Wochenrückblick KW5Schläfrige Geschwindigkeiten und fragwürdige Konzepte

Diese Woche hat uns mal wieder gezeigt, wie sehr wir die Digitalisierung verschlafen haben. Außerdem gab es eine Überraschung: Die erste Woche 2022 ohne eine Luca-Meldung! Nur der Pegasus Staatstrojaner blieb uns nicht erspart.

Eine schlafende Eule
Leider hat nicht nur diese Eule ein paar wichtige Sachen verschlafen… – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Foto von Des Récits

Bescheidene 10 MBit/s im Download und 1,3 MBit/s im Upload – das ist wohl „schnelles“ Internet. Zumindest laut der Bundesregierung. Damit werde das neue Recht auf schnelles Internet erfüllt. Zwar gibt es diese Geschwindigkeit schon seit 20 Jahren auf dem Massenmarkt, aber das scheint unsere Regierung verschlafen zu haben.

Verschlafen wurden eventuell auch ein paar Sicherheitsstandards: so sollen eigentlich auch Amtsgänge bald online erledigbar sein – nur gab es zur Umsetzung einiger dieser Dienstleistungen noch keine gesicherten IT-Sicherheitsstandards. Nun muss nachgebessert werden. Das funktioniert allerdings meist nur so mittelgut, kritisieren Expert:innen.

Die Digitalisierung stolpert auch in anderen Bereichen. So hatte das neue das neue Telekommunikationsgesetz für Verunsicherung unter Betreibern frei verfügbarer WLAN-Netze gesorgt. In der Sache hat die Bundesnetzagentur nun zumindest etwas Klarheit geschaffen: Die Betreiber müssen keine Daten ihrer Nutzer speichern.

Großartiges aus der EU

Die Bürger:innen der Europäischen Union sollen sich bald eine sogenannte „ID-Wallet“ erstellen können. Allerdings läuft die Sache nicht so rund, wie es EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen gerne zeichnet. Es fehlen unter anderem Schutzmaßnahmen gegen die missbräuchliche Verwendung von Nutzerdaten.

Zudem müssen in Europa schon seit 2021 Fingerabdrücke bei der Beantragung eines Personalausweises abgegeben werden. Ein Bürger brachte die Sache nun vor Gericht. Der Fall liegt jetzt dem Europäischen Gerichtshof vor. Das Gericht könnte den Zwang den eigenen Fingerabdruck preisgeben zu müssen kippen. Constanze Kurz hat die beiden Kontroversen analysiert.

Auch in anderer Art und Weise kommen wundervolle Nachrichten aus der EU – zumindest, wenn wir der ungarischen Datenschutzbehörde glauben schenken wollen. Nach dieser können wir beruhigt sein: die Behörde hat nach ihrer Untersuchung hunderter Einsätze des Staatstrojaners Pegasus nichts Fragwürdiges gefunden. Die Ausspähung von Journalist:innen und Sicherheitsleuten sei zum Schutz der nationalen Sicherheit rechtens gewesen.

Aber nicht nur Ungarn war in der Hinsicht fleißig. Auch die EU baut ihre Überwachungskapazitäten weiter aus: So könnten die beiden geheimdienstlichen EU-Lagezentren bald in eine zentrale Einrichtung zusammengefasst werden. Obwohl die EU dafür keine Kompetenzen hätte, sollen dort möglicherweise auch nachrichtendienstliche Aktivitäten ausgeübt werden.

Einhergehend will Europol einen angesammelten Datenberg an Ermittlungsdaten nicht löschen – obwohl dies der Europäische Datenschutzbeauftragte fordert. Stattdessen soll die Datensammelwut nun nachträglich legalisiert und ausgebaut werden. Dabei nutze der Konzern ähnliche Argumente wie die NSA, sagen Abgeordnete.

„Technologieunternehmen“ und ihre Schwierigkeiten

Wie so viele moderne IT-Konzerne will auch Spotify als Technologieunternehmen behandelt werden. Dabei ist Spotify praktisch ein Medienunternehmen. Die neuen Maßnahmen gegen Falschinformationen entpuppen sich damit als Vorwand, um keine eigene Verantwortung für die fragwürdigen Inhalte übernehmen zu müssen.

Vieler der großen IT-Unternehmen klagen zudem über die ab Februar geltende Meldepflicht von strafbaren Inhalten. Google, YouTube, TikTok und Twitter sind gegen die neue Regelung vor Gericht gegangen. Sie kritisieren, dass ihnen der Job der Staatsanwaltschaft in die Schuhe geschoben werde.

Unbequem wird es für einige dieser Unternehmen auch wegen einer Ankündigung der belgischen Datenschutzbehörde. Ein großer Teil der heute verwendeten Cookie-Banner weise illegale Bestandteile auf. Ingo Dachwitz erklärt welche Konsequenzen die Entscheidung mit sich bringt.

Eigentlich soll das European Digital Media Observatory beobachten, ob und wie große Technologiekonzerne den EU-Kodex zu Desinformation umsetzen. Wie Maxence Peigne und Nico Schmidt von Investigate Europe in einem Beiträg für uns recherchierten, bestehen allerdings zahlreiche Verbindung zwischen der Beobachtungsstelle und Google.

Weitere Unerfreulichkeiten

Das Web3 soll mit neuen Blockchains und den zugehörigen NFTs eingeläutet werden. Allerdings hat die Entmachtung der großen IT-Unternehmen auch ihre Kehrseite – Malte Enger hat die Sache kommentiert.

Wie das Londoner Innenministerium vorherige Woche feststellte, ist die pauschale Beschlagnahme der Handys von Asylsuchenden rechtswidrig. Obwohl sie das Gerät sowohl zur Kommunikation mit ihren Angehörigen, als auch zur Verwahrung wichtiger Dokumenten benötigen, sehen sie ihr Handy oftmals nie wieder.

Trotz diesen eher mulmigen Neuigkeiten, wünschen wir euch ein bequemes, ausgeschlafenes Wochenende!

Deine Spende für digitale Freiheitsrechte

Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

Eine Ergänzung

  1. Während das Analoge den Tod der Anwesenheit des Digitalen stirbt, hat es unsere vielbesungene Verfassung nicht aus eigener Kraft geschafft, einen ähnlich kühnen Sprung – gewissermaßen in analoger Weise – zu, äh, wie war das Verb… digitalisieren?

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.