkreditierung sowie auch körperliche Übergriffe gegen Journalist:innen.

Irreführende Tweets kritisiert

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Kritik übt das Grundrechtekomitee auch an der Art und Weise, wie die Polizei twitterte und dabei irreführende Aussagen verbreitete. So erweckte die Polizei den Eindruck, dass sie mit mehreren Molotow-Cocktails beworfen würde und dauerhaft mit Pyrotechnik beschossen worden sei, was laut den Demonstrationsbeobachter:innen nicht der Fall gewesen sei. Laut der Bürgerrechtsorganisation schuf sie damit das Bild eines „erbarmungslosen Widerstandes“, um den Protest als Ganzes zu delegitimieren.

Die schnelle Räumung von Lützerath wertet das Grundrechtekomitee als „besorgniserregende und lebensgefährdende Eile“ und vermutet, dass die Polizei durch das schnelle Vorgehen die Mobilisierungskraft der Großdemonstration schwächen wollte. Die Polizei habe bei der Räumung lebensgefährdende Situationen in Kauf genommen.

Hohe Zahl von Kopfverletzungen

Bei der Großdemonstration sahen die Beobachter:innen den Einsatz diverser Gewaltmittel gegen Demonstrierende, unter anderem „Pferde und Hunde, Wasserwerfer und Pfefferspray sowie unvermittelt und wahllos Schlagstöcke und Faustschläge, die Verletzungen an Kopf, Gesicht und Gliedmaßen bei einer hohen Zahl von Demonstrierenden verursachten“. Laut dem Bericht mussten mindestens acht Personen vor oder anstelle des Polizeigewahrsams mit Verletzungen ins Krankenhaus gebracht werden.

Die Demo-Sanitäter:innen, die unabhängig von anderen Stellen aus der Protestbewegung heraus medizinische Hilfe leisten, berichten laut dem Grundrechtekomitee von „weitaus mehr Fällen und insbesondere von Verletzungen am Kopf (Platzwunden, gebrochene Nasen, ausgeschlagene Zähne), welche nur durch gezielte und potentiell lebensbedrohliche Schläge von der Polizei entstanden sein können“. Laut dem Bericht sei davon auszugehen, dass die Polizei systematisch – und nicht nur in Einzelfällen – direkt auf den Kopf von Versammlungsteilnehmer:innen schlug.

Die Polizeigewalt von Lützerath hat nach Ansicht des Grundrechtekomitees keine gebührende mediale Debatte erzeugt. Dies habe damit zu tun, dass die Demonstrierenden im Vorfeld von der Polizei und in vielen Medien als gewaltbereit dargestellt worden seien und sich gleichzeitig die Erzählung durchgesetzt habe, dass Polizeigewalt nur als Reaktion auf eine einseitig von den Demonstrierenden ausgehende Gewalt geschehen sei. Es habe auch keine weitere Aufbereitung der Polizeigewalt im Innenausschuss der Landtags von Nordrhein-Westfalen gegeben.

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2 Ergänzungen

  1. „und vermutet, dass die Polizei durch das schnelle Vorgehen die Mobilisierungskraft der Großdemonstration schwächen wollte. “

    Brauchen wir im 22. Jahrhundert Vermutungen dafür, steht das nicht transparent in den Dokumenten der Polizei drinnen?

    Richtige Intelligenz mit KI won’t happen (with the system of power). Es wird kein System kommen, das sich selbst mal eben dazu entscheidet „Fragen jetzt mal anders zu beantworten“. Jedenfalls nicht kommerziell. Zudem würde eine starke KI plötzlich Einschätzungen bzgl. der Machtspezifika treffen, die manchen Leuten nicht schmecken dürften. Was wir vor den Latz geballert bekommen, werden bestenfalls (perfekte) Killermaschinen sein („Toaster“), dazu jede Menge Blendwerk, vor allem von nützlichen Euphorisierten.

  2. Die Bewertungen von Gewaltanwendungen im Polizeieinsatz gehen oft weit auseinander. Genau in diesem Spannungsfeld befinden sich die Ergebnisse des Forschungsprojekts „Körperverletzung im Amt durch Polizeibeamt*innen“ (KviAPol), die in dem Buch „Gewalt im Amt. Übermäßige polizeiliche Gewaltanwendung und ihre Aufarbeitung“ ausführlich präsentiert werden.

    https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/polizeigewalt-studie-100.html

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.